Schwäbische Zeitung (Wangen)

40 Blutbeutel harren der Zuordnung

Dopingarzt Schmidt: Laut Hörmann sind keine deutschen Sportler betroffen

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BERLIN (SID/dpa) - Im Doping-Skandal um Sportmediz­iner Mark Schmidt aus Erfurt kann die Bombe jederzeit platzen. 40 Blutbeutel liegen bei den Ermittlern der Staatsanwa­ltschaft München auf dem Tisch. Noch sind die Namen der Athleten nicht zugeordnet, doch die Experten arbeiten mit Hochdruck daran.

Oder der Doping-Arzt packt aus und nennt die Namen der Athleten, die Blutbeutel zum Eigenblutd­oping in seiner Praxis lagerten. Laut „Bild“will Schmidt mit der Staatsanwa­ltschaft kooperiere­n. Dieter Csefan vom österreich­ische Bundeskrim­inalamt sieht generell „gute Möglichkei­ten, die Blutbeutel über DNA-Tests den Besitzern zuordnen zu können“.

Ein Geständnis würde Schmidt, der wie ein Komplize in München inhaftiert ist, Strafmilde­rung bringen. Zwei weitere Komplizen – darunter auch der Vater des Hauptbesch­uldigten – sollen von Innsbruck nach München ausgeliefe­rt werden und müssen ebenfalls mit jahrelange­n Haftstrafe­n rechnen. Das Quartett soll dem internatio­nalen Doping-Netzwerk angehören, das am Mittwoch bei der Nordischen Ski-WM im österreich­ischen Seefeld zerschlage­n worden war.

DOSB-Präsident Alfons Hörmann bekräftigt­e, dass keine deutschen Sportler in den Skandal verwickelt seien. „Es hat keinerlei offizielle Zusammenar­beit mit der Erfurter Praxis auf der Ebene von Bundeskade­r-Athleten gegeben. Auch für die Ebene der Landeskade­r-Athleten hat der Landesspor­tbund Thüringen explizit bestätigt, dass es derzeit keinerlei Erkenntnis­se zu Betreuungs­leistungen über die standardis­ierte medizinisc­he Grundunter­suchung und die Aufnahmeun­tersuchung für die Sportgymna­sien hinaus gibt“, sagte Hörmann.

In Österreich gibt es offenbar eine andere Einschätzu­ng. Präsident Peter Schröcksna­del vom österreich­ischen Ski-Verband erneuerte seinen Vorwurf. „Ich habe Informatio­nen, dass auch deutsche Athleten betroffen sind“, sagte der 77-Jährige. „Die Zentrale ist in Deutschlan­d, aber auf die Österreich­er wird jetzt hingehaut.“

Bislang sind fünf Skilangläu­fer betroffen: die Österreich­er Max Hauke und Dominik Baldauf, die Esten Andreas Veerpalu und Karel Tammjärv sowie der Kasache Alexei Poltoranin. Der Skiweltver­band FIS sperrte am Freitag die Sportler vorläufig und bestätigte erstmals die Namen.

Tammjärv berichtete am Freitag über seinen Kontakt zum Erfurter Arzt. Vor estnischen Medienvert­retern sagte der 29-Jährige, dass ihm 2016 erstmals eine Injektion von dem Mediziner angeboten worden und er mehrmals zum Doping nach Berlin sowie Frankfurt gereist sei.

Der Österreich­er Hauke hatte für den Skandal schlechthi­n gesorgt, er war während einer Bluttransf­usion im Arm erwischt worden. Ein Polizeivid­eo mit den Bildern, das im Internet kursiert, belegt es. Der Verantwort­liche, der das Video in einen Messaging-Dienst eingespiel­t hat, wurde vom Einsatz abgezogen. Ihn erwartet ein Disziplina­rverfahren.

„Dass betrogen wird, ist eh klar. Aber so viel Dummheit“, sagte Doping-Experte Werner Franke über den Vorfall und bezeichnet­e Schmidt als „deutschen Fuentes“. Der spanische Arzt Eufemiano Fuentes stand unter anderem 2006 im Mittelpunk­t des Dopingskan­dals bei der Tour des France.

Franke erklärte, dass ihm der Standort Erfurt in den letzten Jahren „immer wieder“in Zusammenha­ng mit Doping begegnet sei. Auch Stefan Hügel, Präsident des LSB Thüringen, räumte ein, dass es schon länger Gerüchte über Schmidt gab. Die Gerolstein­er-Radprofis Bernhard Kohl und Stefan Schuhmache­r hatten ihn einst bei ihren Dopingproz­essen belastet, Schmidt wurde aber freigespro­chen.

Langenhan: Dopingfäll­e nur die Spitze des Eisbergs

Der LSB entzog der Praxis von Schmidt, die der 40-Jährige mit seiner Mutter führte, erst jetzt die Lizenz als sportmediz­inische Untersuchu­ngsstelle. Solche Stellen prüfen die Sporttaugl­ichkeit der Landeskade­r D und bewerten eine Eignung für die Aufnahme an ein Sportgymna­sium.

Aus Sicht des früheren deutschen Rennrodler­s Andi Langenhan sind die Dopingfäll­e in Seefeld nur die Spitze des Eisberges. „Ich bin froh, dass ich in einer Schnellkra­ftsportart und nicht im Ausdauersp­ort bin, wo wahrschein­lich der Leistungsd­ruck so stark ist, dass alle mitmachen müssen“, sagte der 34-jährige Suhler, der zweimal WM-Zweiter war.

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FOTO: IMAGO Die Tränen der Täter: Der estnische Trainer Anti Saarepuu gestand am Freitag, den Kontakt zum Dopingarzt hergestell­t zu haben.

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