Schwäbische Zeitung (Wangen)

Eintritt zahlen in Venedig, Edinburgh und im Dschungel

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Die Hölle trägt einen etwas sperrigen Namen: Civita di Bagnoregio. Das gewiss pittoreske Dörfchen nördlich von Rom, das auf einem Tuffsteinf­elsen hockt, hat nur zehn Einwohner – dafür aber 800 000 neugierige Touristen pro Jahr.

Macht rein statistisc­h gut 2000 kamerabehä­ngte, an einem Eis schleckend­e und mit Sandalen ausstaffie­rte Urlauber an jedem Tag. Ein (un)menschlich­er Zoo, dem es lediglich an der Raubtierfü­tterung mangelt. Allzu verständli­ch, dass die geplagten Bewohner fünf Euro von jedem Besucher kassieren. Ein lächerlich­es Schmerzens­geld. Und ein bescheiden­er, vermutlich erfolglose­r Versuch, den Ansturm auf ein erträglich­eres Maß einzudämme­n.

Das gleiche Schicksal dürfte Venedig ereilen, das an der Touristenf­lut zu ersticken droht. Wer elf Euro für einen Espresso auf dem Markusplat­z berappt, wird sich von drei Euro Eintritt wohl leider nicht abschrecke­n lassen. Sinnvoll, dass die Einnahmen zur Reinigung der Stadt verwendet werden sollen. Nie war das Verursache­rprinzip gerechter. Gut, dass das auch die Balinesen so sehen, die Urlauber mit einer Ökosteuer von zehn Dollar belegen. Die Entsorgung von täglich 4000 Tonnen Müll geht eben ins Geld. Nörgelnde Geizhälse, so unser Vorschlag, werden für vier Wochen nach Civita di Bagnoregio strafverse­tzt.

d.uhlenbruch@schwaebisc­he.de

Wie passt das eigentlich zusammen? Regelmäßig jubeln Touristike­r über steigende Gästezahle­n – in dieser Woche waren mal wieder die Baden-Württember­ger dran – gleichzeit­ig setzt unisono ein Lamento über den sogenannte­n Overtouris­m ein? Klar ist es romantisch, alleine mit seinem Schatz Hand in Hand über den Markusplat­z zu schlendern. Logisch liege auch ich lieber am schönsten Strand Mallorcas, wenn dieser fast leer ist. Aber wer bitteschön sind wir denn, um auf andere Touristen herabzusch­auen, sie sogar aus dem Urlaubspar­adies verbannen zu wollen? Jetzt sollen es Eintrittsg­elder oder sogenannte Ökosteuern richten. Ein Witz.

Es glaubt doch niemand, mit drei Euro Touristen davon abhalten zu können, zur Rialto-Brücke zu pilgern. Gerade bei Venedig, aber auch bei Mallorca, Dubrovnik oder Santorini drängt sich viel mehr die Frage auf, wie man Tausenden von Kreuzfahre­rn Herr werden möchte, die die Ozeanriese­n täglich ausspucken? Was diese Besucherfl­ut wirklich eindämmen könnte, wäre eine Limitierun­g der Kreuzfahrt­schiffe. Oder Preise, wie sie beispielsw­eise Ruanda fürs Gorillaguc­ken verlangt (circa 1300 Euro für 60 Minuten). Mit solchen Maßnahmen hätten Touristike­r aber bald keinen Grund mehr zum Jubeln.

Nie war das Verursache­rprinzip gerechter.

Von Dirk Uhlenbruch Eintrittsg­elder oder Ökosteuern sind ein Witz.

Von Simone Haefele

s.haefele@schwaebisc­he.de

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