„Lieber in einen Drehmomentschlüssel investieren“
Der Technikexperte Marcel Mühlich vom Auto Club Europa erklärt, wie Räder sicher gewechselt werden
Wer die Sommerreifen aus dem Winterschlaf holt, kann sie mit ein bisschen Übung in etwa 20 bis 30Minuten selbst montieren. Was dafür nötig ist und wie es genau geht, erklärt Technikexperte Marcel Mühlich vom Auto Club Europa (ACE) im Gespräch mit Peter Löschinger.
Welches Werkzeug brauche ich?
Für den Notfall gibt es an Bord des Autos meist Wagenheber und Werkzeug. Das kann man verwenden, nutzt aber besser noch einen Unterstellbock zum Sichern gegen Abrutschen. Wenn man regelmäßig alle vier Räder wechseln will, wären ein hydraulischer Rangierwagenheber und ein gutes Radkreuz komfortabler. Als Radbefestigung dienen je nach Automodell entweder Radschrauben oder Radmuttern. Ideal wäre ein Drehmomentschlüssel, um sie korrekt anzuziehen. Wenn man den nicht hat, sollte das eine Werkstatt überprüfen.
Die richtigen Drehmomente findet man wo?
Manchmal sind sie in der Betriebsanleitung des Fahrzeugs angegeben, ansonsten sollte man in der Werkstatt nachfragen. Oft sind sie unterschiedlich bei Alu- und Stahlfelgen.
Wo wechsle ich die Räder am besten?
Nicht direkt am Straßenrand. Das ist gefährlich, wenn andere mit ihren Fahrzeugen vorbeifahren. Und dann sollte es auf jeden Fall ein ebenes Gelände sein.
Muss ich die Räder vorher auswuchten lassen?
Das ist normalerweise nicht nötig, wenn man von Winter- auf Sommerräder umstecken will. Sondern nur etwa, wenn man neue Reifen auf die Felgen bekommt. Jeder Reifen hat eine kleine Unwucht, die durch Gegengewichte an der Felge ausgegli- chen wird. Man sollte aber prüfen, ob keines dieser kleinen Auswuchtgewichte fehlt, vielleicht nach einem Bordsteinkontakt der Felge abgefallen ist. Man sieht, wo die angebracht waren und ob da was fehlt.
Dann muss das Rad doch neu ausgewuchtet werden. Ist das immer ein Fall für die Werkstatt?
Das kann niemand zu Hause machen. Auch das Aufziehen neuer Reifen nicht – da braucht man eine Reifenmontiermaschine.
Die Werkzeuge liegen parat, alles ist überprüft. Wie geht es weiter?
Als Erstes ziehe ich die Feststellbremse an und lege den ersten Gang ein, damit das Fahrzeug gegen Wegrollen gesichert ist. Anschließend muss ich die Radzierblenden entfernen und löse mit dem Radkreuz die Muttern an allen Rädern an, bevor ich das Auto anhebe. Ich löse sie nur so weit, bis ich merke, sie bewegen sich – das genügt.
Was tun, wenn eine Mutter oder Schraube widerspenstig ist?
Nicht mit dem Fuß aufs Radkreuz stemmen, denn beim Abrutschen könnte man sich verletzen. Lieber eine Hebelwirkung nutzen, indem ich etwa einen Teil einer Abschleppstange oder Ähnliches über einen Arm des Kreuzes ziehe. Ich könnte bei verrosteten Muttern einen Rostlöser nutzen. Aber danach muss man sie gut mit Waschbenzin oder Spiritus reinigen und trocknen. Besonders schwergängige oder beschädigte Schraubenmuttern sollte ich aber nicht wiederverwenden. Die sind nicht teuer, lieber neue kaufen.
Dann geht es ans Hochbocken. Was ist zu beachten?
Nicht irgendwo anheben, sondern wirklich nur an den gekennzeichneten Stellen. Da sind meistens kleine Pfeile angebracht. Jede Ecke hebt man für den jeweiligen Radtausch nacheinander an.
Wenn das Rad in der Luft ist: Kann ich die Muttern dann ganz abdrehen und das Rad wechseln?
Ja, aber beachten, dass beim Wechsel von Stahl- auf Alufelgen in manchen Fällen andere Radmuttern nötig sind. Diese unbedingt verwenden. Es kann ansonsten zu Schäden kommen. Bei der Montage Finger weg von Öl oder Kupferpaste. Manche denken, Schrauben würden sich so später einfacher lösen lassen. Immer trocken montieren, sonst können sie sich später von selber lösen. Das bessere Profil kommt immer auf die Hinterachse. Wenn ein Pfeil auf den Reifen eine Laufrichtung vorgibt, muss das Rad auch entsprechend montiert werden.
Wie kriege ich die Räder fest?
Solange die Ecke hochgebockt ist, stecke ich das Rad auf die Nabe und drehe die Schrauben mit der Hand ein paar Umdrehungen leicht fest. Niemals mit dem Werkzeug – bei schräg angesetzten Schrauben könnte ich das Gewinde beschädigen. Dann lege ich mit dem Radkreuz die jeweils gegenüberliegenden Radmuttern an, das heißt: Ich ziehe sie nur so fest an, dass sie die Felge leicht berühren, ziehe dann alles handfest an und senke das Fahrzeug zu Boden.
Und mit Schmackes ziehe ich die Räder dann dort mit dem Drehmomentschlüssel an?
Genau, das richtige Moment stellt man vorher ein. Der Schlüssel macht dann ein Knackgeräusch, wenn es erreicht ist. So arbeitet man sich am besten zweimal um das Auto herum, um sicher zu sein, dass alle Muttern oder Radschrauben fest sind.
Und ohne Drehmomentschlüssel?
Das ist leider schwer einzuschätzen. Daher sollte man lieber in einen Drehmomentschlüssel investieren, wenn man hier keine Erfahrung hat. Keinesfalls mit einer Verlängerung anziehen – nur ein Radkreuz oder das Bordwerkzeug benutzen und kräftig von Hand anziehen.
Geschafft – oder fehlt noch was?
Zur Sicherheit sollte man nach etwa 50 Kilometern noch mal prüfen, ob die Muttern noch das richtige Drehmoment haben. Bei der Montage könnte beispielsweise Rost zwischen Felgen und Radnaben gekommen sein. Dann können sich die Muttern lösen und somit auch das Rad.