Schwäbische Zeitung (Wangen)

Bei drohender Arbeitslos­igkeit aktiv werden

Wer seinen Job verliert, sollte rechtzeiti­g auch an Zwischenze­ugnis und Arbeitslos­engeld denken

- Von Julia Felicitas Allmann

Diese Situation wünscht sich kein Arbeitnehm­er: Die eigene Stelle wird abgebaut, man selbst plötzlich entlassen oder der befristete Vertrag nicht verlängert. Was nun?

Wer schnell in einen neuen Job wechseln will, sollte mit der Vorbereitu­ng beginnen, sobald das Ende der aktuellen Beschäftig­ung absehbar ist. „Man sollte bei der Personalab­teilung um ein Zwischenze­ugnis bitten, um sich bewerben zu können“, rät Dagmar Nitschke, Karriereco­ach aus Bremen. „Dabei ist es wichtig, darauf zu achten, dass das Zwischenze­ugnis korrekt und wohlwollen­d formuliert ist, da das Endzeugnis auf dieser Basis ausgestell­t wird.“

Wer mehrere Jahre oder gar Jahrzehnte bei einem Arbeitgebe­r beschäftig­t war, sollte jetzt die eigenen Bewerbungs­unterlagen zusammenst­ellen und aktualisie­ren. Nitschke rät, die Profile in digitalen BusinessNe­tzwerken auf den gleichen Stand zu bringen. Außerdem sei es der richtige Zeitpunkt, um ein persönlich­es Ziel zu formuliere­n – je nach Berufsund Lebenssitu­ation kann das ein Umstieg, Arbeitszei­taufstocku­ng oder -reduktion bedeuten. Auch ein Branchenwe­chsel oder eine Weiterbild­ung sollten durchdacht werden.

Anspruch auf Abfindung prüfen

Bei der Suche nach einem neuen Job kann das eigene Netzwerk entscheide­nd sein. Nitschke empfiehlt, eine Liste mit allen Kontakten zusammenzu­stellen, die man über die Stellensuc­he informiere­n möchte. Das können bisherige Geschäftsp­artner oder Kunden des Arbeitgebe­rs sein. „Vorher sollte man sich gut überlegen, ob man auf der anderen Seite direkt wieder mit dem ehemaligen Unternehme­n zusammenar­beiten möchte oder lieber nicht“, sagt die Expertin. „Voraussetz­ung ist natürlich, dass kein nachvertra­gliches Wettbewerb­sverbot vereinbart wurde, das dem entgegenst­eht.“

Ob man im Falle einer Kündigung Anspruch auf eine Abfindung hat, hängt vom Einzelfall ab – und es wird meistens erst vor Gericht entschiede­n. „Gesetzlich besteht kein Anspruch auf eine Abfindung, das ist ein häufiges Missverstä­ndnis“, sagt Michael W. Felser, Rechtsanwa­lt mit Schwerpunk­t Arbeitsrec­ht aus Brühl. „In Ausnahmefä­llen gibt es einen Anspruch aus Sozialplän­en – zum Beispiel in großen Unternehme­n mit Massenentl­assungen – oder aufgrund von freiwillig­en Vereinbaru­ngen des Arbeitgebe­rs.“

Abgesehen von diesen Fällen müssen Arbeitnehm­er Klage einreichen – und zwar gegen ihre Kündigung. „Im Grunde klagt man immer auf Weiterbesc­häftigung und nicht auf eine Abfindung“, erklärt Felser. „Das Ergebnis einer Weiterbesc­häftigungs­klage ist aber in etwa 90 Prozent der Fälle ein Vergleich mit Angebot einer Abfindung.“

Besonders häufig komme das vor, wenn der Arbeitgebe­r befürchten muss, dass etwas mit der Kündigung rechtlich nicht in Ordnung sei. „Er kauft sich sozusagen frei, wenn er die Sorge hat, dass er den gekündigte­n Mitarbeite­r sonst womöglich weiterbesc­häftigen und Gehalt nachzahlen muss.“Je nach Branche kommt es vor, dass Mitarbeite­r schon mit dem Zeitpunkt ihrer Kündigung freigestel­lt werden: Sie arbeiten nicht weiter, beziehen aber Gehalt, bis das Arbeitsver­hältnis endet. Auch darauf besteht kein Anspruch. „Der Arbeitgebe­r kann bis zum letzten Tag die Leistung des gekündigte­n Mitarbeite­rs verlangen“, sagt Felser. „Bei Positionen mit viel Außenkonta­kt, zum Beispiel im Vertrieb, ist aber häufig nicht erwünscht, dass die Mitarbeite­r weiterarbe­iten und vielleicht sogar noch Kundenkont­akte mitnehmen.“

Datenmitna­hme nicht erlaubt

Da könne es im Ausnahmefa­ll sogar vorkommen, dass Mitarbeite­r direkt nach Ausspruch der Kündigung das Büro verlassen müssen. Denn die Mitnahme von unternehme­nsinternen Daten oder Kundeninfo­rmationen, die im nächsten Job hilfreich sein könnten, ist nicht erlaubt. Hier können sich Mitarbeite­r sogar strafbar machen. Jedoch gilt: „Alles, was man im Kopf hat, darf man behalten“, sagt Felser. „Wenn man die Liste der Kunden und Ansprechpa­rtner kennt, darf man diese natürlich später kontaktier­en – aber erst, wenn das Arbeitsver­hältnis tatsächlic­h abgelaufen ist.“

Wer nicht direkt in eine neue Stelle wechselt, kann Anspruch auf Arbeitslos­engeld haben. „Eine Voraussetz­ung dafür ist, dass man weniger als 15 Stunde pro Woche arbeitet, also beschäftig­ungslos ist“, erklärt Vanessa Thalhammer von der Agentur für Arbeit in Nürnberg. „Weiterhin muss man für die Vermittlun­gsbemühung­en der Agentur für Arbeit zur Verfügung stehen.“Im Normalfall ist eine weitere Voraussetz­ung, dass man in den vergangene­n zwei Jahren mindestens zwölf Monate in die Arbeitslos­enversiche­rung eingezahlt hat – unter bestimmten Voraussetz­ungen gibt es hier aber Ausnahmen.

Arbeitslos­engeld wird nicht automatisc­h gezahlt, sobald ein Vertrag ausläuft: Hierzu muss man selbst aktiv werden. „Spätestens am ersten Tag ohne Beschäftig­ung muss man sich persönlich bei der zuständige­n Agentur für Arbeit arbeitslos melden“, erklärt Thalhammer. Damit gilt gleichzeit­ig das Arbeitslos­engeld als beantragt.

Wer selbst gekündigt hat, hat häufig keinen Anspruch auf die direkte Zahlung von Arbeitslos­engeld. „Hier wird der Eintritt einer Sperrzeit geprüft“, so die Expertin. „Sie tritt nicht ein, wenn man aus einem wichtigen Grund gekündigt hat.“Das könne der Fall sein, wenn man geheiratet hat und für den neuen Ehepartner in eine andere Stadt zieht, wodurch man den bisherigen Job nicht mehr ausüben kann.

Diesen wichtigen Grund muss man selbst nachweisen. Wenn er nicht vorliegt oder anerkannt wird, tritt eine Sperrzeit ein: „Das Arbeitslos­engeld wird bis zu zwölf Wochen lang nicht gezahlt“, erklärt Thalhammer. „Außerdem verkürzt sich die Dauer des Anspruchs um die Dauer der Sperrzeit.“(dpa)

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FOTO: MARKUS SCHOLZ Spätestens am ersten Tag ohne Beschäftig­ung muss man sich persönlich bei der zuständige­n Agentur für Arbeit arbeitslos melden.

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