Empörung über die Türkei wächst
Das Maduro-Regime wendet den Kollaps in Venezuela weiter ab – Entscheidende Woche steht bevor
BERLIN (AFP) - Der Entzug der Akkreditierung für drei deutsche Türkei-Korrespondenten steht zunehmend in der Kritik. Der Deutsche Journalistenverband nannte die Entscheidung „willkürlich“. Auch ein Abgeordneter der türkischen Regierungspartei AKP, Mustafa Yeneroglu, kritisierte das Vorgehen. Das Auswärtige Amt hatte am Freitag gegen das Vorgehen protestiert, von dem der ZDF-Studioleiter in Istanbul sowie Korrespondenten des „Tagesspiegel“und des NDR betroffen sind.
BOGOTÁ - Seit Ende Januar greifen die verschärften Sanktionen der USA gegen die Regierung von Nicolás Maduro. Seitdem kaufen sie dem Regime in Caracas kein Öl mehr ab. Maduro muss daher auf täglich rund 350 Millionen Dollar in seiner Kasse verzichten. So viel zahlten die USA für die rund 550 000 Fass venezolanischen Schweröls.
Für ein ohnehin klammes Land ist das eine Summe, die früher oder später zum ökonomischen Kollaps führen muss. Da sind sich alle Experten einig. Aber noch immer hält der autoritäre Machthaber seine Ökonomie am Laufen. Mehr oder minder jedenfalls. Bisher hat die chavistische Regierung ohne große Rationierungen überlebt. Politisch steht Venezuela eine Woche mit großer Spannung bevor. Der selbst ernannte Interimspräsident Juan Guaidó will am Montag nach Caracas zurückkehren.
In Caracas gibt es überall Benzin
Wer dieser Tage in Caracas tanken will, findet noch überall Benzin. In der venezolanischen Hauptstadt sieht man keine Schlangen an den Zapfsäulen. Und auch die Versorgung der Menschen und Geschäfte mit Lebensmitteln ist weiterhin gewährleistet, wie Luis Arturo Bárcenas, Chefökonom bei der Wirtschaftsberatungsgesellschaft Ecoanalítica gegenüber der „Schwäbischen Zeitung“sagt. „Es gibt keinerlei sichtbaren Veränderungen bei der Versorgung der Tankstellen oder bei der Lebensmittelverteilung.“Allerdings würden einige große Transportunternehmen vorausschauend Rationierungen planen, um die kommenden Verknappungen vorwegzunehmen“, betont Bárcenas. Laut Ecoanalítica gibt es inoffizielle Schätzungen, wonach die Reserven des Sprits noch für die kommenden sechs Wochen reichen. Das wäre Mitte April. Andere Ökonomen vermuten sogar, dass sich die Sanktionen erst bis Mai oder Juni bemerkbar machen könnten.
Anders sieht es mitunter im Landesinneren aus. Da ist Benzin immer mal wieder knapp, das war er aber in den vergangenen Jahren auch schon. Augenzeugen berichten von Schlangen von Autofahrern vor den Zapfsäulen in den Provinzen, wenn es Gerüchte über eintreffende Tankwagen gibt. Aber bestimmte Staaten wie Táchira an der Grenze zu Kolumbien beispielsweise bekommen schon seit Jahren nur sehr unregelmäßig Sprit.
Nach dem Embargo der US-Regierung ist von den ausländischen Abnehmern des venezolanischen Erdöls seit Anfang Februar nur noch Indien übrig geblieben. Und das Land hat seine Abnahme im Februar deutlich erhöht. Nach Angaben von Kpler, einem Dienstleister für Rohstoffdaten und -logistik in Paris, bezog Indien vergangenen Monat 390 000 Fass Öl pro Tag aus Venezuela, im Januar waren es noch 297 000. Der Präsident des staatlichen Ölkonzerns PdVSA, Manuel Quevedo, ist seit Wochen in Asien und Nahost unterwegs, um weitere Abnehmer für sein Öl zu finden.
Derweil verlegt PdVSA seine Europazentrale von Lissabon nach Moskau, will deutlich mehr Öl an Russland verkaufen. Im Gegenzug verstärkt der russische Rosneft-Ölkonzern sein Engagement im südamerikanischen Partnerland. Die Regierung in Moskau will zudem Nahrungsmittelhilfe leisten. Bei einem Treffen in Moskau mit Vize-Präsidentin Delcy Rodríguez sagt Außenminister Sergej Lawrow „massive Getreidelieferungen“und Arzneimittelhilfen für Venezuela zu, das in einer massiven Versorgungskrise steckt.
Die US-Regierung hatte am Freitag weitere Strafmaßnahmen gegen Personen aus dem Umfeld Maduros verhängt. Das US-Finanzministerium belegte sechs führende Vertreter aus dem Sicherheitsapparat des Krisenlandes mit Sanktionen. Sie hätten die Blockade von Hilfslieferungen vergangenes Wochenende gesteuert und so die humanitäre Krise des Landes verschärft, hieß es zur Begründung. Durch die Sanktionen wird etwaiges Vermögen der Betroffenen in den USA eingefroren. Washington verfügte zudem Visa-Restriktionen gegen Dutzende Personen aus Maduros Umfeld.
Politisch könnte es kommende Woche zum ultimativen Machtpoker zwischen Maduro und Guaidó kommen. Der selbsternannte Staatsche Guaidó plant, am Montag nach Caracas zurückkehren. Vor seiner Rückkehr warnte er Staatschef Maduro vor ernsten Folgen, sollte er im Gefängnis landen. „Ich bin diese Verpflichtung nicht eingegangen, um sie außerhalb Venezuelas zu erfüllen“, betonte Guaidó in einem auf Twitter veröffentlichten Video. „Wir sehen uns sehr bald in Caracas.“Er rief am Wochenende zu neuen Protesten für Montag und Dienstag auf und forderte vor allem Staatsbedienstete auf, gegen Maduro auf die Straße zu gehen. „Die Beamten können nicht mit einem Unterdrückungsregime kooperieren“, sagte er zum Ende seiner Lateinamerika-Reise am Samstag in Ecuador. Guaidó hatte in den vergangenen Tagen in Brasilien, Paraguay, Argentinien und jetzt Ecuador für sich und seinen Weg zum Sturz der Regierung in Caracas geworben.
Guaidó warnt vor Festnahme
Maduro hat Guaidó im Falle einer Rückkehr mit strafrechtlichen Schritten gedroht. „Er kann nicht einfach kommen und gehen, die Justiz hatte ihm das Verlassen des Landes verboten“, sagte der Machthaber in einem Interview des US-Senders ABC. Der Oppositionschef hatte vor einer Woche dem gerichtlich verfügten Ausreisestopp getrotzt und war über den Landweg nach Kolumbien gereist, wo er die letztlich gescheiterte Übergabe von Hilfsgütern nach Venezuela leiten wollte.
Guaidó warnte, seine Festnahme würde eine „beispiellose“Reaktion in Venezuela selbst und im Ausland nach sich ziehen. „Sollten sie den politischen und historischen Fehler begehen, mich zu inhaftieren, werden sie sich vor der Welt verantworten müssen. Dies wäre ein Staatsstreich und ein Attentat auf die Stabilität des Landes“, ergänzte der 35-Jährige gegenüber dem kolumbianischen Sender Caracol. Auf die Frage, ob das eine Intervention der USA auslösen würde, antwortete er: „Das ist eine Entscheidung der Vereinigten Staaten.“