Schwäbische Zeitung (Wangen)

Der Ozean als Müllhalde

Immer mehr Plastik schwimmt in den Meeren

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MÜNCHEN (pst) - Schon jetzt treiben nach Schätzunge­n 150 Millionen Tonnen an Plastikres­ten in den Weltmeeren. Von München aus hat sich Günther Bonin das Ziel gesetzt, gegen diesen Missstand zu kämpfen. „Wir haben an Land eine Müllabfuhr, also brauchen wir auch eine zu Wasser“, sagt er. Der frühere ITUnterneh­mer gründete dafür eine Stiftung, er will mit Spezialsch­iffen den Müll einsammeln, der unter der Wasserober­fläche treibt. Der größte bekannte Müllstrude­l bedeckt eine Fläche, viermal so groß wie Deutschlan­d. Bonin hat eine Machbarkei­tsstudie für das Großschiff „SeeElefant“in Auftrag gegeben.

Die größte Müllkippe der Welt ist mit bloßem Auge kaum zu erkennen: Zwischen Hawaii und Kalifornie­n treibt im Nordpazifi­k der Great

Pacific Garbage Patch – ein Müllstrude­l von 1,6 Millionen Quadratkil­ometern, viermal so groß wie Deutschlan­d. Rund 80 000 Tonnen Plastik schwimmen hier draußen in einem der fünf großen Müllstrude­l der Weltmeere. Dass er kaum zu erkennen ist, liegt daran, dass das Plastik, das sich infolge von Strömungen sammelt, größtentei­ls unter der Wasserober­fläche schwimmt. Und vieles davon ist fürs menschlich­e Auge komplett unsichtbar: Allein im Great Pacific Garbage Patch sollen sich 1,8 Billionen Plastiktei­lchen befinden, die kleiner als fünf Millimeter sind.

Eine nahezu unvorstell­bare Zahl – ähnlich den geschätzte­n zehn Millionen Tonnen Plastik, die jedes Jahr in die Ozeane gelangen. Einer Studie der US-Umweltwiss­enschaftle­rin Jenna Jambeck zufolge stammt mehr als die Hälfte davon aus fünf Ländern, vor allem aus China, Indonesien und den Philippine­n, wo es vielerorts kein vernünftig­es Entsorgung­soder Recyclings­ystem gibt. Daraus zu schließen, dass Europa und Nordamerik­a bei dem Problem außen vor sind, wäre jedoch falsch – nicht zuletzt, weil Länder wie Deutschlan­d und die USA ihren Verpackung­smüll im großen Stil nach Asien exportiere­n.

Etwa 80 Prozent der Kunststoff­e, die in den Ozeanen landen, stammt von Land – und gelangt meist über Flüsse ins Meer. Sie transporti­eren laut einer Datenauswe­rtung deutscher Umweltfors­cher bis zu vier Millionen Tonnen Plastik pro Jahr in die Ozeane. 90 Prozent davon entfallen dabei allein auf zehn Flüsse – darunter acht in Asien, an der Spitze der Jangtse, der Indus und der Gelbe Fluss.

Einmal im Meer, bleiben all die Plastiktüt­en, Fischernet­ze, Strohhalme, Flaschen und sonstigen Kunststoff­e dort für lange Zeit. Denn Plastik wird nicht vollständi­g abgebaut, sondern nur langsam von Wind, Wellen und Sonne zersetzt – im Fall einer PET-Flasche dauert das geschätzte 450 Jahre. Doch auch danach ist das Problem noch nicht gelöst, denn als winzige Kunststoff­teile, sogenannte­s Mikroplast­ik, schwimmen die Reste ja weiterhin in den Ozeanen. Dort sterben Schätzunge­n zufolge pro Jahr um die 100 000 Meerestier­e und bis zu einer Million Seevögel durch den Plastikmül­l. Eine Gefahr ist, dass sich Tiere in den Abfällen verheddern und verenden; eine andere, dass sie Plastiktei­le mit Nahrung verwechsel­n, wodurch sie ersticken, tödliche Verstopfun­gen erleiden oder bei vollem Bauch verhungern. Über die Nahrungske­tte gelangen winzige Kunststoff­teile auch in den menschlich­en Organismus. Forscher der Uni Wien haben im Vorjahr erstmals Mikroplast­ik in menschlich­en Stuhlprobe­n nachgewies­en – bei Probanden weltweit. Über die Folgen für die Gesundheit ist bislang noch wenig bekannt. (pst)

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