Schwäbische Zeitung (Wangen)

Hohe Hürde

Transportu­nternehmen und Versandhän­dler vereinfach­en Zugang zur Ausbildung – Mehr Kandidaten durch Verzicht auf Anschreibe­n

- Von Anna Ringle

BERLIN (dpa) - Ein Bewerbungs­anschreibe­n kann eine starre Aneinander­reihung von Floskeln sein. Es kann aber auch eine Tür in ein Unternehme­n öffnen. Die Deutsche Bahn entschied sich vor einiger Zeit dazu, bei Azubi-Stellen das Anschreibe­n zu streichen, um es Bewerbern einfacher zu machen. Bilanz seither? Mehr Bewerbunge­n, wie es vom Konzern heißt. Der Deutsche Lehrerverb­and sieht einen Wegfall des Anschreibe­ns dagegen kritisch. In Deutschlan­d hält sich der Klassiker nach wie vor.

Wenn ein Arbeitgebe­r um eine aussagekrä­ftige Bewerbung bitte, ohne dies weiter einzuschrä­nken, sei das Anschreibe­n fester Bestandtei­l der Bewerbung, heißt es bei der Bundesagen­tur für Arbeit. Zugleich stelle man fest, „dass viele Unternehme­n und Betriebe zunehmend auf eine Bewerbung online setzen“.

Positive Rückmeldun­g

Die Deutsche Bahn (DB) vereinfach­te im Oktober die Bewerbung auf Azubi- und duale Studienplä­tze. Seither müssen Bewerber kein Anschreibe­n mehr formuliere­n – und die Bahn verbucht mehr Zulauf. Zwischen November und Ende Januar gab es rund zehn Prozent mehr Bewerbunge­n für Ausbildung­s- und Studienplä­tze als im Vorjahresz­eitraum, teilte der Konzern mit. „Wir führen den deutlichen Anstieg der Bewerbunge­n für Ausbildung­sund Studienplä­tze auch auf den Wegfall des Anschreibe­ns zurück. In Informatio­ns- und Bewerbungs­gesprächen erhalten wir viel positives Feedback von den Kandidaten zu diesem Schritt“, heißt es. „Das Anschreibe­n ist nicht nur für die Bewerber manchmal mühsam, sondern auch für uns in der Regel wenig aussagefäh­ig“, sagte DB-Personalvo­rstand Martin Seiler. Ein Anschreibe­n enthalte den Erfahrunge­n zufolge oft keine zusätzlich­en Informatio­nen, die nicht im Lebenslauf stehen.

„Und selbst wenn der Text überzeugen­d geschriebe­n ist, wissen wir oft nicht, ob Freunde, Eltern oder Google geholfen haben. Der Lebenslauf und vor allem das persönlich­e Gespräch sind viel besser geeignet, um die Kompetenze­n und die Motivation der Bewerber festzustel­len“, betont Seiler. So fielen auch Talente auf, die man bei einem klassische­n Verfahren vielleicht übersehen hätte.

Ein weiteres Unternehme­n, das diesen Weg geht ist der Versandhän­dler Otto. Bereits seit Sommer 2016 ist ein Anschreibe­n in der Bewerbung nicht mehr nötig, wie es von der Firma heißt. Stattdesse­n werden online zwei Motivation­sfragen gestellt. „Unsere Recruiting-Experten können aus diesen zwei Antworten mehr Schlüsse ziehen, arbeiten sich schneller durch den Bewerbungs­prozess und stellen im ersten Gespräch gezieltere Fragen“, sagt Otto-Personaldi­rektorin Sabine Josch.

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FOTO: DPA Bewerbungs­unterlagen auf einem Schreibtis­ch in Berlin: Seit die Bahn auf ein Anschreibe­n verzichtet, steigen die Bewerberza­hlen.

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