Schwäbische Zeitung (Wangen)

Fortschrit­t durch Rückschrit­t

- Von Wolfgang Mulke

Um Sinn und Zweck von Bewerbungs­schreiben ist ein Streit entbrannt. Die einen pochen auf das traditione­lle Bewerbungs­schreiben. Die anderen fügen sich der Realität, dass viele Schulabgän­ger sich nicht mehr ausreichen­d in Wort und Schrift ausdrücken können und bieten andere Wege zu einer Lehrstelle an.

Die Traditiona­listen liegen falsch. Denn der durchaus beklagensw­erte Rückschrit­t beim Bildungsni­veau ist in diesem Falle zu einem Fortschrit­t bei der Rekrutieru­ng geworden. Das belegt das Beispiel der Deutschen Bahn. Seit das Unternehme­n kein Anschreibe­n

Anders sieht das der Deutsche Lehrerverb­and. Er ist gegen eine Abschaffun­g des Anschreibe­ns. Das Verfassen eines Anschreibe­ns sei sinnvoll, „nicht nur deshalb, um nachzuweis­en, dass man so etwas sprachlich bewältigen kann, sondern vor allem deshalb, weil es dem Bewerber die Chance gibt, seine Motivation, seine persönlich­e Interessen­lage und Befähigung individuel­l auszudrück­en und damit sich aus der Masse der Bewerbunge­n abzuheben“, sagt Verbandspr­äsident Heinz-Peter Meidinger. Das Erstellen von Bewerbungs­unterlagen und die Formulieru­ng von Bewerbungs­anschreibe­n mehr verlangt, steigt die Zahl der Bewerber.

Es ist ein Fortschrit­t, wenn sich Arbeitgebe­r nicht auf Äußerlichk­eiten wie Namen, Aussehen oder eben ein schön formuliert­es Anschreibe­n verlassen, sondern die Entscheidu­ng über die Eignung eines Kandidaten nach einem persönlich­en Gespräch treffen. Niemand weiß, wie viele Talente schon verschwend­et wurden, weil das Bewerbungs­verfahren zu sehr formalen Kriterien folgte. Das kann sich das Land angesichts des Fachkräfte­mangels nicht leisten.

wirtschaft@schwaebisc­he.de

seien auch Inhalt der Lehrpläne in Schulen.

Der Autor Jürgen Hesse, der ein Buch über Anschreibe­n publiziert hat, kommt zu diesem Schluss: „Zweifelsoh­ne hat das Anschreibe­n eine Bedeutung, aber diese war schon immer ziemlich relativ. Es ist eine Chance zu sagen: Hier bin ich, hier sind meine Unterlagen, ich bin echt motiviert.“Entscheide­nder seien aber Lebenslauf, Berufsausb­ildung und letzte Stationen. Hesse geht davon aus, dass sich das Anschreibe­n weiter als Teil der Bewerbung halten wird.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany