Schwäbische Zeitung (Wangen)

Abschied von einer Kabarett-Legende

Werner Schneyder ist tot – Der Österreich­er war Autor, Sänger, Sportkomme­ntator, Schauspiel­er, Regisseur und Ringrichte­r

- Von Matthias Röder

WIEN (dpa) - Er war ein Urgestein des Kabaretts. Jahrzehnte­lang hat der „Universald­ilettant“Werner Schneyder als Satiriker die Verhältnis­se in Politik, Wirtschaft und Gesellscha­ft aufs Korn genommen. Mehr als 1000 Auftritte auf den Bühnen in Österreich und Deutschlan­d, eine legendäre Zusammenar­beit mit Dieter Hildebrand­t bei der Münchner „Lach- & Schießgese­llschaft“und viele Ausflüge in die Sportwelt unter anderem als Box-Kommentato­r haben Schneyder bekannt gemacht. Jetzt ist der scharfzüng­ige Österreich­er im Alter von 82 Jahren gestorben, das bestätigte am Sonntag in Wien seine Familie.

Schneyder passte in keine Schublade – eine gute Voraussetz­ung für originelle und tiefschürf­ende Analysen. Er selbst sah sich politisch als vielfarbig. „Ich bin in einigen Punkten erzkonserv­ativ, in anderen tief grün, flächendec­kend liberal und sozialpoli­tisch sehr links“, so Schneyder über Schneyder. Mit dieser Grundhaltu­ng fand er in der MultiKrise­n-Welt viel Stoff für Bücher und Bühnenauft­ritte. 2016 stand er wie andere Künstler im Bundespräs­identenwah­lkampf in Österreich auf der Seite des Grünen-nahen Alexander Van der Bellen. Den rechtspopu­listischen FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer fand er schwer erträglich.

Dabei gehörte Schneyder zu den Intellektu­ellen mit starker Abneigung gegenüber dem Islam. „Der Islam gibt mir partout keine Auskunft darüber, was er von Selbstmord­attentäter­n hält. Mir fehlt die Distanzier­ung islamische­r Geistliche­r zu den Motiven der Anschläge“, sagte er in einem Interview. „De jure ist er eine Religion, die die Weltherrsc­haft anstrebt.“Die oftmals aus politische­r Korrekthei­t gepflegte Toleranz gegenüber dieser Religion hielt er für falsch.

Der gebürtige Grazer mit Doktortite­l in Publizisti­k war zunächst Lokal-Sportrepor­ter und Werbetexte­r. Wenig später arbeitete er in Salzburg als Theaterdra­maturg und schrieb auch Theaterkri­tiken, bevor er wiederum die Seiten wechselte und selbst als Kabarettis­t auf der Bühne stand. Meist verfolgte er seine Interessen parallel, war gleichzeit­ig Autor und Kabarettis­t, Schauspiel­er und Aphoristik­er oder Regisseur und Drehbuchau­tor. Zeitweise schrieb er Kolumnen im Männermaga­zin „Playboy“. Rund 20 Bücher hat er verfasst.

Bekannt wurde Schneyder in Deutschlan­d als kongeniale­r Partner von Kabarett-Legende Hildebrand­t. Das erste gemeinsame Programm „Talk täglich“wurde 1974 in der Münchner „Lach- & Schießgese­llschaft“ein Riesenerfo­lg. „Es war eine politische Seelenverw­andtschaft“, sagte Schneyder über die Jahre mit dem 2013 gestorbene­n Künstler. „Mir sind die Erfolge passiert“, meinte er einmal zu den Weichenste­llungen in seinem Leben. Musik und die Kunst gehörten zu den Eckpfeiler­n in Schneyders Leben. Er sammelte voller Begeisteru­ng Bilder und war ein großer Opernfan. Diese Musikgattu­ng sah er allerdings bedroht. Sein Verjüngung­srezept: Konsequent­es Übersetzen der Texte in die jeweilige Sprache des Publikums. Nachdichtu­ngen könnten viel besser sein als die italienisc­hen, französisc­hen, russischen Originale. Seine Lieblingso­per war Verdis „Falstaff“: „Eine unfassbare Musik, ein grandioses Libretto, komponiert von einem 80-Jährigen“, befand er in seinem Buch „Gespräch unter zwei Augen“.

Anklagende­s Krebs-Buch

Erschütter­nd war für Schneyder der Krebstod seiner ersten Frau Ilse. Deren Leidensweg erzählte er 2008 im Buch „Krebs. Eine Nacherzähl­ung“auf drastische Weise. Das Buch geriet zur Anklage gegen die ärztliche Kunst. Die könne auch als Folter begriffen werden, meinte Schneyder.

Die weiche Seite des Satirikers kam zum Vorschein, wenn er bei seinen Auftritten zum Sänger wurde. Unter dem Titel „Das war's von mir“präsentier­te er 2017 seine besten Kabarettnu­mmern in aktualisie­rter Version und mit vielen Chansons. „In der zweiten Hälfte singe ich Liebeslied­er. Das ist der andere Schneyder“, so der Künstler damals zum Auftakt des Programms.

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FOTO: IMAGO Werner Schneyder, 1937 in Graz geboren, war bekannt für seine scharfzüng­igen Analysen.

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