Ravensburgern stinken Rawegsack und Biotonne
Die Kritik am 2016 eingeführten Müllsystem reißt nicht ab – „So ein Hobby braucht kein Mensch“
RAVENSBURG (fh) - Drei Jahre nach der Umstellung des Müllsystems im Landkreis sind viele Ravensburger immer noch unzufrieden. Besonders der Rawegsack und die Biotonne sorgen weiter für Ärger. Die SZ hat Stimmen gesammelt.
Die Biotonne als solche findet ein Leser aus Grünkraut super. Weil seine Familie aber vorab nicht habe absehen können, welche Größe sie brauche, sei sie mit der kleinsten Variante gestartet. „Es hat sich gezeigt, dass unsere Familie mit verstärkter Trennung mehr Volumen benötigen könnte. Mittlerweile reicht die Tonne nicht mehr aus.“Der Grünkrauter wollte die Biotonne daraufhin eine Numme größer. Der Mann schreibt: „Allerdings geht ein Wechsel nur mit einer einmaligen, hohen Gebühr, die fast meine Jahreskosten für den Behälter decken. Das finde ich nicht gerechtfertigt. Mir ist klar, dass der Landkreis einen Verwaltungsaufwand hat und sich vor ständigen Wechslern schützen muss. Aber eine einmalige Änderung oder ein Wechsel auf einen größeren Behälter sollte gratis möglich sein. Das ginge mit einer zeitlichen Sperre für einen gratis Wechsel oder ein freies upgrade (größere Tonnen jederzeit frei). Eine Lösung ist: ich befreie mich von der Tonne (gratis), warte ein paar Wochen und bestelle dann die größere (Lieferung gratis). Hier ist der Verwaltungsaufwand auf beiden Seiten am größten. Ich habe die Beratung im Landratsamt darauf angesprochen, die Dame hatte nur ein müdes Lächeln übrig. Dann soll ich es so machen… Ergebnis: wertvoller Biomüll landet bis auf weiteres im Restmülleimer, denn da ist noch hin und wieder etwas Platz.“
Einen anderen Kritikpunkt hat ein Ravensburger Vermieter: „Ich finde es bescheuert, dass der Müll vom Vermieter bezahlt und dann auf die Mieter umgelegt werden muss. Was zunächst sinnhaft scheint, um Zahlungsausfälle zu vermeiden, ist sinnlos. Weil bei einem Mieterwechsel keine Zwischenabrechnung möglich ist. So gibt es ständige Diskussionen, bei wem wie oft geleert wurde. Am Ende bleibt der Vermieter auf den Kosten sitzen. Warum nicht das System wie früher, als der Mieter sich anmelden musste, um einen Mülleimer zu bekommen? Beim Privatstrom ist es doch auch so.“
Fassungsloser Leser
Das System des Rawegsacks macht einen Leser fassungslos, der vor einigen Monaten von Biberach nach Ravensburg gezogen ist: „Die Entsorgung der Gelben Säcke ist wohl einmalig in der Region. Jeder karrt einen Gelben Sack mit dem Auto, teilweise kilometweit. Was läuft hier schief? Die anderen Kreise haben doch auch schon vor Jahren Regelungen für die Entsorgung gefunden. Ich jedenfalls bin doch nicht so blöd und sitze in das Auto, um einen Gelben Sack wegzukarren. Bei mir kommt der Plastikmüll in den Mülleimer, bis die Stadt begreift, dass es auch anders geht.“Der Mann sendet „Grüße von einem, der den Plastikmüll nicht in den Gelben Sack abfüllt, auch aus Umweltgründen, um die Luft nicht noch mehr zu verpesten.“
„Die zweiwöchige Leerung der Biotonne geht gar nicht“, sagt eine Leserin aus Vorberg: „Unsere Tonne steht im Freien, auf der Nordseite des Hauses, und trotzdem lebt der Mülleimer im Sommer eigentlich ständig. Das ist extrem ekelhaft. Und dann passiert es mal, dass man vergisst, die Tonne vorzustellen, dann haben Sie vier Wochen keine Leerung.“Auch der Gelbe Sack ist der Frau ein Dorn im Auge: „Ich finde es unmöglich, wenn jeder Haushalt seinen Plastiksack wegkarrt, das ist doch eine Umwelt-sünde! Und wenn man am Samstagmorgen mal zum Bausch fährt und erlebt, wie es da zugeht, da findet man gar keine Worte, das zu beschreiben. Und was machen eigentlich Menschen ohne Auto? Wir in Vorberg müssen nach Ettishofen. Wie kommt man denn da hin ohne Auto? Beispielsweise die alten Menschen oder die Flüchtlinge in den Zinswiesen? Die müssen den Bus nehmen und dafür 4,40 Euro bezahlen, um den Gelben Sack loszuwerden.“
„Ich bin überhaupt nicht zufrieden“, beschwert sich eine weitere Leserin: „Wir wohnen in einem Mehrfamilienhaus, da funktioniert die Mülltrennung überhaupt nicht, seit wir keine Einzeleimer mehr haben, sondern einen großen Gemeinschafts-Restmülleimer. Die Leute trennen den Müll einfach nicht mehr, sondern es kommt alles nur noch in großen Plastiksäcken in den Restmüll, trotz mehrfacher Aufforderung der Hausverwaltung und Info in der Zeitung. Da der Sperrmüllscheck jetzt jährlich nur noch für 100 Kilo Gewicht gilt, landet der diverse Sperrmüll jetzt im Restmülleimer. Die Biotonne ist einfach nur ekelhaft mit Würmern usw. und stinkt im Sommer bestialisch. Die 14-tägige Leerung ist für Biomüll einfach zu wenig.“Beim Rawegsack plädiert die Leserin allerdings weiter für das AbgabeSystem: „Die Leute fahren ohnehin nur noch mit dem Auto, anstatt der Umwelt zuliebe mal zu laufen oder mit dem Rad zu fahren. Wenn man sowieso mit dem Auto unterwegs ist, kann man auch zum Bausch oder Baumgärtner fahren zur Abgabe.“
Torsten Hopperdietzel aus Baindt ist Vorsitzender des Bündnisses Inklusion und Teilhabe. Er sagt: „Für viele blinde und hochgradig sehbehinderte Menschen ist das eingeführte Bringsystem für den Gelben Sack ein echtes Problem. Denn die Wertstoffhöfe sind für diese Personen nicht selbstständig erreichbar und nicht in allen Fällen haben sie an den Abgabetagen Zugang zu Assistenz. Ich habe unser Landratsamt und die Fraktionen des Kreistages mehrfach über diese Probleme und mögliche Lösungen informiert. Da von dieser Seite aus keinerlei Unterstützung gekommen ist und vom Abfallwirtschaftsamt über Monate hinweg nicht über beantragte Maßnahmen entschieden wurde, habe ich mich am direkt an das Unternehmen Landbell und das Regierungspräsidium gewandt. Am 20. Februar hat sich der Entsorger bei mir gemeldet. Dessen Antwort stimmt mich optimistisch, dass eine Lösung für dieses Problem älterer und behinderter Menschen im Landkreis Ravensburg möglich ist.“
Da hilft nur Galgenhumor
Mit Galgenhumor reagiert eine Leserin aus aus der Weststadt: „Meine Nachbarin und ich freuen uns schon drauf, wenn unsere Biotonnen zum vierten Mal in Folge nicht geleert werden. Wir stehen dann am Nachmittag Seite an Seite in der Müllbox, ausgerüstet mit Gummihandschuhe plus Mundschutz und füllen den schmoddrigen Bioabfall in die Restmülltonne um. So ein Hobby braucht kein Mensch!“Dieses Problem kennt auch ein Leser aus der Minneggstraße: „Bereits zum zweiten Mal in Folge wurde der Biomüll nicht geleert, in der ganzen Straße.“
Alle Geschichten rund um das Thema Müll gibt es auch Online unter: www.schwaebische.de/müll