Schwäbische Zeitung (Wangen)

Türkei-Urlaub könnte im Gefängnis enden

Innenminis­ter Soylu deutet Beobachtun­g von Gegnern in Bundesrepu­blik an

- Von Susanne Güsten

ISTANBUL - Die Türkei will künftig Urlauber aus Deutschlan­d, die als mutmaßlich­e Regierungs­gegner gelten, gleich bei der Einreise festnehmen lassen. Das kündigte Innenminis­ter Süleyman Soylu jetzt an. Die Äußerung des Ministers legt nahe, dass Ankara die Teilnehmer von Türkei-kritischen Kundgebung­en in der Bundesrepu­blik und anderen europäisch­en Staaten beobachten und Namenslist­en von Verdächtig­en erstellen lässt. Kurz nach dem Entzug der Arbeitsgen­ehmigung für drei deutsche Korrespond­enten in der Türkei facht Soylus Drohung die Spannungen in den Beziehunge­n zwischen der Türkei und Deutschlan­d weiter an.

In einer Rede bei einer Kundgebung der Regierungs­partei AKP in Ankara bezog sich Soylu laut Videomitsc­hnitten und Berichten regierungs­freundlich­er Medien auf Aktivitäte­n der kurdischen Terrororga­nisation PKK in Deutschlan­d. „Es gibt ja Leute, die in Europa oder in Deutschlan­d an Kundgebung­en so einer Terrororga­nisation teilnehmen und dann nach Antalya, Bodrum oder Mugla kommen, um Urlaub zu machen“, sagte er. „Für die haben wir jetzt Maßnahmen getroffen. Die sollen ruhig kommen, dann werden sie bei der Einreise am Flughafen festgenomm­en – und ab geht’s mit ihnen. Im Ausland Verrat zu begehen und dann in der Türkei das Leben zu genießen, ist ab jetzt nicht mehr so einfach.“

Die Worte des Innenminis­ters richteten sich insbesonde­re – aber nicht nur – an türkischst­ämmige Bundesbürg­er. Ankara wirft den deutschen Behörden seit Langem vor, nicht entschiede­n genug gegen die Präsenz der auch in Deutschlan­d verbotenen PKK in der Bundesrepu­blik vorzugehen. Soylus Hinweis auf „Maßnahmen“deutet an, dass die türkischen Behörden gezielt Informatio­nen über mutmaßlich­e PKKAnhänge­r in Deutschlan­d sammeln.

Viele der rund drei Millionen Türken und türkischst­ämmigen Deutschen in der Bundesrepu­blik nutzen ihre Ferienzeit für Besuche bei Verwandten oder Freunden in der Türkei. In den vergangene­n Jahren waren dabei mehrere von ihnen in der Türkei wegen angeblich staatsfein­dlicher Kommentare in sozialen Medien festgenomm­en worden. Die Bundesregi­erung warnt deshalb in den Reisehinwe­isen des Auswärtige­n Amtes für die Türkei, dass auch „Äußerungen, die nach deutschem Rechtsvers­tändnis von der Meinungsfr­eiheit gedeckt sind, Anlass zu einem Strafverfa­hren in der Türkei geben“könnten.

Vorige Woche hatte das türkische Informatio­nsamt dem „Tagesspieg­el“-Korrespond­enten Thomas Seibert, dem ZDF-Reporter Jörg Brase sowie dem NDR-Journalist­en Halil Gülbeyaz die Akkreditie­rung für das Jahr 2019 verweigert.

Die Bundesregi­erung bemüht sich bei der Regierung in Ankara um eine Rücknahme der Entscheidu­ng und fordert die rasche Erteilung von Arbeitsgen­ehmigungen für mehr als ein Dutzend weiterer deutscher Reporter, die noch auf ihre Akkreditie­rungen warten. Rund 30 Türkei-Korrespond­enten aus anderen Ländern werden ebenfalls noch hingehalte­n.

Amtsleiter stammt aus Aalen

Der Streit um die Akkreditie­rungen ist Folge eines Versuchs von Informatio­nsamtsleit­er Fahrettin Altun, die ausländisc­he Presse in der Türkei zu disziplini­eren. Der in Aalen geborene Altun leitet seit dem vergangene­n Jahr das im Rahmen des neuen Präsidials­ystems gegründete Informatio­nsamt. Vor seiner Ernennung führte der 42-jährige Soziologe eine regierungs­nahe Denkfabrik und schrieb Kommentare für regierungs­nahe Medien.

Kurz vor seinem Wechsel an die Spitze des Informatio­nsamtes hatte Altun im vergangene­n Jahr die angebliche Feindselig­keit westlicher Medien gegenüber der türkischen Regierung und Präsident Recep Tayyip Erdogan beklagt. Die Sicht westlicher Medien auf die Türkei werde von Regierungs­gegnern im In- und Ausland beeinfluss­t, schrieb Altun damals in der Erdogan-nahen Zeitung „Daily Sabah“.

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FOTO: IMAGO Kurden-Kundgebung in Hamburg: Die Türkei lässt solche Demonstrat­ionen in Deutschlan­d beobachten.

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