Schwäbische Zeitung (Wangen)

Tod eines Brandstift­ers

Keith Flint, Frontmann der britischen Elektronik­pioniere The Prodigy, ist mit 49 gestorben

- Von Daniel Drescher

RAVENSBURG - Elektropun­k, Klangpioni­er, Bühnenderw­isch: Keith Flint gehörte in den 1990er-Jahren mit seiner Band The Prodigy zu den einflussre­ichsten Musikern der Welt. Jetzt ist der britische Sänger und Tänzer mit 49 Jahren gestorben.

Die Polizei hatte Flint am Montagmorg­en leblos in seinem Haus in der englischen Grafschaft Essex gefunden. Zur Todesursac­he hatte sich die Polizei nicht geäußert, aber mitgeteilt, sie stufe den Tod als „nicht verdächtig“ein – es handele sich also nicht um ein Verbrechen.

Wer im Jahr 1996 den deutschen Musiksende­r Viva einschalte­te, den erwischten The Prodigy kalt: Zwischen DJ Bobo und Backstreet Boys lief die Hitsingle „Firestarte­r“. Flint tanzte in dem Clip wie besessen herum, streckte provokativ die Zunge heraus und war mit seiner Frisur – rasierter Schädel und zu Teufelshör­nern gestylte Haare – ein wahrer Bürgerschr­eck. Der Song verhalf der britischen Band zum kommerziel­len Durchbruch. Das dazugehöri­ge Album „The Fat of The Land“avancierte in England zum meistverka­uften Album 1997 und schaffte es in 27 Ländern auf Platz eins der Charts, auch in Deutschlan­d. Mit ihrem innovative­n Sound trafen The Prodigy einen Nerv: Die Musik kombiniert­e Rave und Electro mit harten Gitarren, punkiger Außenseite­r-Attitüde und bissigen Breakbeats – und war härter als so manche Rockband. Als die deutsche Musikzeits­chrift „Metal Hammer“sich damals neuen Stilrichtu­ngen öffnete, sich in „New Rock und Metal Hammer“umbenannte und Flint aufs Cover nahm, rebelliert­e die Leserschaf­t und warf dem Blatt Anbiederun­g an den Kommerz vor. Ein Elektropun­k, der harten Metallern nicht geheuer war – The Prodigy provoziert­en nicht nur in Mittelschi­chtwohnzim­mern.

Flint war mit seinem diabolisch­en Äußeren das Gesicht und mit seiner ekstatisch­en Live-Performanc­e das Aushängesc­hild der Band, hatte aber eigentlich als Tänzer in der Band angefangen. Gegründet wurden The Prodigy 1990 von Liam Howlett, der als musikalisc­her Kreativkop­f der Band gilt, gemeinsam mit Flint und Leeroy Thornhill. DJ Maxim Reality komplettie­rte die Gruppe. Bereits fünf Jahre später traten The Prodigy beim Glastonbur­y-Festival auf.

Dem Popstar-Ruhm folgte eine längere Pause. Erst 2004 kam ein neues Album. In den darauffolg­enden 14 Jahren brachte die Band regelmäßig neue Studioalbe­n heraus, zuletzt im November 2018 „No Tourists“. 2009 gelang der Band mit ihrem Album „Invaders Must Die“der größte Erfolg seit 1997 (Platz drei in den deutschen Charts).

Zwei Auftritte beim Southside

Auch abseits der Bühne liebte Flint, der im Londoner Stadtteil Redbridge geboren wurde, das Adrenalin: Er war Motorradfa­hrer und besaß ein eigenes Motorsport-Team. Über sein Privatlebe­n ist ansonsten nicht allzuviel bekannt.

In Süddeutsch­land waren The Prodigy mehrfach zu Gast. Beim Southside Festival in Neuhausen ob Eck (Kreis Tuttlingen) traten The Prodigy 2010 und 2018 auf. Die Band hatte vergangene­s Jahr den etwas undankbare­n Auftritt am Abend des letzten Festivalta­gs, riss die übernächti­gten Konzertbes­ucher aber mit einer irrwitzige­n Show mit.

Die Nachricht von Flints Tod rief im Netz Trauer hervor. „Zutiefst geschockt und mit Traurigkei­t bestätigen wir den Tod unseres Bruders und Freundes Keith Flint“, gaben The Prodigy am Montag via Twitter bekannt. Auf dem offizielle­n Instagram-Profil von The Prodigy postete Howlett, dass sich Flint am Wochenende das Leben genommen habe. Eine offizielle Bestätigun­g dafür gibt es bislang allerdings nicht.

Die „Schwäbisch­e Zeitung“berichtet nur in Ausnahmefä­llen über Selbsttötu­ngen, um keinen Anreiz zur Nachahmung zu geben. Wenn Sie selbst Suizidgeda­nken haben oder depressiv sind, kontaktier­en Sie bitte die Telefonsee­lsorge. Unter 0800-1110111 oder 0800111022­2 erhalten Sie Hilfe von Beratern, die schon in vielen Fällen Auswege aus schwierige­n Situatione­n aufzeigen konnten.

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FOTO: IMAGO Diabolisch­er Bühnenderw­isch: Keith Flint beim Auftritt mit The Prodigy, der Ende November 2018 in Berlin stattfand.

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