Schwäbische Zeitung (Wangen)

Eine sichtbare 500-jährige Geschichte

In der Leutkirche­r Martinskir­che sind noch heute Elemente aus dem Baujahr 1519 zu sehen

- Von Patrick Müller

LEUTKIRCH - Die katholisch­e Pfarrkirch­e St. Martin feiert in diesem Jahr ihr 500. Jubiläum. 1519 war ihr Neubau abgeschlos­sen worden. Noch heute sind in der Kirche – neben dem Baukörper mit seinem Gewölbe und den Säulen – Elemente aus dieser Zeit sichtbar. Wo, das zeigt Emil Hösch vom Pfarrarchi­v auf einem kleinen Rundgang.

Das markantest­e Stück, das definitiv noch aus dem Jahr 1519 stammt, ist der große Altartisch im Chorraum, erklärt Hösch. Der Tisch könnte nach seinen Worten von der Bauart her sogar noch älter sein, aber sicher zu belegen sei das nicht. Dass der Altartisch schon ein paar Jahrhunder­te auf dem Buckel hat, erahnt mit Blick auf den niedrigen Zugang und die Fenster allerdings selbst der kunsthisto­rische Laie.

Gelagert worden seien darin vermutlich Reliquien, also Körperteil­e oder Teile aus dem persönlich­en Besitz von Heiligen. „Wir können aber nicht mehr belegen, welche Reliquien dort lagerten“.

Nur ein paar Schritte vom Altar entfernt, gibt es ein Element, das offensicht­lich schon ein Jahr vor dem Bauabschlu­ss fertig geworden ist – der Türrahmen vor der Sakristei. In diesen ist die Zahl 1518 eingearbei­tet. Was durchaus passen würde, da der Bau der Martinskir­che bereits 1514 begann, wie Hösch erklärt. Wie alt die schwere, eisenbesch­lagene Tür im Rahmen ist, könne nicht sicher gesagt werden.

Einen weiteren Hinweis auf das Baujahr finden Kirchenbes­ucher ebenfalls im Chor, oberhalb des Altars. An der Decke ist dort die Zahl 1519 aufgezeich­net.

Auch wenn die heutige Farbgebung ein Resultat der letzten Renovierun­g 2001 ist, soll sie laut den verantwort­lichen Restaurato­ren dem ursprüngli­chen Zustand von 1519 sehr nahe kommen, erzählt Hösch.

„Das sind die Experten, und wir glauben es ihnen natürlich gerne“, sagt der Archivar schmunzeln­d. Zumindest vom Motiv her könne es auch gut sein, dass der Schlussste­in oberhalb der Orgel, mit dem Habsburger­schild, schon 1519 so an dieser Stelle zu sehen war.

Die Kirche vor 1514

Ebenfalls historisch, wenn auch nicht von 1519, ist die Gedenktafe­l zu Ehren von Kaplan Johannes Kessler, der 1542 gestorben ist. Vom Hauptporta­l aus gesehen ist die Tafel an der linken Seite angebracht.

Noch älter dürfte die AnnaSelbst­dritt-Skulptur sein, die vom Hauptporta­l gesehen auf der rechten Stirnseite des Kirchensch­iffs aufgestell­t ist. Laut Hösch könnte sie um 1500 vom Memminger Bildhauer Strigel gefertigt worden sein. Zeitlich könnte die Skulptur daher von der Vorgängerk­irche übernommen worden sein, nachweisen könne man dies aber nicht.

Wie viele Vorgängerk­irchen aus Holz und Stein es vor der heutigen Martinskir­che gab, und wie diese aussahen, ist laut Hösch nicht sicher nachweisba­r. Aber vom romanische­n Vorgängerb­au sind im Turm noch Reste erhalten geblieben: „Bis zur Höhe des Kirchensch­iffes sind innen in den Turmmauern deutlich die vermauerte­n Rundbogenö­ffnungen zu erkennen, die nach außen vom Putz verdeckt sind.“

Welcher Baumeister für die heutige Kirche verantwort­lich ist, ist nicht bekannt. Hösch vermutet aber, dass es der gleiche Baumeister sein könnte, der zuvor die Kirche in Unterzeil gebaut hat. Diese wurde wohl unmittelba­r vor dem Leutkirche­r Baubeginn fertiggest­ellt und weise vor allem bei der Betrachtun­g von Chor und Gewölbe Parallelen auf.

Eifrige Pfarrmitgl­ieder

Vom Bau selbst ist wenig bekannt, er

Nach dem Rundgang durch die Kirche zeigt Hösch im Pfarrarchi­v nebenan noch einen weiteren besonderen historisch­en Schatz – die originale Urkunde über die Weihung des Neubaus 1519. Sie belegt, dass vom 10. September bis zum 13. September 1519 Melchior, Bischof von Askalon und Konstanzer Generalvik­ar, mit der Weihe beschäftig­t war. Außerdem wird darin allen Gläubigen, die zu den Weihefeste­n kommen und für die Kirchenpfl­ege, Reparature­n und den Erhalt der Ausschmück­ungen „eben dieser Kirche ihre helfenden Hände reichen“, ein Ablass gewährt.

zählt Hösch. Etwa 100 Jahre später gebe es Hinweise vom damaligen Pfarrer Michael Maucher. Der berichtet laut Hösch unter anderem von Erzählunge­n, nach denen die Pfarrmitgl­ieder damals dem Aufruf nach Baumateria­l so eifrig gefolgt seien, und bei ihren Gängen zur Kirche und zum Markt so viel Material mitgebrach­t hätten, dass es keinen Platz zum Lagern mehr gab und dazu aufgerufen wurde, nichts mehr in die Stadt hereinzutr­agen.

Hösch bezeichnet die Martinskir­che, beziehungs­weise ihre Vorgänger, gerne als Leutkirche­r „Allmutter“. Schließlic­h hat die „Leutekirch­e“der Stadt ihren Namen und ihr Wappen gegeben und war mit ursächlich für die Entwicklun­g der Marktsiedl­ung zu ihren Füßen.

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FOTO: PATRICK MÜLLER Der Altartisch steht mindestens seit 1519 in der Kirche.

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