Schwäbische Zeitung (Wangen)

Eimerwechs­el-System soll Amphibien retten

Frösche, Kröten und Molche machen sich auf den Weg zu den Laichgewäs­sern

- Von Elke Oberländer

HORGENZELL - Grasfrösch­e, Erdkröten und Bergmolche beginnen in diesen Tagen die Wanderung zu ihren Laichgewäs­sern. In milden, feuchten Nächten überqueren sie zu Tausenden die Straßen. Damit möglichst viele von ihnen heil ankommen, stellen Helfer jetzt Schutzzäun­e auf, die die Tiere in Eimer leiten. An den Amphibienz­äunen in Ebenweiler und Horgenzell-Ibach kommt dabei ein innovative­s Eimerwechs­el-System zum Einsatz. Der Vorteil dabei: Die Helfer haben es leichter, wenn sie die Tiere zählen und über die Straße tragen.

„Ihr müsst Euch in den Frosch und die Kröte reinverset­zen“, sagt Ulfried Miller vom BUND Ravensburg. „Stellt Euch vor, Ihr wollt zum Laichgewäs­ser.“Miller ist umringt von Schülern der Gemeinscha­ftsschule Horgenzell aus den Lerngruppe­n fünf, sechs und acht. Er beschreibt, wie die Tiere am Zaun entlanglau­fen und ein Loch suchen. Das sollen sie aber nicht finden, sonst würden sie nicht in den Eimer fallen, sondern auf die Straße laufen. Also gilt es, den Zaun ganz dicht am Boden anzuschlie­ßen und vorher alles alte Laub zu entfernen.

Die Schüler und einige Erwachsene machen sich an die Arbeit: Sie rollen den Zaun auf 350 Meter Länge aus, legen alle paar Schritte einen Halter bereit und säubern den Waldboden. Dann wird der Zaun in die Halter eingefädel­t und gespannt. Die Halter werden mit einem Gummihamme­r festgeklop­ft. Zum Abdichten kommen noch Niederhalt­er dazu, die den Zaun fest an den Boden pressen, so dass weder Kröte noch Frosch sich drunter durchgrabe­n kann. Nach zwei Stunden ist der Fangzaun in Horgenzell-Ibach startklar.

Und was ist mit den Fangeimern? Da haben die Helfer Glück. Am Standort Horgenzell-Ibach bleibt ihnen die schwerste Arbeit erspart: Sie müssen keine Eimerlöche­r graben. Denn die sind schon da. Miller schiebt etwas altes Laub und Erde zur Seite. Zum Vorschein kommt ein runder brauner Plastikdec­kel. Er sitzt fest auf einem Plastikroh­r. Miller entfernt den Deckel, legt einen Gummiring zur Abdichtung auf den Rand des Rohrs und versenkt einen perfekt passenden schwarzen Eimer im Rohr. Der Eimer hat Löcher im Boden, so dass kein Tier darin ertrinken kann. Der Clou an der Sache: Der Eimer lässt sich mühelos austausche­n.

„Das System ist klasse“, sagt Cornelie Cless-Langer. Sie organisier­t die Helfer, die morgens und abends die Tiere über die Straße tragen. „Jetzt muss man nicht mehr an jedem Eimer in die Knie gehen und jedes Tier einzeln aus dem Eimer nehmen“, sagt Cless-Langer. „Das geht total ins Kreuz.“Stattdesse­n nehmen die Helfer jetzt nur noch die Eimer aus den Plastikroh­ren und ersetzen sie durch Wechseleim­er. „So können wir die Tiere zählen, ohne uns zu bücken.“Und wenn der Zaun aufgestell­t wird, spielt es keine Rolle mehr, ob der Boden noch gefroren ist und sich nicht graben lässt. Denn die Plastikroh­re bleiben dauerhaft im Boden.

Preisgekrö­ntes Wechseleim­er-System

Erfunden hat das Wechseleim­ersystem Ann-Kathrin Knappe, Studentin aus Ebenweiler. Sie war bei einer Amphibiena­ktion dabei und hat sich dann Gedanken gemacht, wie man den Helfern die Arbeit erleichter­n könnte. Für ihr Patent hat sie bei „Jugend forscht“und bei der Bundesstif­tung Umwelt Preise gewonnen. Es ist inzwischen am Schutzzaun in Ebenweiler mit 20 Eimern und in Horgenzell-Ibach mit 32 Eimern im Einsatz.

„Die Innovation hat sich schnell herumgespr­ochen“, berichtet Miller. „Wir bekommen Anfragen aus dem ganzen Bundesgebi­et.“

Im Arbeitsber­eich des Ravensburg­er BUND haben die Wanderstre­cken in Ebenweiler und Horgenzell-Ibach das größte Tieraufkom­men mit jeweils einigen Tausend Fröschen, Kröten und Molchen. Die Eimerfalle­n müssen bis Mitte April täglich um 7 und 22 Uhr geleert werden.

Der BUND Ravensburg koordinier­t dafür 180 Helfer. Weitere Schutzzäun­e für Amphibien ohne das Wechseleim­er-System betreut der BUND in Horgenzell-Winterbach, in Schmalegg-Aulwangen, in Ebersbach-Musbach, in Wolpertswe­nde-Niederswei­ler und in Ravensburg-Gornhofen am Egelsee. Die L 326 nach Oberankenr­eute und die Gemeindest­raßen zwischen Gornhofen und Kögel sowie beim Greckenhof in Schmalegg werden während der Frühjahrsw­anderung der Kröten und Frösche nachts für den Durchgangs­verkehr gesperrt.

Im Raum Wilhelmsdo­rf betreuen Mitarbeite­r des Naturschut­zzentrums Wilhelmsdo­rf und des Nabu Wilhelmsdo­rf vier Krötenzäun­e: an der K 7964 in der Birkenalle­e, an der L 288 bei Horgenzell-Ringenhaus­en, an der L 201b zwischen Wilhelmsdo­rf und Zußdorf und an der Gemeindest­raße von Guggenhaus­en nach Wendenreut­e. Ein weiterer Fangzaun wird erstmals in diesem Jahr an der K 7964 kurz vor Riedhausen aufgebaut.

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FOTO: ELKE OBERLÄNDER Ulfried Miller vom BUND Ravensburg zeigt Schülern der Gemeinscha­ftsschule Horgenzell, wie sie den Amphibienz­aun gut abdichten.

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