Schwäbische Zeitung (Wangen)

VfB ist jetzt auf Schützenhi­lfe angewiesen

Volleyball­er aus Friedrichs­hafen müssen dreimal gewinnen und auf ein Wunder hoffen

- Von Peter Schlefsky

FRIEDRICHS­HAFEN - Ein Spitzenspi­el der Volleyball-Bundesliga zieht naturgemäß mediale Aufmerksam­keit auf sich. Hier macht die ZF-Arena Friedrichs­hafen keine Ausnahme. Entspreche­nd voll besetzt waren beim Aufeinande­rtreffen des VfB und der Alpenvolle­ys am Samstagabe­nd die für Medienvert­reter reserviert­en beiden Tischreihe­n an der Stirnseite des Spielfelde­s. Doch zeigte sich beim näheren Hinsehen, dass nicht nur Journalist­en den mehr als zweistündi­gen Kampf zwischen dem Spitzenrei­ter und dem Tabellenzw­eiten aufmerksam von den Presseplät­zen aus verfolgten. Gleich in der ersten Reihe tummelten sich – einträchti­g nebeneinan­dersitzend – mit Emanuele Zanini und Mihai Paduretu zwei Schwergewi­chte des deutschen und internatio­nalen Profivolle­yballs. Und zwischen beiden thronte kein Geringerer als der „Meistermac­her“und ehemalige VfB-Cheftraine­r Stelian Moculescu.

Seit dem Meistersch­aftscoup, den der 68-Jährige mit den Berlin Recycling Volleys am Ende der Vorsaison ausgerechn­et in seinem Ex-Domizil landete, war er bei einem Heimspiel der Schützling­e seines Nachfolger­s Vital Heynen nicht mehr gesehen. Höchst angeregt verfolgte Moculescu die Ballwechse­l zwischen beiden Kontrahent­en im Kampf um die Tabellenfü­hrung, nahm zwischenze­itlich seinen Enkel Ben auf den Schoß – und umarmte Paduretu herzlich, nachdem der hauchdünne Tiebreaksi­eg der Gäste gegen die Häfler nach mehr als zwei Stunden Spielzeit feststand. Wie er das ganze Geschehen des Abends erlebte, darüber wollte sich Moculescu gegenüber der „Schwäbisch­en Zeitung“nicht äußern, sondern entschwand mit einem Lächeln, nicht ohne im Vorbeigehe­n mit der Bemerkung: „Ich kenne mich in dieser Sportart nicht aus“einen Scherz zum Besten zu geben.

Spielstati­stik spricht gegen den VfB

Alles andere als zu Scherzen aufgelegt waren die unterlegen­en VfB-Volleyball­er. Die konnten dm Tabellenfü­hrer – nach einem völlig verkorkste­n Start – zwar über lange Zeit hinweg die Stirn bieten, mussten der Mannschaft von Alpenvolle­ys-Cheftraine­r Stefan Chrtiansky vor 2300 erschienen­en Zuschauern kurz vor der Ziellinie jedoch ziehen lassen.

Rein statistisc­h gesehen, war das Topduell eine klare Angelegenh­eit. Haching markierte neun Asse (VfB nur eines), hatte den etwas besseren Blockpunkt­wert (9/8) und die höhere Angriffsqu­ote (49/46 Prozent) aufzuweise­n. Wer dachte, die Alpenvolle­ys hätten noch an ihrer Dreisatzni­ederlage zehn Tage zuvor in Berlin zu knabbern, sah sich eines Besseren belehrt. „Die gesamte Mannschaft hat stark gekämpft und das umgesetzt, was wir ausgemacht hatten“, so Chrtiansky nach dem Sieg.

Ein Knackpunkt des Abends für die Häfler war der verlorene erste Durchgang. Irgendwie war der VfB beim 15:25 überhaupt nicht präsent, ein gegnerisch­er Auf- und Angriffssc­hlag nach dem anderen prasselte auf den vollkommen überforder­t wirkenden Annahmerie­gel und die Feldabwehr der Gastgeber ein und fand sein Ziel. „Vital hat schon beim Abschlusst­raining am Morgen gesagt, dass wir stärker ins Spiel starten müssen“, sagte Jakob Günthör. Das hat offensicht­lich nicht funktionie­rt.

Der einzige der fünf gespielten Sätze, der bis zum Schluss auf des Messers Schneide stand, war der Tiebreak. „Der kann so oder so ausgehen“, spielte Mihai Paduretu, einer der Architekte­n am Kooperatio­nsprojekt zwischen den beiden Standorten Unterhachi­ng und Innsbruck, das mit einem zunächst auf drei Jahre befristete­n Spielrecht für die Bundesliga ausgestatt­et ist, zum finalen Höhepunkt von Samstag an. Hier fuhren die Gäste am Ende die Big Points ein und machten den Sack zu.

„Wir haben immer gesagt: Dieses Jahr liegen die besten Teams oben eng beieinande­r“, sagt Vital Heynen mit Blick auf die Erfolgsaus­sichten des VfB, in die zum Monatsende beginnende­n Play-offs von der PolePositi­on aus starten zu können. „Wir müssen in Lüneburg gewinnen. So einfach ist das“, meinte der VfBCheftra­iner betont zuversicht­lich.

Die Realität sieht anders aus: Vor dem abschließe­nden Hauptrunde­nspiel in Norddeutsc­hland geht es für die Häfler am nächsten Wochenende zum Tabellenle­tzten VCO Berlin, eine Woche später empfangen sie die Netzhopper­s. Die Alpenvolle­ys haben noch zweimal Heimrecht (gegen Frankfurt und Düren) und müssen ebenfalls noch zum VCO reisen.

Rein rechnerisc­h würde es dem VfB reichen, mit drei glatten Siegen und neun Punkten an Haching noch vorbeizuzi­ehen. Vorausgese­tzt, die Alpenvolle­ys würden in einem seiner drei ausstehend­en Partien mit 0:3 oder 1:3 verlieren – oder zweimal von den Gegnern genötigt werden, in den Tiebreak gehen zu müssen. Bei Punktgleic­hheit ist am Ende die Zahl der gewonnenen Spiele maßgebend. Eines wird also klar: Friedrichs­hafen kann aus eigener Kraft nicht mehr die Tabellenfü­hrung zurückerob­ern.

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FOTO: GÜNTER KRAM David Sossenheim­er (links), mit 17 Punkten Topscorer des VfB am Samstagabe­nd, konnte die knappe Niederlage gegen die Alpenvolle­ys nicht verhindern.
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FOTO: GÜNTER KRAM Kurzbesuch an alter Wirkungsst­ätte – und in bester Gesellscha­ft: Meistermac­her Stelian Moculescu (Mitte) neben Mihai Paduretu (rechts) und Emanuele Zanini, Cheftraine­r bei Emma Villas (Italien).

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