VfB ist jetzt auf Schützenhilfe angewiesen
Volleyballer aus Friedrichshafen müssen dreimal gewinnen und auf ein Wunder hoffen
FRIEDRICHSHAFEN - Ein Spitzenspiel der Volleyball-Bundesliga zieht naturgemäß mediale Aufmerksamkeit auf sich. Hier macht die ZF-Arena Friedrichshafen keine Ausnahme. Entsprechend voll besetzt waren beim Aufeinandertreffen des VfB und der Alpenvolleys am Samstagabend die für Medienvertreter reservierten beiden Tischreihen an der Stirnseite des Spielfeldes. Doch zeigte sich beim näheren Hinsehen, dass nicht nur Journalisten den mehr als zweistündigen Kampf zwischen dem Spitzenreiter und dem Tabellenzweiten aufmerksam von den Presseplätzen aus verfolgten. Gleich in der ersten Reihe tummelten sich – einträchtig nebeneinandersitzend – mit Emanuele Zanini und Mihai Paduretu zwei Schwergewichte des deutschen und internationalen Profivolleyballs. Und zwischen beiden thronte kein Geringerer als der „Meistermacher“und ehemalige VfB-Cheftrainer Stelian Moculescu.
Seit dem Meisterschaftscoup, den der 68-Jährige mit den Berlin Recycling Volleys am Ende der Vorsaison ausgerechnet in seinem Ex-Domizil landete, war er bei einem Heimspiel der Schützlinge seines Nachfolgers Vital Heynen nicht mehr gesehen. Höchst angeregt verfolgte Moculescu die Ballwechsel zwischen beiden Kontrahenten im Kampf um die Tabellenführung, nahm zwischenzeitlich seinen Enkel Ben auf den Schoß – und umarmte Paduretu herzlich, nachdem der hauchdünne Tiebreaksieg der Gäste gegen die Häfler nach mehr als zwei Stunden Spielzeit feststand. Wie er das ganze Geschehen des Abends erlebte, darüber wollte sich Moculescu gegenüber der „Schwäbischen Zeitung“nicht äußern, sondern entschwand mit einem Lächeln, nicht ohne im Vorbeigehen mit der Bemerkung: „Ich kenne mich in dieser Sportart nicht aus“einen Scherz zum Besten zu geben.
Spielstatistik spricht gegen den VfB
Alles andere als zu Scherzen aufgelegt waren die unterlegenen VfB-Volleyballer. Die konnten dm Tabellenführer – nach einem völlig verkorksten Start – zwar über lange Zeit hinweg die Stirn bieten, mussten der Mannschaft von Alpenvolleys-Cheftrainer Stefan Chrtiansky vor 2300 erschienenen Zuschauern kurz vor der Ziellinie jedoch ziehen lassen.
Rein statistisch gesehen, war das Topduell eine klare Angelegenheit. Haching markierte neun Asse (VfB nur eines), hatte den etwas besseren Blockpunktwert (9/8) und die höhere Angriffsquote (49/46 Prozent) aufzuweisen. Wer dachte, die Alpenvolleys hätten noch an ihrer Dreisatzniederlage zehn Tage zuvor in Berlin zu knabbern, sah sich eines Besseren belehrt. „Die gesamte Mannschaft hat stark gekämpft und das umgesetzt, was wir ausgemacht hatten“, so Chrtiansky nach dem Sieg.
Ein Knackpunkt des Abends für die Häfler war der verlorene erste Durchgang. Irgendwie war der VfB beim 15:25 überhaupt nicht präsent, ein gegnerischer Auf- und Angriffsschlag nach dem anderen prasselte auf den vollkommen überfordert wirkenden Annahmeriegel und die Feldabwehr der Gastgeber ein und fand sein Ziel. „Vital hat schon beim Abschlusstraining am Morgen gesagt, dass wir stärker ins Spiel starten müssen“, sagte Jakob Günthör. Das hat offensichtlich nicht funktioniert.
Der einzige der fünf gespielten Sätze, der bis zum Schluss auf des Messers Schneide stand, war der Tiebreak. „Der kann so oder so ausgehen“, spielte Mihai Paduretu, einer der Architekten am Kooperationsprojekt zwischen den beiden Standorten Unterhaching und Innsbruck, das mit einem zunächst auf drei Jahre befristeten Spielrecht für die Bundesliga ausgestattet ist, zum finalen Höhepunkt von Samstag an. Hier fuhren die Gäste am Ende die Big Points ein und machten den Sack zu.
„Wir haben immer gesagt: Dieses Jahr liegen die besten Teams oben eng beieinander“, sagt Vital Heynen mit Blick auf die Erfolgsaussichten des VfB, in die zum Monatsende beginnenden Play-offs von der PolePosition aus starten zu können. „Wir müssen in Lüneburg gewinnen. So einfach ist das“, meinte der VfBCheftrainer betont zuversichtlich.
Die Realität sieht anders aus: Vor dem abschließenden Hauptrundenspiel in Norddeutschland geht es für die Häfler am nächsten Wochenende zum Tabellenletzten VCO Berlin, eine Woche später empfangen sie die Netzhoppers. Die Alpenvolleys haben noch zweimal Heimrecht (gegen Frankfurt und Düren) und müssen ebenfalls noch zum VCO reisen.
Rein rechnerisch würde es dem VfB reichen, mit drei glatten Siegen und neun Punkten an Haching noch vorbeizuziehen. Vorausgesetzt, die Alpenvolleys würden in einem seiner drei ausstehenden Partien mit 0:3 oder 1:3 verlieren – oder zweimal von den Gegnern genötigt werden, in den Tiebreak gehen zu müssen. Bei Punktgleichheit ist am Ende die Zahl der gewonnenen Spiele maßgebend. Eines wird also klar: Friedrichshafen kann aus eigener Kraft nicht mehr die Tabellenführung zurückerobern.