Zurück in die 90er
„mid90s“: Nostalgische Coming-of-Age-Geschichte im Skater-Milieu
Nun also die 90er-Jahre: Nach unzähligen in den 1960er- bis 1980er-Jahren angesiedelten Filmen und Serien war es natürlich nur eine Frage der Zeit, bis das nächste Jahrzehnt als Kulisse für mehr oder minder nostalgische Betrachtungen an die Reihe kommt. Schließlich blicken Filmemacher gerne auf ihre eigene Jugend zurück und die fällt bei Jonah Hill, Jahrgang 1983, eben klar in das letzte Jahrzehnt vor dem Millennium.
Für den Schauspieler markiert der Skater-Streifen das Regiedebüt, aber wer nun eine derbe Komödie im Stile seines Durchbruchsilms „Superbad“erwartet, liegt falsch. Zum einen hat der zweifach Oscar-nominierte Hill schon längst bewiesen, dass er auch komplexere Rollen beherrscht. Zum anderen richtet sich „mid90s“ganz klar nicht an Multiplexe, sondern an Programmkinos.
Das fängt schon bei der Ästhetik an – der Film ist im altmodischen 4:3Format und auf 16mm Film gedreht, was ihn wie ein Amateurvideo aus dieser Zeit aussehen lässt. Dazu hat Hill um den jungen Hauptdarsteller Sunny Suljic („The Killing Of A Sacred Deer“) viele unerfahrene Schauspieler gruppiert. All das könnte aufgesetzt wirken, gibt dem Film aber ein ungemeines Gefühl von Authentizität: Man kann sich mit diesen durchaus kantigen Skateboard-Kids, für die ihre Bretter die Welt bedeuten, zunehmend identifizieren. Da stört es auch nicht, dass die Handlung des kurzen und oft improvisiert wirkenden Films locker auf einem Blatt Papier Platz finden würde. Der 13-jährige Stevie (Suljic) fühlt sich zu Hause unwohl und wird von seinem älteren Bruder Ian (Lucas Hedges) tyrannisiert. Da entdeckt er eine Clique an Skateboardern, die permanent zusammen herumhängt und trotz ihres Außenseiter-Status so etwas wie Geborgenheit ausstrahlt. Obwohl deutlich jünger als die anderen und alles andere als ein begabter Skateboarder, findet er schnell Anschluss – entdeckt mit der Zeit aber auch einige Schattenseiten der Szene …
Suche nach Anerkennung
Manches in dem autobiographisch angehauchten Debüt, bei dem Hill auch das Drehbuch schrieb, wirkt nur skizziert, viele Hintergründe nur angedeutet, sodass Freunde einer runden Geschichte hier eher fehl am Platze sind. Womit der Film neben erstklassiger Musik und guten Darstellern, vor allem Na-kel Smith als abgeklärt-ambitionierter Skater Ray, punkten kann, ist aber die Vermittlung eines Lebensgefühls. Und das sollte selbst nachvollziehen können, wer damals in den 90ern nicht mit dem Board durch L. A. gebrettert, sondern in Wanne-Eickel Rollschuh gelaufen ist – geht es doch um so zeitlose Themen wie Freundschaft und Familie, die Suche nach Anerkennung und einem Platz im sozialen Gefüge.
mid90s. Regie: Jonah Hill. Mit Sunny Suljic, Lucas Hedges, Katherine Waterston. USA 2018. 85 Minuten. FSK ab 12.