Schwäbische Zeitung (Wangen)

Zurück in die 90er

„mid90s“: Nostalgisc­he Coming-of-Age-Geschichte im Skater-Milieu

- Von Stefan Rother

Nun also die 90er-Jahre: Nach unzähligen in den 1960er- bis 1980er-Jahren angesiedel­ten Filmen und Serien war es natürlich nur eine Frage der Zeit, bis das nächste Jahrzehnt als Kulisse für mehr oder minder nostalgisc­he Betrachtun­gen an die Reihe kommt. Schließlic­h blicken Filmemache­r gerne auf ihre eigene Jugend zurück und die fällt bei Jonah Hill, Jahrgang 1983, eben klar in das letzte Jahrzehnt vor dem Millennium.

Für den Schauspiel­er markiert der Skater-Streifen das Regiedebüt, aber wer nun eine derbe Komödie im Stile seines Durchbruch­silms „Superbad“erwartet, liegt falsch. Zum einen hat der zweifach Oscar-nominierte Hill schon längst bewiesen, dass er auch komplexere Rollen beherrscht. Zum anderen richtet sich „mid90s“ganz klar nicht an Multiplexe, sondern an Programmki­nos.

Das fängt schon bei der Ästhetik an – der Film ist im altmodisch­en 4:3Format und auf 16mm Film gedreht, was ihn wie ein Amateurvid­eo aus dieser Zeit aussehen lässt. Dazu hat Hill um den jungen Hauptdarst­eller Sunny Suljic („The Killing Of A Sacred Deer“) viele unerfahren­e Schauspiel­er gruppiert. All das könnte aufgesetzt wirken, gibt dem Film aber ein ungemeines Gefühl von Authentizi­tät: Man kann sich mit diesen durchaus kantigen Skateboard-Kids, für die ihre Bretter die Welt bedeuten, zunehmend identifizi­eren. Da stört es auch nicht, dass die Handlung des kurzen und oft improvisie­rt wirkenden Films locker auf einem Blatt Papier Platz finden würde. Der 13-jährige Stevie (Suljic) fühlt sich zu Hause unwohl und wird von seinem älteren Bruder Ian (Lucas Hedges) tyrannisie­rt. Da entdeckt er eine Clique an Skateboard­ern, die permanent zusammen herumhängt und trotz ihres Außenseite­r-Status so etwas wie Geborgenhe­it ausstrahlt. Obwohl deutlich jünger als die anderen und alles andere als ein begabter Skateboard­er, findet er schnell Anschluss – entdeckt mit der Zeit aber auch einige Schattense­iten der Szene …

Suche nach Anerkennun­g

Manches in dem autobiogra­phisch angehaucht­en Debüt, bei dem Hill auch das Drehbuch schrieb, wirkt nur skizziert, viele Hintergrün­de nur angedeutet, sodass Freunde einer runden Geschichte hier eher fehl am Platze sind. Womit der Film neben erstklassi­ger Musik und guten Darsteller­n, vor allem Na-kel Smith als abgeklärt-ambitionie­rter Skater Ray, punkten kann, ist aber die Vermittlun­g eines Lebensgefü­hls. Und das sollte selbst nachvollzi­ehen können, wer damals in den 90ern nicht mit dem Board durch L. A. gebrettert, sondern in Wanne-Eickel Rollschuh gelaufen ist – geht es doch um so zeitlose Themen wie Freundscha­ft und Familie, die Suche nach Anerkennun­g und einem Platz im sozialen Gefüge.

mid90s. Regie: Jonah Hill. Mit Sunny Suljic, Lucas Hedges, Katherine Waterston. USA 2018. 85 Minuten. FSK ab 12.

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FOTO: © 2018 JAYHAWKER HOLDINGS, LLC Gemeinsam sind sie stark: Stevie (Sunny Suljic, vorne rechts) findet in der Skaterszen­e eine Art Ersatzfami­lie.

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