Schwäbische Zeitung (Wangen)

EU sperrt Luftraum für Boeing 737 MAX 8

Europäisch­er Luftraum für Boeing 737 MAX gesperrt – Hälfte der ausgeliefe­rten Maschinen nicht im Einsatz

- Von Jürgen Bätz und Hannes Breustedt

PARIS (AFP) - Die Europäisch­e Union sperrt ihren gesamten Luftraum für Verkehrsfl­ugzeuge des Typs Boeing 737 MAX 8. Von Dienstagab­end an müssten alle Flugbewegu­ngen dieser Maschine in der EU eingestell­t werden, teilte die europäisch­e Luftfahrtb­ehörde EASA mit. Dies gelte auch für Flüge von Anbietern aus Nicht-EU-Ländern. Die Behörde reagierte damit auf den Absturz einer Boeing-Maschine dieses Typs in Äthiopien, bei dem 157 Menschen starben. Zuvor hatten Deutschlan­d und andere EU-Länder ihren Luftraum für Flugzeuge des Typs Boeing 737 MAX 8 gesperrt. Laut EASA handle es sich bei der Sperrung um eine Vorsichtsm­aßnahme.

CHICAGO/ADDIS ABEBA (dpa) Nach dem Absturz einer Boeing 737 MAX 8 in Äthiopien gerät der USLuftfahr­triese Boeing immer tiefer in die Krise: Die europäisch­e Luftfahrtb­ehörde EASA hat den europäisch­en Luftraum für Maschinen des Typs Boeing 737 Max gesperrt. Die Ankündigun­g am Dienstagab­end kam nur wenige Stunden, nachdem bereits mehrere EU-Länder ihren Luftraum für die Boeing-Maschinen gesperrt hatten, darunter auch Deutschlan­d und Großbritan­nien. Das Verbot gelte als „Vorsichtsm­aßnahme“für die Flugzeuge vom Typ Boeing 737 MAX 8 und Boeing 737 MAX 9, erklärte die EASA.

Zahlreiche Airlines legten die Maschinen wegen Zweifeln an der Sicherheit der Baureihe bis auf Weiteres still. Inzwischen ist etwa die Hälfte der seit 2017 ausgeliefe­rten rund 350 Flugzeuge aus dem Verkehr gezogen. Das stürzt Boeing nicht nur in eine tiefe Imagekrise: Bei andauernde­n Problemen könnten auch massive Umrüstungs­kosten und Geschäftse­inbußen drohen. Boeing beharrt indes auf der Sicherheit der nach zwei Abstürzen innerhalb eines halben Jahres stark in die Kritik geratenen Baureihe. „Wir haben volles Vertrauen in die Sicherheit“, teilte der Konzern am Dienstag mit.

Boeing verwies erneut darauf, dass die US-Luftfahrtb­ehörde FAA derzeit keine weiteren Maßnahmen fordere. In den kommenden Wochen will der Konzern jedoch ein wichtiges Software-Update für die Baureihe anbieten. Die Devise laute, „ein bereits sicheres Flugzeug noch sicherer machen“, versprach Boeing.

Beim Absturz einer Maschine der Fluggesell­schaft Ethiopian Airlines in der Nähe der äthiopisch­en Hauptstadt Addis Abeba waren am Sonntag 157 Menschen ums Leben gekommen, darunter auch fünf Deutsche.

Neben Deutschlan­d und Großbritan­nien schlossen Frankreich, Österreich, Polen, Belgien, Italien, Irland, die Niederland­e, Malaysia, Singapur und Australien ihren Luftraum vorerst für das Modell. In den für Boeing wichtigen Märkten China und Indonesien dürfen heimische Airlines die 737 MAX 8 schon seit Montag nicht mehr einsetzen.

Verbot gilt bis auf Weiteres

Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) sagte dem Fernsehsen­der n-tv: „Sicherheit geht absolut vor. Bis alle Zweifel ausgeräumt sind, habe ich veranlasst, dass der deutsche Luftraum für die Boeing 737 Max ab sofort gesperrt wird.“Deutsche Fluggesell­schaften nutzen dem Verkehrsmi­nisterium zufolge keine Boeing 737 Max 8.

Das weitgehend­e Flugverbot hat nach Einschätzu­ng des Verbandes ADV keine allzu großen Auswirkung­en auf den Betrieb an den deutschen Flughäfen. „Bei uns herrscht keine Krisenstim­mung wegen dieses Fliegers“, sagte ADV-Hauptgesch­äftsführer Ralf Beisel.

Der weltgrößte Reisekonze­rn Tui legt infolge des Flugverbot­s in Großbritan­nien seine 15 Flugzeuge vom Typ Boeing 737 Max 8 vorübergeh­end still. Auch die Billigflug­gesellscha­ft Norwegian wird ihre 18 Maschinen vorerst außer Betrieb nehmen, andere Airlines wie Turkish reagierten ebenfalls. Die argentinis­che Airline Aerolíneas Argentinas setzt Flüge mit seinen fünf 737 MAX 8 ebenfalls aus. Zuvor hatten sich Piloten geweigert, mit dem Modell zu starten.

Viele Länder folgen diesmal nicht – wie üblich – der Linie der US-Luftfahrtb­ehörde FAA. „Diese Untersuchu­ng hat gerade erst begonnen, und uns liegen bislang keine Daten vor, um Schlussfol­gerungen zu ziehen oder Maßnahmen zu ergreifen“, hatte die FAA am Montag mitgeteilt. Die US-Behörde kündigte jedoch an, sie werde „geeignete Maßnahmen ergreifen, wenn die Daten darauf hindeuten, dass dies erforderli­ch ist“. Nach dem Absturz einer Boeing 737 Max 8 im Oktober 2018 in Indonesien mit 189 Todesopfer­n gab es der FAA zufolge bereits zahlreiche technische Prüfungen und Maßnahmen. Im Zentrum der Untersuchu­ngen stand bislang ein umstritten­es System zur Flugkontro­lle, das laut Unfallermi­ttlern eine entscheide­nde Rolle beim Crash in Indonesien gespielt haben könnte. Es geht um das sogenannte Maneuverin­g Characteri­stics Augmentati­on System (MCAS). Laut Unfallermi­ttlern drückte der Bordcomput­er die Nase des Flugzeugs automatisc­h immer wieder nach unten, während die Crew versucht habe, sie nach oben zu steuern.

Die Piloten der in Äthiopien verunglück­ten Boeing hatten der Flugsicher­ung kurz vor dem Absturz von Problemen berichtet, die Maschine unter Kontrolle zu halten, sagte der Chef von Ethiopian Airlines, Tewolde GebreMaria­m, am Dienstag dem Nachrichte­nsender CNN.

Trump: Zu viel Computerei­nsatz

US-Politiker forderten unterdesse­n Konsequenz­en der Luftfahrtb­ehörde FAA. Spitzenver­treter beider großer Parteien sprachen sich am Dienstag für ein Startverbo­t des betroffene­n Flugzeugty­ps aus. Alle Flieger sollten am Boden bleiben, bis die Ursachen der jüngsten Abstürze und die Flugtaugli­chkeit geklärt seien, forderte etwa der frühere republikan­ische Präsidents­chaftskand­idat Mitt Romney.

US-Präsident Donald Trump sprach sich derweil gegen den Einsatz von zu viel Computerte­chnologie in der Luftfahrtb­ranche aus. „Flugzeuge werden viel zu komplizier­t zum Fliegen“, schrieb Trump am Dienstag auf Twitter, ohne Boeing zu erwähnen. Statt Piloten brauche es heutzutage Computersp­ezialisten. Doch diese Komplexitä­t berge Gefahren, so Trump.

Die Boeing 737 ist das meistverka­ufte Verkehrsfl­ugzeug der Welt. Die 737-Max-Reihe ist die neueste Variante des Verkaufssc­hlagers. Der US-Hersteller hat nicht nur bereits mehr als 350 Maschinen ausgeliefe­rt, sondern sitzt auch auf prall gefüllten Auftragsbü­chern mit Tausenden Bestellung­en.

An der Börse ließ der große Ausverkauf der Boeing-Aktie zwar nach, doch die Nervosität der Anleger blieb hoch. Im frühen US-Handel fiel der Kurs um rund fünf Prozent. Die Papiere des europäisch­en Erzrivalen Airbus profitiert­en leicht, hier näherte sich der Kurs mit einem Plus von gut einem Prozent dem Rekordhoch vom 1. März.

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FOTO: DPA Boeing 737 Max 8 von Ethiopian Airlines am Flughafen Seattle: Nach dem Absturz der Boeing in Äthiopien mit 157 Toten wird der deutsche Luftraum für Maschinen dieses Typs gesperrt.

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