VW-Kernmarken leiden
Autobauer verkündet neue Elektro-Offensive
WOLFSBURG (AFP/sz) - Ungeachtet des Dieselskandals und der Zulassungsprobleme durch den neuen Abgasstandard hat der Autobauer VW das Jahr 2018 erfolgreich abgeschlossen. Der operative Gewinn stieg um 0,4 Prozent auf 17,1 Milliarden Euro, wie VW am Dienstag mitteilte.
Trotz „starken Gegenwinds“– die operativen Gewinne der Kernmarke VW sowie der Premiumtochter Audi gingen im Vorjahresvergleich zurück – habe sich der Konzern „ordentlich geschlagen“, sagte Vorstandschef Herbert Diess. Weltweit wurden rund 10,8 Millionen Fahrzeuge über alle Konzernmarken hinweg ausgeliefert – ein Plus von 0,9 Prozent. Der Umsatz stieg um 6,3 Milliarden Euro auf 235,8 Milliarden Euro.
Der Konzern kündigte an, bis 2028 fast 70 neue Elektroautos vorzustellen. Bisher hatte VW 50 Modelle geplant. In den nächsten zehn Jahren will VW dann 22 Millionen Elektroautos bauen.
KORNTAL-MÜNCHINGEN - Abfall ist cool und liebenswert. Für Nadine Speidel und Anne Kathrin Antic ist Müll mehr als eine schimmelnde Bananenschale, ein Kanister Altöl oder der ausgestanzte Rest einer Autokarosserie. „Es ist gar nicht so schmutzig, wie man denkt“, sagt Speidel. Denn als Geschäftsführerinnen des Entsorgungsberatungsunternehmens Global Flow sehen die beiden Schwestern Abfall nicht als eine Ansammlung von Müll, sondern als Quelle für Wertstoffe. Diese Ansicht großen Industrieunternehmen nahezubringen – damit verdienen sie ihr Geld.
Große Industrieunternehmen produzieren täglich tonnenweise Abfall, den sie los werden müssen. Lösungen für dieses Problem haben die Firmen in der Regel bereits. Die Frage ist nur, zu welchem Preis? Genau da kommt Global Flow ins Spiel. „Wir beraten produzierende Unternehmen, wie sie ihre Wertstoffe kostengünstig vom Hof bekommen“, sagt Antic. Integriertes Wertstoffmanagement nennen sie das. Und das soll so effizient und ökologisch wie möglich passieren. Zu Speidels und Antic’ Kundenkreis zählen namhafte Unternehmen wie Ritter Sport, Melitta, MAN, ZF oder Hipp. Luft nach oben hätten viele ihrer Kunden vor allem bei der Vermeidung, Wiederverwertung und beim Abtransport von Müll. Wird nur an ein paar Stellschrauben gedreht, kann ein Unternehmen seine Entsorgungskosten oft um ein Vielfaches zurückschrauben. Und das kann in die Hunderttausende Euro gehen – wie bei ZF.
ZF ist einer der größten Automobilzulieferer, der weltweit an rund 230 Standorten mit knapp 146000 Mitarbeitern vertreten ist. Über eine Ausschreibung sind Speidel und Antic im Jahr 2016 mit dem Unternehmen in Kontakt gekommen. ZF wollte die Entsorgung am 9500 Mitarbeiter starken Standort Schweinfurt ökologisch optimieren. „Wir wollten da einfach besser werden“, sagt Matthias Greb, Leiter Produktionsservice in Schweinfurt. Der passende Berater dafür sei Global Flow gewesen. Bei ZF haben Speidel und Antic zunächst die Situation vor Ort analysiert, also welche Maschinen es gibt, was diese produzieren, wo Abfälle anfallen und wie diese abtransportiert werden. Sobald sie diese Daten erhoben hatten, ging es ans Abschätzen der Potenziale: Wie kann Abfall vermieden oder zu Wertstoff werden? Wie können Transportwege und somit Kosten gespart werden? Schließlich empfahlen die Unternehmerinnen geeignete Maßnahmen, die im Fall von ZF in einem Optimierungspaket umgesetzt wurden.
In knapp zwei Jahren ergaben sich so einige Veränderungen in Schweinfurt, vor allem im Bereich Leichtverpackungsmaterialien. Früher warf ZF sein Altpapier in einen Presscontainer und ließ den vom Entsorger abholen. Heute stehen drei große Papierpressen auf dem Gelände. Die pressen das vorher gut sortierte Altpapier in 500 Kilo schwere Ballen, „und für die kannst du am Markt einen Preis erzielen“, sagt Greb. Auch beim Transport hat ZF eingespart. Wo früher Lkw mit drei bis vier Tonnen pro Ladung Altpapier vom Hof fuhren, nimmt heute ein Sattelschlepper 22 Tonnen auf einmal mit. Auch einen Verdampfer hat sich ZF zugelegt, der in der Produktion im Bereich Kühlschmierstoffe eingesetzt wird. Dabei trennt das Gerät den Wasseranteil von der restlichen Emulsion und verdampft diesen. So muss ZF 75 Prozent weniger Abwasser als früher entsorgen.
500 000 Euro gespart
„Man kann Abfall so verpacken, dass er nicht mehr Abfall ist, sondern Wertstoff “, sagt Greb. In Summe hat ZF am Standort Schweinfurt 500 000 Euro an Entsorgungskosten eingespart. Diese Umstellung sei ein Lernprozess gewesen, sagt Greb. „Es ist extrem wichtig, dass der Kunde am Ende selbst laufen kann“, erklärt Speidel. Dieser soll schlussendlich Herrscher über den Prozess sein, damit die Dinge auch ohne die Hilfe von Speidel und Antic weiterlaufen. Angst davor, die Kunden dadurch zu verlieren, haben die beiden aber nicht. „Es wird immer neue Themen geben, die anfallen, und der Kunde wird nie das Wissen haben, das wir haben“, sagt die 27-jährige Antic.
Experten in Sachen Wertstoff sind die Schwestern schon lange. Bei Speidel hat alles während ihres Produktionsmanagementstudiums in Reutlingen angefangen. Bei einem Praktikum in einem großen Konzern habe Speidel erlebt, wie dort mit Rohstoffen umgegangen wurde – nicht sorgfältig genug. „Ich habe gedacht, das kann man besser machen“, sagt Speidel. Also fasste sie 2012 – damals noch ohne ihre jüngere Schwester – den Entschluss und machte sich selbstständig. „Andere haben sich ein Auto gekauft, ich habe gegründet“, sagt die heute 33-Jährige. Mit einem Gründungszuschuss von der Stadt Reutlingen in Höhe von 3000 Euro konnte Speidel für den Anfang ein Büro mieten und mit zwei Geschäftspartnern das Unternehmen Global Flow gründen.
Nachdem eine Partnerin aus dem Unternehmen ausschied, kam Antic hinzu. Über ein Fernstudium machte sie ihren Abschluss in Wirtschaftswissenschaften und managt nun die Finanzen des Unternehmens, das mittlerweile in Korntal-Münchingen eine 1200 Quadratmeter große Büro- und Lagerfläche anmietet und im vergangenen Jahr einen Umsatz von 800 000 Euro erwirtschaftet hat. Zum Gewinn äußert sich das Unternehmen auf Nachfrage nicht. Nach den Anfangsjahren, in denen das Start-up keine schwarzen Zahlen geschrieben habe, sei Global Flow jetzt auf einem sehr guten Kurs, wie die Pressesprecherin der GmbH bestätigt. „Global Flow ist seit 2016 in den schwarzen Zahlen.“
„Was wir machen ist schon relativ einzigartig“, sagt Antic, die, wie ihre Schwester, Global Flow als ganzheitliches Konzept betrachtet, das Abfall trennt und die wiedergewonnenen Wertstoffe zurück in den Kreislauf führt. „Die Menschheit unterschätzt Abfall sehr. Eigentlich ist das Wertstoff und ein ganz cooles Material“, sagt Antic. Speidel stimmt ihrer Schwester zu: „Irgendwie hat sich das zu einer Leidenschaft entwickelt.“Und zu einer Einstellung zum Thema Müll, die Ressourcen rettet. Alle Teile der Serie „Unser Müll“, die bisher erschienen sind, finden Sie in einem Dossier unter