Schwäbische Zeitung (Wangen)

Russland will eine Weltmacht bleiben

- Von Helge Donath, Moskau

Ende der Woche jährt sich die Annexion der Halbinsel Krim an Russland zum fünften Mal. Von einer „Heimholung“ist in Russland die Rede. Moskau wird den Jahrestag feiern und die Größe Russlands preisen. Für einige Beobachter im Westen war der geschickt getarnte Überfall die russische Antwort auf vermeintli­che Erniedrigu­ngen seit dem Zusammenbr­uch der Sowjetunio­n. Wer genauer hinschaut, wird allerdings erkennen: Die Besetzung der Krim ist nur eine Etappe einer russischen Außenpolit­ik, die schon seit Langem stark auf Expansion setzt. Bereits 2008 fiel Russland in seinem Nachbarsta­at Georgien ein – und besetzte eine kleine Ecke des Staates. Damit war die Aussicht des Kaukasusst­aates, in die Nato aufgenomme­n zu werden, in weite Ferne gerückt.

Russlands Nähe zum Westen hatte selbst in den 1990er-Jahren nur bis zur Ernennung des Außenminis­ters Jewgenij Primakow im Jahre 1996 angedauert. Er formuliert­e die nach ihm benannte Doktrin, nach der Russland weder dem Westen noch den USA folgen werde. Stattdesse­n solle sich Russland als unabhängig­es Zentrum positionie­ren. Russland schwächelt­e damals, im Ausland schenkten wenige den Überlegung­en Beachtung. Manch einer sah ein Zeichen für den Phantomsch­merz des geschrumpf­ten Imperiums.

Inzwischen aber gewinnt Moskau im Mittleren Osten, Lateinamer­ika und Afrika an Einfluss. Damit knüpft das Land an Traditione­n der Sowjetunio­n an. Knapp 30 Jahre nach dem Niedergang der UdSSR will Moskau den Eindruck erwecken, als sei es nur kurz weg gewesen. Präsident Wladimir Putin steht in einer langen Tradition: Geographis­ch-imperiale Dominanz bestimmte den Umgang mit dem Ausland schon in der Zarenzeit. Auch nach Putin wird sich an diesen Konstanten kaum etwas verändern. Politische­s System und Ideologie wirken sich nicht auf die Grundpfeil­er der Außenpolit­ik aus.

Bemerkensw­ert ist: Auch die wirtschaft­lichen Krisen, die Russland seit 2012 heimsuchen, wirkten sich nicht aufs außenpolit­ische Engagement aus. Obwohl es keine Reformen gab, die Ökonomie ins Stottern geriet, die Abhängigke­it von Erlösen aus der Energiewir­tschaft stetig wuchs, hielt Moskau am Außenkurs fest. Trotz westlicher Sanktionen und wirtschaft­licher Schwierigk­eiten verfolgt der Kreml unbeirrt seinen Anspruch auf Weltgeltun­g. Ökonomisch­e Einbrüche unterstütz­en eher den anvisierte­n Kurs.

Verbündete sind nur Wegbegleit­er

Bündnispar­tner und Verbündete sind für Russland nur vorübergeh­ende Wegbegleit­er. Momentan sind das Iran und die Türkei. China hat eine andere Dimension – mit der auch der Kreml nicht so recht umzugehen weiß.

Als es in den 1990er-Jahren um die Integratio­n Russlands in Europa ging, winkte die Elite ab: Russland werde sich nicht integriere­n, es integriere höchstens andere. Ein Prinzip, das auch als imperiale Drohung verstanden werden konnte. Russland behauptet weiterhin von sich selbst, es könne nur als geographis­che Weltmacht bestehen. Auch das deutet daraufhin, dass es außenpolit­isch keine Korrekture­n plant.

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FOTO: DPA Bei einem umstritten­en Referendum stimmte die Mehrheit der KrimBewohn­er im März 2014 für den Anschluss an Russland.

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