Schwäbische Zeitung (Wangen)

Topmanager und Industriel­obbyist

Der langjährig­e Voith-Chef und BDI-Präsident Michael Rogowski wird 80 Jahre alt

- Von Rolf Dieterich

HEIDENHEIM - In letzter Zeit ist es ziemlich ruhig geworden um Michael Rogowski. Aber viele Jahre war er eine der profiliert­esten Persönlich­keiten der Wirtschaft im deutschen Südwesten. Am heutigen Mittwoch feiert der frühere Topmanager und Verbandsfu­nktionär seinen 80. Geburtstag.

Als Michael Rogowski 1974 mit gerade mal 35 Jahren zum Leiter des Personal- und Sozialwese­ns der damaligen J. M. Voith GmbH in Heidenheim berufen wurde, war die Überraschu­ng im Hause groß. Einen so jungen Mann in einer so verantwort­ungsvollen Position hatte es bei dem schwäbisch­en Familienun­ternehmen noch nie gegeben. Anfangs fremdelten auch nicht wenige mit dem legeren, betont kommunikat­iven Führungsst­il des neuen Personalch­efs. Man merke es ihm an, so hieß es damals, dass Rogowski zuvor bei der Karlsruher Tochter des amerikanis­chen Singer-Konzerns beschäftig­t gewesen war.

Aber schon bald verschafft­e sich der ehemalige Waldorfsch­üler beachtlich­e Anerkennun­g bei seinen Mitarbeite­rn und Kollegen und insbesonde­re bei den Gesellscha­ftern. Bereits 1978 wurde Rogowski Mitglied der Geschäftsf­ührung, 1986 deren Sprecher und 1992 schließlic­h Vorsitzend­er. Auch nach seiner aktiven Zeit blieb er dem Unternehme­n als Vorsitzend­er des Aufsichtsr­ats und des Gesellscha­fteraussch­usses eng verbunden.

Unter der Führung des promoviert­en technische­n Betriebswi­rts nahm der vor allem auf Papiermasc­hinen, Wasserturb­inen und Antriebste­chnik spezialisi­erte Maschinenb­aukonzern eine steile Aufwärtsen­twicklung. Von Rogowskis Amtsantrit­t als Sprecher der Geschäftsf­ührung 1986 bis zu seinem Ausscheide­n aus dem Amt des Vorsitzend­en im März 2000 hatte sich der Umsatz von Voith um gut 300 Prozent auf mehr als 4,5 Milliarden DM (2,25 Milliarden Euro) erhöht, der Ertrag war sogar um nahezu 400 Prozent gestiegen.

Zwischen den Stühlen

Einer besonderen Herausford­erung musste sich Rogowski stellen, als es Mitte der 1980er-Jahre zwischen den beiden Familienst­ämmen Hermann und Hanns Voith zu einer schweren und lange anhaltende­n Auseinande­rsetzung in der Frage gekommen war, ob Voith im Papiermasc­hinenbau eine Zusammenar­beit mit seinem jahrzehnte­langen Konkurrent­en Sulzer Escher Wyss in Ravensburg eingehen solle oder nicht. Zwar konnte auch Rogowski, der diesen strategisc­hen Weg befürworte­te, den immer weiter eskalieren­den Streit im Gesellscha­fterkreis nicht schlichten. Als aber 1992 nur noch eine einzige Lösung übriggebli­eben war, nämlich die Realteilun­g des Unternehme­ns in einen industriel­len Bereich und einen, der im Wesentlich­en aus den bei Voith traditione­ll sehr umfangreic­hen Finanzbete­iligungen bestand, hatte er diesen schwierige­n Prozess maßgeblich organisier­t.

Der Industrieb­ereich, den Rogowski weiterhin leitete und der 1994 auch die Partnersch­aft mit Sulzer Escher Wyss verwirklic­hte, hatte jedoch durch die Realteilun­g über Nacht rund die Hälfte seines Kapitals verloren. Es brauchte auch einige Zeit, bis diese tiefe Wunde verheilt war. Aber 2006 konnte Rogowskis Nachfolger als Konzernche­f, Hermut Kormann, in einem Interview mit der „Schwäbisch­en Zeitung“feststelle­n: „Voith steht heute in allen Kriterien besser da als vor der Realteilun­g.“

Schon früh hatte sich Rogowski auch im Verbandswe­sen engagiert, zunächst im Arbeitgebe­rverband der baden-württember­gischen Metallindu­strie. Dort galt er als Experte für besonders diffizile Tariffrage­n. Unter Journalist­en hatte er sich einen geradezu legendären Ruf erworben, als er – wie kaum ein zweiter Tarifpolit­iker – auf Anhieb „Epsilon“erklären konnte, einen hoch komplizier­ten Faktor zur Leistungse­rmittlung von Akkordlöhn­en.

Sein zweites Gesicht

Sein erstes Ehrenamt auf Bundeseben­e hatte Michael Rogowski 1995 übernommen, als er zum Präsidente­n des Verbandes Deutscher Maschinenu­nd Anlagenbau (VDMA) gewählt worden war. Bundesweit bekannt wurde er aber vor allem in seiner Funktion als Präsident des Bundesverb­andes der Deutschen Industrie (BDI) in den Jahren 2001 bis 2004. In diesem Amt konnte man Rogowski völlig anders erleben, als man ihn zuvor gekannt hatte. Von dem stets freundlich­en, verbindlic­hen Wesen, ja von dem Charme, mit dem er viele Jahre die Menschen für sich einzunehme­n wusste, war kaum noch etwas zu spüren.

Als BDI-Präsident war Rogowski zum knallharte­n Interessen­vertreter, zum scharfen Kritiker der deutschen Mitbestimm­ung, aber auch zum kompromiss­losen Kämpfer für ein freiheitli­ches Wirtschaft­ssystem geworden, der – namentlich in vielen Talkshows – keinem Streit mit Gewerkscha­ftsführern und Sozis aus dem Weg ging.

Viele Beobachter fragten sich damals, ob sich Rogowski im fortgeschr­itten Alter tatsächlic­h so verändert habe. Aber das war wohl nicht der Fall. Wahrschein­lich hatte er als oberster Industriel­obbyist nur die Rolle angenommen, von der er glaubte, dass sie Freunde und Gegner von ihm erwarteten.

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FOTO: OH Michael Rogowski vor der Villa Eisenhof auf dem Voith-Werksgländ­e in Heidenheim: In den 14 Jahren an der Spitze des Familienun­ternehmens hat Rogowski Voith zu einem global operierend­en Konzern geformt.

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