Geständnis mit Einschränkungen
Angeklagter räumt im Fall Susanna Mord ein, leugnet aber eine Vergewaltigung
WIESBADEN (dpa) - Als Ali B. schildert, wie er die 14-jährige Susanna umgebracht hat, wird es im voll besetzten Saal des Wiesbadener Landgerichts ganz still. Schleppend beschreibt der irakische Flüchtling den Tag im Mai letzten Jahres: Wie sich das Treffen mit der Schülerin entwickelte. Dann den Tod des Mädchens. Warum Susanna sterben musste, darauf hat der 22-Jährige beim Prozessauftakt am Dienstag vor Gericht keine Antwort: „Ich weiß nicht, wie das geschehen konnte.“
Susannas Mutter, die als Nebenklägerin auftritt, kann während der Schilderungen die Tränen nicht zurückhalten. Ganz in Schwarz gekleidet, beobachtet die Frau mit den langen schwarzen Haaren immer wieder minutenlang B., wie er seine Sicht der Dinge schildert. „Das ist sehr belastend für meine Mandantin“, sagt die Nebenklage-Anwältin Petra Kaadtmann. Die Mutter sei in psychotherapeutischer Behandlung und habe sich lange auf das Verfahren vorbereitet.
Die Staatsanwaltschaft wirft B. vor, Susanna vergewaltigt und ermordet zu haben. Mordmotiv: Heimtücke zum Verdecken der Tat. Dass er das Mädchen erwürgt hat, gesteht der 22-Jährige nun auch vor Gericht. Er behauptet aber, wie auch schon in den Vernehmungen nach seiner Verhaftung, der Sex sei einvernehmlich gewesen. Anders als in seinen bisherigen Aussagen spricht er davon, dass ihm unmittelbar vor der Tat schwarz vor Augen geworden sei. „Das ist neu“, sagt Staatsanwältin Sabine Kolb-Schlotter.
B. erscheint in grauer Hose vor Gericht, über einen hellblauen Pullover hat er ein graues T-Shirt gezogen. Er habe Susanna etwa drei Monate gekannt, sei auch mal mit ihr Hand in Hand spazieren gegangen. Vor der Tatnacht sei bei einem Treffen mit noch einem Bekannten viel Alkohol geflossen, auch habe es Marihuana gegeben, berichtet der junge Mann mit leiser Stimme. Anschließend sei er mit ihr ins Feld gegangen. Auf seine erste Frage nach Sex habe Susanna noch Nein gesagt, bei der zweiten Frage jedoch zugestimmt. Danach sei die Situation eskaliert. In der Nacht habe es keine Busverbindung mehr in die Stadt gegeben, das Mädchen sei auf dem Fußweg gestürzt und es habe Streit gegeben, sagt Ali B. auf die Vielzahl der bohrenden Fragen des Vorsitzenden Richters Jürgen Bonk. Er habe dann den Arm um Susannas Hals gelegt, „zwei, drei, vier Minuten. Ich weiß nicht, wie das geschehen konnte. Vor meinen Augen war es dunkel, schwarz“.
Nachdem sie gestorben sei, so B., habe er die Leiche in einem Erdloch verscharrt und sich aus Angst für einige Tage in Frankreich versteckt. Als Richter Bonk hartnäckig nachfragt, was in den Tagen bis zur Flucht in den Irak passiert ist, berichtet B. noch von einer Übernachtung bei zwei Freunden in der Nähe von Frankfurt am Main und bricht dann seine Aussage abrupt ab. „Heute möchte er keine Angaben mehr machen“, sagt sein Anwalt. Ob er seine Aussage zu einem späteren Zeitpunkt der Verhandlung fortsetze, sei offen.
Entschuldigung ohne Blickkontakt
Die Staatsanwaltschaft nimmt B. seine Version des Tathergangs nicht ab. Die aus Mainz stammende Susanna habe sich bereits während des Treffens mit dem Kumpel von B. unwohl gefühlt. Die 14-Jährige habe über ihr Handy an eine Bekannte geschrieben, dass sie Angst habe und eine Übernachtungsmöglichkeit suche. Als Susanna nach der Vergewaltigung gedroht habe, zur Polizei zu gehen, habe B. sie von hinten erwürgt.
Der 22-Jährige spricht gebrochen Deutsch, versteht viele Fragen des Vorsitzenden Richters auch ohne Dolmetscher. Blickkontakt mit Susannas Mutter vermeidet der Flüchtling – auch in dem Moment, als er sich für die Tat entschuldigt. Beim Gang in den voll besetzten Gerichtssaal am Morgen verdeckt B. sein Gesicht vor dem Blitzlichtgewitter der Fotografen hinter seinen Händen.
Susannas Hilferuf per Handy an die Bekannte blieb nach den Worten der Nebenklageanwältin Petra Kaadtmann ohne Reaktion. „Es wäre wohl die letzte Gelegenheit gewesen, ihren Tod zu verhindern.“