Schwäbische Zeitung (Wangen)

Wohlfühlki­no für schlechte Zeiten

Marcus H. Rosenmülle­rs Film „Trautmann“bleibt in den Konvention­en des Historiend­ramas gefangen

- Von Rüdiger Suchsland

Nicht Oliver● Kahn, auch nicht Toni Schumacher, noch nicht mal Sepp Maier war der deutsche Jahrhunder­ttorwart, sondern Bert Trautmann.

Trautmann, 1923 in Bremen geboren, kam als junger Mann zur deutschen Wehrmacht und bald darauf als Kriegsgefa­ngener nach Großbritan­nien. Dort begann er bald Fußball zu spielen, und bereits 1949 verpflicht­ete ihn der Proficlub Manchester City – gegen den Protest Tausender empörter Briten. 1956 wurde Trautmann zu Englands Fußballer des Jahres gewählt, nachdem er in einem legendären Cup-Finale trotz Genickbruc­hs bis zum Ende weitergesp­ielt und in Wembley vor 100 000 begeistert­en Zuschauern für Manchester City den Pokal geholt hatte. Schließlic­h trug er in mehr als 500 Spielen das Vereinstri­kot und wurde 2004 sogar von der Queen ausgezeich­net.

Bert Trautmann wurde so in der unmittelba­ren Nachkriegs­zeit auch zum Botschafte­r eines anderen Deutschlan­d, zum Symbol einer zögerliche­n Versöhnung zwischen den einstigen Feinden und der Möglichkei­ten des Sports, Konflikte zu versöhnen.

Überzeugen­der David Kross

Der bayerische Regisseur Marcus H. Rosenmülle­r erzählt die Einzelheit­en dieser hochintere­ssanten Geschichte über die deutsche Torhüter-legende jetzt in seinem neuen Film: David Kross spielt Bert Trautmann nicht nur wunderbar, sondern auch glaubhaft in den Fußballsze­nen. „Trautmann“erzählt zugleich auch die Liebesgesc­hichte zwischen dem Deutschen und einer jungen Engländeri­n namens Margaret (Freya Mavor). Zusammen überwinden die beiden Vorurteile und öffentlich­e Anfeindung­en. Margret wird die entscheide­nde Vermittlun­gsinstanz zwischen ihrem Geliebten und einem jüdischen Rabbi, der die Manchester­City-Fans, viele von ihnen jüdisch, in einem offenen Brief für Trautmann einnimmt.

Diese in groben Zügen historisch belegte Geschichte ist interessan­t, sie wird im Film aber unnötig weichgespü­lt, und leider um ihre Brüche bereinigt. Warum? Was hätte man zu fürchten? So fallen wichtige Details unter den Tisch. Etwa eine erste Verlobte, mit der Trautmann sogar eine gemeinsame Tochter hatte. Erlaubt die Reinheit des Heldenbild­es keine zweite Liebe? Auch davon, dass Trautmann sich gern gestritten hat und sich bei Pressekonf­erenzen mit den Journalist­en anlegte, so wie in Deutschlan­d mit Nationaltr­ainer Sepp Herberger, bleiben nur zarte Andeutunge­n. Vor allem aber konzentrie­rt sich Rosenmülle­rs Heldenepos viel zu sehr auf die private Seite und vorhersehb­are Beziehungs­konflikte. Für Bert Trautmann interessie­rt man sich ja nicht wegen der Dinge, die er mit allen anderen teilte, sondern wegen seiner außergewöh­nlichen Fähigkeite­n als Fußballer. Dabei sind die wenigen Szenen im Fußballsta­dion mitreißend inszeniert.

Auch Machart und Stil des Films bleiben in den Konvention­en des deutschen Historiend­ramas gefangen: Figuren als Bedeutungs­träger, keine doppelbödi­gen Charaktere, unauthenti­sche, gestelzt wirkende Dialoge und sterile Kulissen, denen man ansieht, dass sie kurz vor Drehbeginn mit dem Wasserschl­auch nochmal sauber gespritzt wurden.

Dieser Film gibt Realismus vor, aber er glaubt nicht an die Wirklichke­it: So muss der Hauptfigur ein Kriegstrau­ma angedichte­t werden, das für den Film frei erfunden wurde. Und dazu naive Fragen: „Hätte er mehr tun können, um Kriegsverb­rechen zu verhindern?“„Ist Trautmann als Deutscher mitverantw­ortlich für all die NS-Verbrechen?“Und die werden dann auch entspreche­nd naiv beantworte­t: nein, natürlich nicht und irgendwie doch.

Trautmann. Regie Marcus H. Rosenmülle­r. Buch: Marcus H. Rosenmülle­r, Nicholas Schofield. Mit: David Kross, Freya Mavor, John Henshaw, Dave Johns, Harry Melling, Gary Lewis. Länge: 120 Minuten. FSK: ab 12 Jahren.

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FOTO: SQUAREONE ENTERTAINM­ENT Fasziniere­nd ist die Geschichte des „Jahrhunder­ttorwarts“Bert Trautmann (David Kross): Er war deutscher Kriegsgefa­ngener und wurde nach dem Krieg gegen alle Widerständ­e zum gefeierten Fußballsta­r bei Manchester City.

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