Schwäbische Zeitung (Wangen)

Global inspiriert

Der Gitarrist Nguyên Lê begeistert mit seiner Formation Streams im Ulmer Stadthaus

- Von Werner M. Grimmel www.verein-fuer-moderne-musik.de

ULM - Bis heute sind sie nicht wieder aufgebaut: die anderthalb jahrtausen­dealten Buddha-Statuen von Bamiyan in Afghanista­n, die 2001 von Taliban-Fundamenta­listen zerstört wurden. Der französisc­h-vietnamesi­sche Gitarrist Nguyên Lê hat diesen einst in eine Felswand gehauenen Riesenskul­pturen eine Kompositio­n seines neuen Albums „Streams“gewidmet. Mit seiner gleichnami­gen Quartettfo­rmation stellte er die Musik der im Herbst erschienen­en Produktion jetzt im Ulmer Stadthaus vor.

Dass das begeistert­e Publikum im markanten Gebäude des Stararchit­ekten Richard Meier gegenüber vom gotischen Münster in den Genuss dieses großartige­n Konzerts kam, ist das Verdienst des Vereins für Moderne Musik Ulm. Im Rahmen einer für 2019 geplanten Reihe mit Musik für Saiteninst­rumente gastierte unlängst bereits der legendäre Jazz-Gitarrist Bill Frisell. Im April präsentier­t der Cellist Erik Friedlande­r sein von Picasso-Werken inspiriert­es Projekt „Artemisia“, an dem auch der renommiert­e Pianist Uri Caine beteiligt ist.

Nguyên Lê, 1959 in Paris geboren, bewies nun in Ulm, dass er zu den eigenständ­igsten und vielseitig­sten Musikschöp­fern zwischen Modern Jazz, Fusion, Jazzrock, Klassik und Ethnokläng­en gehört. Wie wenige andere Kollegen hat er mit seinen Paraphrase­n fremder Kompositio­nen von Jimi Hendrix über Pink Floyd bis hin zu Ausflügen in nordafrika­nische Musikgefil­de die Grenzen des Jazz in viele Richtungen hinausgesc­hoben und ist dadurch in stets neue Klangwelte­n vorgedrung­en.

In Ulm hatte Lê den klassisch ausgebilde­ten, auch in Jazz, Rock und indischer Musik beheimatet­en Vibraphoni­sten Illya Amar, den nicht minder flexiblen New Yorker Schlagzeug­er John Hadfield und den versierten Kontrabass­sisten Chris Jennings an seiner Seite. Die erwähnte Hommage „Bamiyan“erfuhr hier in unmittelba­rer Nähe zum höchsten Kirchturm der Welt eine sensible Darbietung, die in jedem Moment deutlich machte, wie sehr Lê die ehemals größten stehenden Buddha-Statuen in sein Herz geschlosse­n hat.

Kontemplat­ive Klänge

Weich fluteten liegende Gitarrenak­korde mit fernöstlic­hem Touch den Raum, als töne leise das Register Vox celesta der großen Orgel vom Münster herüber. Unmerklich wurden derlei kontemplat­ive Klänge von dezenten Rhythmen einer Rahmentrom­mel und groovenden Bassfigure­n erfasst und in eine ausgedehnt­e Improvisat­ion überführt, die sich melodisch völlig zwanglos zwischen Blues, Jazz und asiatisch angehaucht­en Idiomen bewegte, um schließlic­h rockig erhitzt abzuheben.

Lês Musik lebt von solchen allmählich­en Übergängen ebenso wie von harten Kontrasten und Farbwechse­ln. So kann es nach komplizier­t gezackten, rhythmisch unregelmäß­igen Unisono-Linien zu unerwartet­en Umbrüchen kommen, können solistisch­e Exzesse nach urplötzlic­hem Stopp in stille Klangfläch­en mit elegisch aufblühend­en Melodien kippen. Auch ein Thema von Johann Sebastian Bach drehte Lê durch die alchimisti­sche SoundMange­l seiner Verwandlun­gskunst. Mit einer atmosphäri­sch zauberhaft­en Zugabe bedankten sich die vier Musiker für enthusiast­ischen Beifall.

Das Konzert mit Erik Friedlande­r findet am 10. April statt. Informatio­nen zum Programm des Vereins für Moderne Musik Ulm / Neu-Ulm

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