Dabei sein ist teuer
500 Tage vor Beginn der Olympischen Sommerspiele in Tokio sind vor allem die drastisch gestiegenen Kosten Thema
TOKIO (SID) - Mehr Transparenz, mehr Nachhaltigkeit und mehr Bescheidenheit: Das hatten das Internationale Olympische Komitee (IOC) und sein Präsident Thomas Bach für die Sommerspiele Tokio 2020 versprochen. 500 Tage vor Olympia in Japan fehlt es jedoch an vielem. Vor allem aber sind die Kosten explodiert. Umgerechnet 22 Milliarden Euro teuer sollen laut Japans Rechnungshof die Spiele werden. Bei der Bewerbung war man noch von knapp sechs Milliarden Euro ausgegangen. Ein Schlag ins Gesicht des IOC, das mit Tokio ein Beispiel dafür schaffen wollte, wie man Spiele für Gastgeber wieder erschwinglicher gestalten kann – Stichwort „Agenda 2020“.
Sicherheitsvorkehrungen für die drohende Hitzewelle und mögliche Taifune sowie das Thema „Sportstätten“sollen die Gründe für die horrende Kostenexplosion sein. Die Organisatoren hatten im Dezember selbst einen Etat von 10,3 Milliarden Euro angegeben. Um Geld einzusparen, hat man die Kapazität des für ursprünglich 650 Millionen Euro geplanten futuristischen Olympiastadions von 80 000 auf 68 000 Plätze verringert. Die auf 1,8 Milliarden Euro (!) ausgeuferten Kosten sollten auf 1,22 Milliarden gesenkt werden. Und auch der Etat für andere Projekte (wie etwa die Schwimmarena) wurde reduziert.
Insgesamt werden für die zweiten Sommerspiele in Tokio nach 1964 43 Wettkampfstätten genutzt, 25 bestehende, zehn temporäre und acht neue dauerhafte Anlagen. Entsprechend der Vorgaben des IOC für mehr Nachhaltigkeit verzichtete das Organisationskomitee (OK) auf drei weitere neu zu errichtende dauerhafte Sportstätten. Bedingt durch das Sparprogramm werden Baseball- und Softballwettbewerbe im 240 Kilometer entfernten Fukushima stattfinden. Auch der Olympische Fackellauf soll ab März 2020 an dem Ort beginnen, an dem infolge des Tsunamis am 11. März 2011 und der daraus resultierenden Reaktorkatastrophe mehr als 18 500 Menschen ums Leben gekommen sind. Bei Menschenrechts- und Umweltorganisationen stößt dieses Vorhaben auf Kritik. Sie weisen auf anhaltende gesundheitliche Gefahren hin. IOC und OK sehen das anders.
Für die Beteiligten war und ist der Weg zum „Olympia des Wiederaufbaus“auch noch aus anderen Gründen steinig. Im September 2015 zog das OK das offizielle Logo zurück: Der Entwurf des Japaners Kenjiro Sano wies Ähnlichkeiten mit dem Logo des belgischen Theaters von Lüttich auf. Zwar wurde der Plagiatsvorwurf später fallen gelassen und Ende April 2016 das neue Logo vorgestellt – die Blamage jedoch blieb im Hinterkopf.
Für einen bitteren Beigeschmack sorgte zudem der Verdacht französischer Ermittler, Japans Olympia-Boss Tsunekazu Takeda habe knapp zwei Millionen Euro an eine BriefkastenFirma in Singapur überwiesen, damit Tokio den Zuschlag für die Spiele erhält. Japan hatte 2013 Madrid und Istanbul ausgestochen. Takeda wies jegliche Schuld von sich.
Im Februar erschütterte die Japaner zu allem Überfluss die Nachricht von der Leukämie-Diagnose ihrer Schwimmhoffnung Rikako Ikee. Die 18-Jährige hatte bei den Asienspielen 2018 in Indonesien als erste Schwimmerin der Geschichte sechs Goldmedaillen gewonnen und sollte das Gesicht der Spiele von Tokio werden – nun kämpft sie ums Überleben.