„Mir tun die Kerle leid“
Stadtförster erklärt die Hintergründe zum bei der Mohrenbrücke in Leutkirch gefilmten Biber
LEUTKIRCH - An der Kreuzung bei der Mohrenbrücke, mitten in der Leutkircher Innenstadt, wurde am Samstagfrüh gegen 7 Uhr ein Biber gefilmt, der dort auf dem Gehweg entlang lief. Die Aufnahme sorgte für Aufregung. Dabei ist die Sichtung des Wildtiers in diesem Bereich eigentlich gar nicht so ungewöhnlich, wie Leutkirchs Stadtförster Karl-Josef Martin erklärt.
Egal ob etwa Stadt- oder Repsweiher – laut Stadtförster Martin sind im Stadtgebiet von Leutkirch alle Gewässer, die als Lebensraum für Biber in Frage kommen, bereits durch das größte in Europa vorkommende Nagetier „besetzt“. Da es bei Bibern normal ist, dass die Jungtiere von ihren Eltern vertrieben werden, wenn sich neuer Nachwuchs ankündigt, müssen sich diese auf die Suche nach einem eigenen neuen Gewässer machen, erklärt Martin. Und dazu würden sie eben auch die Eschach als Weg nutzen, die sich direkt neben der Stelle befindet, an der am Samstag die
ANZEIGE Aufnahmen des Bibers gemacht wurden. Auch Martin selbst habe schon einen Biber über den gegenüberliegenden Postplatz laufen sehen.
Eschach kein tauglicher Lebensraum
Die Eschach selbst kommt für Biber als dauerhafter Lebensraum nicht in Frage, erklärt Martin. Dort sei zu viel Wasser, beziehungsweise oft eine zu starke Strömung. Außerdem ist das Ufer befestigt. „Die Jungtiere wandern die Eschach auf und ab und schauen, wo es weitergeht“, so Martin. Allerdings seien entlang der Eschach auch außerhalb des Leutkircher Stadtgebietes schon alle tauglichen Gewässer durch Artgenossen besetzt. „Mir tun die Kerle leid“, sagt Martin. Denn durch die dicht besiedelte Landschaft gebe es schlicht keine freien Lebensräume mehr für sie. Und dort, wo die Landschaft nicht so dicht besiedelt ist, etwa entlang der Wurzacher Ach, werden die Flächen landwirtschaftlich bis nah an den Bach hin bewirtschaftet, so Martin. Eine mögliche Lösung laut Martin wären mehr „naturbelassene Uferbereiche“. Aber er selbst weiß auch, dass das angesichts der immer knapper werdenden verfügbaren Flächen schwer umsetzbar ist. „Das ist eine schwierige Sache, die nicht leicht zu lösen ist.“
„Regulierung“durch Autoreifen
Dass die regionale Biberpopulation nicht durch gezielte Bejagung einzelner Jungtiere den verfügbaren Lebensräumen entsprechend angepasst werden kann, liegt daran, dass der Biber eine geschützte Tierart ist, erklärt der Stadtförster. Aber selbst wenn die Jagd auf ihn erlaubt wäre, wäre es schwer, gezielt die Jungtiere zu erlegen. Im Moment wird „die Population über die Autoreifen reguliert“, so Martin.
Laut dem Naturschutzbund Deutschland (Nabu) war der Biber in Baden-Württemberg lange Zeit verschwunden. Die letzten Biber hier wurden demnach um 1846 erlegt. Nach 130 biberlosen Jahren wurde Mitte der 1970er Jahre der erste Biber wieder in Baden-Württemberg an Hochrhein und Oberrhein gesichtet, erklärt der NABU Baden-Württemberg auf seiner Homepage.
Die Besiedelung Baden-Württembergs erfolgte laut Nabu aus Bayern entlang der Donau und aus der Schweiz entlang des Hochrheins. Heute – Stand Februar 2019 – ist er in allen vier Regierungsbezirke des Landes wieder heimisch und seine Population wird auf 35004000 Tiere (Stand Dezember 2016) geschätzt, so der Nabu.