Manchen zu scharf, anderen zu lasch
Mit dem Wolfs-Aktionsplan der Staatsregierung scheint keiner zufrieden
OBERALLGÄU - Jetzt ist keiner zufrieden: Vertretern von Landwirtschaft und Jagd ist der gestern veröffentlichte „Bayerische Aktionsplan Wolf“nicht weitreichend genug, Naturschützern dagegen zu scharf. Der Oberallgäuer Landrat Anton Klotz bemängelt: „Der Aktionsplan ist gut gemeint, aber für die Belange von Alp- und Weidewirtschaft sowie Tourismus nicht ausreichend.“
Dabei bezieht sich der Landrat nicht allein auf die Forderung, dass Landwirte schnell und unbürokratisch entschädigt werden, wenn Rinder sterben. Grundlegende Forderung sei, dass man einen Wolf sofort schießen kann, wenn er Schaden anrichtet. Das müsse ohne Gutachten und aufwändige Genehmigungsverfahren bei der Regierung gehen. Wenn man aber auf eine Genehmigung dränge, sollte das Landratsamt zuständig sein. „Ansonsten sind wir nicht handlungsfähig“, sagt Klotz.
Der Landesbund für Vogelschutz bedauert, dass es sich eher um einen Plan zur Wolfsabwehr handle und keine Hilfe zum Umgang mit dem Beutegreifer. Es gebe zu wenig konkrete Empfehlungen für Tierhalter zur Vorbeugung, zum Ablauf im Schadensfall und zum Vorgehen beim Abschuss. „Der Plan ist zu scharf und lässt viele Fragen offen“, sagt Gebietsbetreuer Henning Werth. Für ihn ist die Diskussion über nationale Zahlen zu kurz gegriffen. Das gehöre auf EU-Ebene, da Wölfe ein großes Aktionsgebiet hätten und sich nicht an Grenzen halten. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis sie sich weiter ausbreiten.
Werth hofft, dass das Leben mit Wölfen in vielen Gebieten ein Stück Normalität wird. Es funktioniere aber nur, wenn sich die Gesellschaft mit ihnen auseinandersetze und beispielsweise gewillt sei, Zäune aufzustellen. Bei der Alpwirtschaft sieht der Biologe kein riesiges Konfliktpotenzial, da auf Alpen selbst kein einziges Rind gerissen worden sei. Werth sagt, dass ein scheues Rudel sogar von Vorteil sein könne: Ältere Wölfe gäben ihr Wissen, wie man Wild jagt, an die jungen weiter. Und ein Rudel toleriere keine zusätzlichen Einzelgänger in seinem Revier.
Ob der Aktionsplan hält, was er verspricht, und hilft, Konflikte zu vermeiden? Dr. Michael Honisch, Geschäftsführer des Alpwirtschaftlichen Vereins, ist skeptisch. Die Wolfspopulation wachse exponentiell, nehme auch in Süddeutschland in den nächsten Jahren massiv zu. Doch während die Zahl der Wölfe um 30 Prozent wachse, sei die der Risse um 60 Prozent gestiegen. Honisch hält den Aktionsplan für einen Schritt in die richtige Richtung: Er lobt, dass man örtliche Stellen über Verdachtsfälle zügiger informieren und schneller zu Laborergebnissen bei DNAAnalysen kommen will.
Gut findet Honisch, dass größere Flächen als „nicht schützbare Weidegebiete“ausgewiesen werden könnten und da ein Abschuss leichter möglich wäre. Frage sei, wie man bei der Bewertung vorankommt und diese Flächen tatsächlich möglichst großräumig ausweist. „Wir wollen keine Vergitterung der Landschaft“, sagt Honisch – und auch keine aggressiven Schutzhunde.
Der Druck der Prädatoren
Aus Jagd-Sicht hält Jürgen Wälder, Geschäftsführer der Hochwild-Hegegemeinschaft, den Aktionsplan für zu wenig konkret. „Auf mittlere Sicht wird ohne Jagd ein natur- und menschenverträgliches Wolfsmanagement unmöglich sein.“Jäger befürchten zum Beispiel, dass RotwildFütterungen zur Selbstbedienungstheke für Raubtiere werden. Wenn sich wegen wachsenden „Prädatorendrucks“das Wild nicht mehr an Fütterungen traut, stiegen Schäl- und Verbissschäden auch im Schutzwald. Dann werde eine noch schärfere Jagd gefordert, folgert Wälder. Man wolle nicht, dass das Rotwild „zwischen naturfernen Illusionen vom friedfertigen Miteinander mit einem Großraubtier und einer zunehmend auf finanziellen Nutzen ausgerichteten Forstwirtschaft zerrieben wird“.