Heißes Eisen, spannend erzählt
Im Buch „Wütende Wölfe“greift Nicola Förg ein Thema auf, das Landwirte und Naturliebhaber hitzig diskutieren
PREM/KEMPTEN - „Was rumpelt und pumpelt in meinem Bauch herum? Ich meinte, es wären sechs Geißlein, so sind’s lauter Wackerstein!“(aus dem Grimm-Märchen „Der Wolf und die sieben Geißlein“)
Ja, dem Wolf wird übel mitgespielt – nicht nur in den Märchen der Gebrüder Grimm. „Der Wolf ist tot! Der Wolf ist tot!“, jubilieren am Ende die sieben Geißlein samt ihrer Mutter, der alten Geiß. Und im „Rotkäppchen“zieht der Jäger schließlich dem Wolf den Pelz ab, nachdem er Großmutter und Enkelin aus dessen Bauch gerettet hatte. Der böse Wolf treibt seit Menschengedenken sein Unwesen in der Literaturgeschichte – und sein Image ist schlecht. Im 20. Jahrhundert taucht er zudem in gruseligen Horrorfilmen auf: Menschen verwandeln sich in Werwölfe – auch Pop-Star Michael Jackson mutiert im Video seines Mega-Hits „Thriller“zum Werwolf. Der Wolf lehrt uns neuerdings ganz real das Fürchten: Allgäuer Hirten und Landwirte sehen sich durch die Rückkehr des wildernden Vierbeiners in ihrer Existenz bedroht und fordern seinen Abschuss und Natur- und Tierschützer halten dagegen. Für eine Schriftstellerin wie Nicola Förg, die in ihren Krimis aktuelle Entwicklungen in Landwirtschaft, Tourismus, Natur- und Umweltschutz aufgreift, ist die Wolfsdebatte ein gefundenes Fressen. „Wütende Wölfe“ist der Titel ihres neuen facettenreichen und spannenden Romans, der sich aber auch um andere Dinge dreht.
Am Anfang stand die Recherche zur Alpwirtschaft
Ursprünglich recherchierte die Journalistin, die mit Mann und allerlei Getier wie Katzen, Hunden, Pferden, Karnickel und Bienen auf einem idyllisch gelegenen Bauernhof in Prem (bei Lechbruck/Ostallgäu) lebt, über die Problematik der verschwindenden Alpwirtschaft. Überall dort, wo kein Vieh mehr weidet, erobern nämlich Sauerampfer, Huflattich, giftiges Kreuzkraut und schnell wachsender Ahorn die Böden, sagt die 56-Jährige. Als Folge schwinde die Artenvielfalt. „Ohne Beweidung gibt es keine bunten Almwiesen.“
Ein Grund ist für Nicola Förg, dass im Tal oft nur noch mit Laufställen gewirtschaftet werde. Und das wiederum bedeute das Ende für manche Alpen. Mit Nachdruck plädiert sie für eine Kehrtwende in der Subventionspolitik. Man müsse die Kleinen belohnen, dass sie klein bleiben und ihre Tiere artgerecht halten. „Ich will eine kleinteilige Landwirtschaft, die es kleinen Bauern ermöglicht, von ihren Erzeugnissen zu leben.“
Die Geschichte der Brunnenkopfalm im Naturschutzgebiet Ammergebirge diente Förg als Rahmen für ihren neuen Krimi: 60 Jahre lang kümmerte sich niemand mehr um die Beweidung. Nicht nur die Artenvielfalt in diesem Gebiet litt darunter; die Böden verfilzten, was das Eindringen von Wasser erschwert. Ein Forschungsprojekt ermöglichte 2018 die erfolgreiche Wiederbelebung der Alpe, erzählt Förg.
Auf so eine Modell-Alpe verschlägt es in ihrem neuen Krimi Irmi Mangold. Die Kommissarin braucht eine Auszeit: Ihr letzter Fall ging ihr an die Nieren, ihr Bruder will überraschend heiraten, und da steht auch noch ihr 60. Geburtstag bevor. So wird aus der Ermittlerin eine Hirtin auf der „Bäckenalm“– die ganz in der Nähe der 1300 Meter hoch gelegenen, auch bei Allgäuer Wanderern beliebten Kenzenhütte liegt. Doch eines Nachts verunsichert Wolfsgeheul die Tiere, und am Morgen finden sich merkwürdige Pfotenabdrücke. Die Ereignisse überschlagen sich: Eine Wanderin wird von Kühen niedergetrampelt, und Mangold findet einen Toten in einem Schlageisen. Der Wolf treibe sein Unwesen, heißt es schnell. Und dann sorgt auch noch ein Wolf-Symposium auf der Kenzenhütte für Unruhe. Irmi Mangold ist gemeinsam mit ihrer Kollegin Kathi Reindl schnell wieder in ihrem Element.
Förg: „Wolfsdebatte ist ethisch schwierig“
Geschickt lässt Nicola Förg in ihrem zehnten Mangold-Reindl-Krimi Wolfs-Gegner und -Befürworter aufeinandertreffen. Persönlich hält sie die aktuelle Wolfsdebatte für „ethisch schwierig“. „Wir können nicht Sinn und Unsinn von Spezies anzweifeln“, sagt die Allgäuerin, die als engagierte Tier- und Umweltschützerin mehrere Preise erhielt. Radikale Positionen und SchwarzWeiß-Malerei lehnt Förg ab. Der Wolf tauge nicht als Symbol für die Rückkehr der Wildnis; genauso indiskutabel sei die Forderung nach einer gnadenlosen Bejagung. „Wir müssen beim Wolf Einzelfall-Entscheidungen treffen“, sagt sie.
Für die Dämonisierung des Wolfes hätten gerade auch die Gebrüder Grimm viel getan. Märchen wie Rotkäppchen oder auch Struwwelpeter habe sie gehasst. „Ich fand sie fürchterlich, grausam und brutal“, sagt die Bestseller-Autorin, die in Kempten und Oberstaufen aufwuchs und deren Bücher eine Gesamtauflage von über 1,6 Millionen haben. „Ich fand es, glaube ich, nicht richtig, dass man mich als Kind auf so billige Weise manipulieren wollte.“
Der zehnte Fall von Irmi Mangold und Kathi Reindl soll nicht der letzte sein. Noch ein ganz anderes Buch kündigt Nicola Förg für dieses Jahr an: ein Weihnachtsbuch, das in Irland spielt. Gut gelaunt und romantisch und auch ein wenig kitschig werde es sein – also ganz anders als die „Wütenden Wölfe“.