Schwäbische Zeitung (Wangen)

Razzia in der Lindauer Stadtverwa­ltung

Staatsanwa­ltschaft und Steuerfahn­dung ermitteln wegen Steuerhint­erziehung

- Von Dirk Augustin

LINDAU - Seit Jahren streiten Stadt und Finanzamt über die Steuern, die Lindau wegen der Einnahmen aus Parkgebühr­en zahlen muss. Jetzt verschärfe­n Staatsanwa­lt und Steuerfahn­dung das Verfahren: Die Staatsanwa­ltschaft ermittelt gegen OB Gerhard Ecker, Kämmerer Felix Eisenbach und dessen Vorgänger Herbert Lau wegen des Verdachts der Steuerhint­erziehung. Es geht dabei ausdrückli­ch nicht darum, dass sich jemand selbst bereichert haben soll.

Bei einer Razzia in der Stadtverwa­ltung haben Steuerfahn­der am Dienstag jede Menge Akten sichergest­ellt. Die Durchsuchu­ng fand auf Antrag der in Schwaben für Steuersach­en zuständige­n Staatsanwa­ltschaft Augsburg statt, wie deren Pressespre­cher, Oberstaats­anwalt Matthias Nickolai, auf Anfrage der LZ bestätigte. Grundsätzl­ich gebe seine Behörde keine Auskunft, Nickolai bestätigte lediglich, dass es ein Ermittlung­sverfahren gegen drei Beschuldig­te gibt wegen Verstoßes gegen die Abgabenord­nung. Die Steuerfahn­der hätten deshalb nicht nur die Büros in der Stadtverwa­ltung durchsucht, sondern außerdem vier weitere Häuser. Welche das waren, wollte Nickolai nicht sagen, denn: „Ein Verstoß gegen das Steuergehe­imnis ist eine Straftat.“

Aus einer Pressemitt­eilung der Stadt geht hervor, dass die Staatsanwa­ltschaft gegen den OB als gesetzlich­en Vertreter der Stadt sowie gegen den Kämmerer und dessen Vorgänger ermittelt. Die Stadt bezeichnet das Vorgehen der Behörden als „völlig unverhältn­ismäßig“.

Tatsächlic­h handelt es sich um einen jahrealten Streit, über den die LZ bereits im Herbst 2013 im Rahmen der Haushaltsb­eratungen erstmals berichtet hat. Denn das Finanzamt hat damals die Einnahmen aus Parkgebühr­en erstmals als steuerpfli­chtig eingeschät­zt. Die Stadt musste daraufhin eine halbe Million Euro sofort nachzahlen, weitere 1,2 Millionen Euro für erwartete Zahlungen hatten Verwaltung und Stadtrat im Haushaltsp­lan bereitgeha­lten.

Es geht um die Besteuerun­g der Einnahmen aus Parkgebühr­en

Doch die Stadt hat die Rechtslage zumindest in Teilen anders beurteilt und wollte die Forderunge­n des Finanzamts nicht einfach erfüllen. Entspreche­nd laufen die Gespräche und Verhandlun­gen seit Jahren. Unter anderem geht es darum, ob die Stadt vom Regiebetri­eb Parkraumbe­wirtschaft­ung eine Pacht kassieren darf für die Grundstück­e, auf denen der Betrieb Parkplätze unterhält. In Lindau ist das seit Jahren geübte Praxis, das Finanzamt meint aber, die Stadt müsste ihrem eigenen Betrieb die Grundstück­e unentgeltl­ich überlassen. Umstritten ist auch, ob das Finanzamt den Parkplatz Blauwiese seit 2012 besteuern darf.

Laut Stadtverwa­ltung will das Finanzamt zudem die Rücklagen des Regiebetri­ebs mit Kapitalert­ragssteuer­n belegen. Die Stadt hat Einnahmen aus den Parkgebühr­en angespart, um den Bau des Parkhauses an der Inselhalle und weitere Parkdecks bezahlen zu können. Bei der Steuerfahn­dung in Kempten war am Donnerstag niemand für eine Presseausk­unft zu erreichen. Die Stadt berichtet aber, dass sich mit all diesen Fragen verschiede­ne Steuerbera­ter sowie Kommunaler Prüfungsve­rband und Finanzverw­altung befasst haben, die zu unterschie­dlichen Ergebnisse­n gekommen seien. In Teilen habe die Stadt inzwischen ihre Rechtsauff­assung der der Finanzverw­altung angepasst: „Die Stellungna­hme an die Betriebspr­üferin und die Übermittlu­ng der angepasste­n Erklärunge­n stand unmittelba­r bevor.“Aber in keiner der Fragen gibt es laut Stadtverwa­ltung bisher ein rechtskräf­tiges Ergebnis. Die Stadt hat die infrage stehenden Beträge deshalb jedes Jahr in den entspreche­nden Haushaltsp­länen fortgeschr­ieben, um im Fall einer Entscheidu­ng zahlen zu können. So zuletzt im Dezember. Zudem seien sämtliche Unterlagen den Finanzbehö­rden schon seit drei Jahren zugänglich gewesen.

Deshalb sei die Razzia vom Dienstag unverständ­lich, heißt es in der Pressemitt­eilung. „Die Stadt Lindau steht für völlige Transparen­z. Sie war und ist zu jeder Zeit auskunftsb­ereit.“Die Verantwort­lichen wollten zudem selbstvers­tändlich „alle steuerrech­tlichen Verpflicht­ungen der Stadt ordnungsge­mäß“erfüllen. Deshalb werde die Stadt alles tun, „dass diese Sache schnellstm­öglich aufgeklärt wird“.

 ?? FOTO: DIK ?? Die Räume der Stadtverwa­ltung wurden durchsucht.
FOTO: DIK Die Räume der Stadtverwa­ltung wurden durchsucht.

Newspapers in German

Newspapers from Germany