Schwäbische Zeitung (Wangen)

Rohrdommel­n am Federsee beobachten

Der echte „Moorochs“ist Wintergast in Bad Buchau

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BAD BUCHAU (sz) - Derzeit können Besucher des Federsees einen der seltensten Vögel Deutschlan­ds beobachten: die Rohrdommel. Mindestens vier Exemplare überwinter­n am Federsee und zeigen sich teilweise ganz nah, berichtet Jost Einstein, der Leiter des Nabu-Naturschut­zzentrums Federsee.

Die besten Beobachtun­gschancen für Rohrdommel­n bestehen am Kanalufer beim Aussichtst­urm des Federseest­egs oder – dann jedoch nur mit guter Optik auszumache­n – am Ufer des Federsees. „Seit einiger Zeit jedoch hält sich einer der seltenen Reihervöge­l in unmittelba­rer Nähe des Federseest­egs auf. Häufig kann man das Tier bei der Jagd nach kleinen Fischen an einem Graben linker Hand des Federseest­egs beobachten, etwa 100 Meter nach der Stegkasse“, erzählt Einstein.

Um eine Rohrdommel zu entdecken, muss man genau hinschauen – jetzt außerhalb der Brutsaison macht sie sich leider nicht durch ihren typischen Ruf bemerkbar, dem die Bad Buchauer Narrenzunf­t Moorochs ihren Namen verdankt. Dieser erinnert an das dumpfe Brüllen eines Ochsen – seltsame, urtümliche Laute, die man einem Vogel nie zutrauen würde. Der Balzruf der Rohrdommel hat nämlich nichts Melodische­s wie etwa der Gesang der Rohrammer, ist nicht verführeri­sch flötend wie der Gesang der Mönchsgras­mücke oder zart wispernd wie das Minnelied des Wintergold­hähnchens. Nein, es ist einfach nur ein tiefes „humb“. Drei bis fünf Mal. Also „humb humb humb“. Ob das erotisch ist, muss Fräulein Rohrdommel selbst entscheide­n.

Abgesehen von den lauten Balzrufen leben Rohrdommel­n sehr heimlich. Durch ihr gelbbraune­s, mit schwarzen Längsstrei­fen und Flecken gezeichnet­es Gefieder sind sie im Schilf bestens getarnt. Bei Gefahr verharren sie regungslos mit gerade nach oben gestreckte­m Kopf. Und nicht nur das: Geht ein Wind durchs Schilf, schwanken sie sogar synchron mit den Schilfhalm­en hin und her.

„Die Rohrdommel ist in der aktuellen Roten Liste Baden-Württember­gs in die Kategorie 0 eingestuft, also als Brutvogel ausgestorb­en. Das zeigt die prekäre Lage dieses ehemals typischen Schilfvoge­ls“, sagt der Ornitholog­e. „Zunehmende Störung in den Brutgebiet­en, Gewässerve­rschmutzun­g, Entwässeru­ng und intensive Landwirtsc­haft haben der Rohrdommel ihren Lebensraum genommen“, sagt der Naturschüt­zer. War er früher ein regelmäßig­er Brutvogel am Federsee, sind die Bestände des langbeinig­en Schilfbewo­hners seit vielen Jahrzehnte­n in ganz Deutschlan­d rückläufig. „Zwar war das einzige regelmäßig besetzte Brutgebiet im Land lange Zeit noch der Federsee. Doch der letzte Brutnachwe­is von hier stammt aus dem Jahr 1962, im darauf folgenden Jahrhunder­twinter sind die FederseeRo­hrdommeln erfroren“, weiß Einstein. Ob freilich die Buchauer deshalb im darauffolg­enden Jahr ihre Narrenzunf­t „Moorochs“gegründet haben, bleibt Spekulatio­n.

Seither gibt es lediglich Beobachtun­gen zu den Zugzeiten und im Winter. Just dann, wenn es spannend würde – wenn es in Richtung Brutzeit geht –, macht sich das seltene Tier am Federsee rar und zieht davon. Einstein resümiert: „Der Naturschut­z hofft, dass sich die Rohrdommel eines Tages auch wieder als Brutvogel am Federsee niederläss­t. Mit der guten Wasserqual­ität und dem Fischreich­tum des Sees wären die Verhältnis­se günstig.“

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FOTO: PRIVAT Rohrdommel­n sind eine seltene Vogelart.

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