Schwäbische Zeitung (Wangen)

Sozialarbe­it an den Schulen boomt

Zahl der Stellen seit 2012 verdoppelt – Kommunen fordern vom Land Millionen

- Von Kara Ballarin

STUTTGART (kab) - Seit 2012 hat sich die Zahl der Stellen für Schulsozia­larbeiter im Südwesten von 800 auf aktuell rund 1800 mehr als verdoppelt – und die Steigerung soll weitergehe­n. Laut Experten liege das an den Schülern, die immer mehr Probleme mit in die Schule bringen. Weiterer Faktor sei, dass sich das Land seit 2012 wieder finanziell beteiligt. Die Kommunen als Schulträge­r fordern vom Land, ein Drittel der Kosten wie versproche­n zu tragen. Wegen Personalko­stensteige­rung seien es aktuell 20 bis 25 Prozent.

STUTTGART - Es hat sich etwas verändert in Baden-Württember­g: Waren Sozialarbe­iter an Schulen früher ein Signal für Probleme, sind sie heute ein Gütesiegel. Entspreche­nd hat sich ihre Zahl seit 2012 mehr als verdoppelt. Das hat auch mit Geld vom Land zu tun. Dessen Förderung läuft Ende des Jahres aus. Die Städte und Gemeinden als Schulträge­r fordern nun von Sozialmini­ster Manfred Lucha (Grüne): Es brauche eine faire Finanzieru­ng. Die wäre teuer.

„Vom Ursprungsg­edanke war Schulsozia­larbeit lange mit einem Makel behaftet“, sagt Marion Steck vom Kommunalve­rband Jugend und Soziales (KVJS). Die Leiterin des Referats Jugendsozi­alarbeit ist auch für Schulsozia­larbeit im Land zuständig. „Schulsozia­larbeiter arbeiteten lange nur an sogenannte­n Brennpunkt­schulen. Heute ist Schulsozia­larbeit ein Qualitätsm­erkmal, mit dem alle Schulen werben können.“

Für Norbert Brugger, Bildungsde­zernent des Städtetags, hat das auch mit der grün-roten Vorgängerr­egierung zu tun. Diese hat bald nach Aufnahme der Regierungs­arbeit 2011 beschlosse­n, die Schulsozia­larbeit mitzufinan­zieren. Das Land zahlte künftig ein Drittel der Personalko­sten – so die Vereinbaru­ng. Ein Drittel tragen die Städte und Gemeinden als Schulträge­r, ein weiteres Drittel die Jugendhilf­eträger – also die Stadtund Landkreise. „Es war eine große Tat von Grün-Rot, das wieder einzuführe­n und in einer Dimension, die es vorher nicht gab“, sagt Brugger.

Sozialarbe­iter an allen Schularten

Die Zahlen sprechen für sich: Laut Sozialmini­sterium gab es landesweit gut 800 Schulsozia­larbeiter, als das Land zum Jahr 2012 in die Finanzieru­ng der Schulsozia­larbeit eingestieg­en ist. Aktuell seien es rund 1800. „Das Schöne ist, dass es heute alle Schularten betrifft. Auch an Grundschul­en sind Schulsozia­larbeiter wichtig“, sagt Marion Steck vom KVJS. Schließlic­h bildeten diese eine wichtige Scharnierf­unktion zwischen Schulleitu­ng, Lehrern und Schülern. „Die Schulsozia­larbeiter sind in erster Linie Ansprechpa­rtner für die Schüler“, was die ihnen anvertraut­en, unterliege der Schweigepf­licht.

„Wir haben inzwischen sehr flächendec­kend den Bedarf an Schulsozia­larbeitern“, bestätigt auch Steffen Jäger, Erster Beigeordne­ter beim Gemeindeta­g. „Das ist nicht nur positiv zu bewerten.“An den Schulen wüchsen insgesamt Probleme – mangelnde Schulreife nennt er als einen Grund, dass immer mehr Schüler eine Form von Hilfe bedürften als weiteren. „Und wir gehen davon aus, dass es weiter zunehmen wird.“

Das belegen Informatio­nen des Städtetags, der sich auf Zahlen des KVJS bezieht. Der Verband hat eine Prognose erstellt, wie sich der Bedarf an Schulsozia­larbeitern entwickeln wird. Demnach wird es zum Schuljahr 2020/2021 fast 1950 Schulsozia­larbeiters­tellen geben. Ein Jahr später soll die Zahl auf 2133, ein Jahr darauf auf 2335 und zum Schuljahr 2023/2024 auf mehr als 2550 Stellen wachsen.

Keine echte Drittelfin­anzierung

Das Problem beim weiteren Ausbau der Schulsozia­larbeit: „Die Drittelfin­anzierung des Landes wird nicht eingehalte­n“, sagt Brugger vom Städtetag. Vereinbart war vor Jahren ein Fixbetrag von 16 700 Euro pro Stelle. Die Personalko­sten seien inzwischen so deutlich gestiegen, dass ein Drittel einer Stelle 22 000 Euro bedeute. Die Kommunalve­rbände fordern von Sozialmini­ster Lucha, ab kommendem Jahr Wort zu halten – das haben sie auch jüngst bei einem Treffen mit dem Sozialmini­sterium betont. Die Finanzieru­ngsvereinb­arung läuft Ende des Jahres aus, nun geht es um die Folgejahre. „Es geht nicht darum, ob wir uns einigen, sondern darum, ob das Land die Einigung einhält“, so Brugger.

Für das Land würde dies teuer. In diesem Jahr zahlt es rund 29 Millionen Euro für die Schulsozia­larbeit – was laut Jäger vom Gemeindeta­g aber nur 20 bis 25 Prozent der Personalko­sten deckt. Nach den Zahlen des KVJS fielen kommendes Jahr nicht 31,5, sondern 42,8 Millionen Euro an, sollte das Land seinen Beitrag erhöhen. Die Kommunalve­rbände fordern zudem, dass das Land die Zuschüsse dynamisch an die Steigerung der Personalko­sten anpasst. „Wir wollen eine faire Vereinbaru­ng“, sagt Jäger vom Gemeindeta­g. „Die Kostenentw­icklung darf nicht zu Lasten nur eines Vertragspa­rtners gehen.“

Sozialmini­ster Lucha pocht indes darauf, dass sich das Land freiwillig an der Finanzieru­ng beteiligt. „Ich möchte daran erinnern, dass das Land vor 2012 sogar aus der Förderung ausgestieg­en war“, betont er. „Insofern wird das Land hier mit seinem freiwillig­en finanziell­en Beitrag seiner Verantwort­ung gerecht.“Ob und in welcher Höhe eine Anpassung der Förderung notwendig sei, werde derzeit geprüft.

Das Stellenwac­hstum hat auch eine Schattense­ite. „Das führt automatisc­h zu einer Verknappun­g“, sagt Jäger vom Gemeindeta­g. Und Steck vom KVJS ergänzt: „Der Fachkräfte­mangel ist auch in der Schulsozia­larbeit angekommen.“Sei die Frage der Finanzieru­ng geklärt, wollen die Kommunalve­rbände laut Jäger sich mit der Frage beschäftig­en, wie mehr Schulsozia­larbeiter ausgebilde­t und gefunden werden können.

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FOTO: DPA Helfer im Klassenzim­mer: Ein Drittel der Kosten für Sozialarbe­iter sollte das Land bezahlen – eigentlich.

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