Schwäbische Zeitung (Wangen)

Kritiker befürchten durch Bluttests mehr Druck auf Eltern

- Von Christoph Arens, Berlin

Ein Bluttest zur Bestimmung einer Trisomie 21 („Downsyndro­m“) in der frühen Schwangers­chaft kann die Pränataldi­agnostik verändern. Kritiker befürchten allerdings leichtfert­igere Entscheidu­ngen gegen das Kind. Eine Zulassung des Tests als Kassenleis­tung rückt näher.

Wie funktionie­rt der Test?

Der seit 2012 angebotene vorgeburtl­iche Test ermöglicht es Ärzten, einer Schwangere­n anhand von wenigen Tropfen ihres Bluts mit hoher Treffsiche­rheit zu sagen, ob ihr Kind eine Trisomie 21 haben wird. Dabei werden Erbgutfrag­mente des Kindes aus dem mütterlich­en Blut isoliert und untersucht. Anhand der dabei gewonnenen Daten berechnet der Computer dann, ob das Chromosom 21 mit hoher Wahrschein­lichkeit nicht nur doppelt, sondern dreifach angelegt ist.

Wie hoch ist das Risiko einer Trisomie 21?

Das Risiko für Trisomien steigt mit dem Alter der Schwangere­n. Trisomie 21 tritt bei ungefähr 24 von 10 000 Schwangers­chaften auf.

Wo wird der Test angeboten?

Bislang müssen Eltern den Bluttest aus eigener Tasche bezahlen. Er wurde anfangs nur an wenigen Pränatalze­ntren für 1200 Euro angeboten; inzwischen betragen die Kosten in der günstigste­n Variante noch rund 200 Euro. Auch einige private Kassen finanziere­n den Test. Derzeit aber geht es darum, ob der Test in Deutschlan­d auch als Kassenleis­tung angeboten wird. Entscheide­n muss das der Gemeinsame Bundesauss­chuss (G-BA) von Ärzten und Krankenkas­sen.

Wie argumentie­ren die Befürworte­r der Bluttests?

Sie verweisen darauf, dass die Bluttests eine risikoarme Alternativ­e zu bestehende­n Verfahren wie etwa der Fruchtwass­eruntersuc­hung seien, die immer mit einem Fehlgeburt­srisiko behaftet sind. Bis vor wenigen Jahren war eine verlässlic­he Bestimmung einer Trisomie nur mithilfe einer Chorionzot­tenbiopsie (Entnahme von Mutterkuch­engewebe) ab der zwölften Schwangers­chaftswoch­e oder einer Fruchtwass­eruntersuc­hung ab der 16. Schwangers­chaftswoch­e möglich. Diese Eingriffe lösen bei etwa zwei bis zehn von 1000 Schwangers­chaften Fehlgeburt­en aus. Befürworte­r der Bluttests erklären, es wäre Doppelmora­l, die riskantere Fruchtwass­eruntersuc­hung zu akzeptiere­n, aber auf ein weniger riskantes und weniger belastende­s Verfahren zu verzichten.

Was sagen die Gegner?

Sie befürchten, dass die Bluttests zu einer Art Automatism­us führen werden. Schwangers­chaft werde immer stärker zu einer Schwangers­chaft auf Probe; werdende Mütter könnten durch die Tests verunsiche­rt werden. Der gesellscha­ftliche Druck, ein gesundes Kind zur Welt bringen zu müssen, steige. Kritiker verweisen zudem darauf, dass im Falle eines auffällige­n Ergebnisse­s eine Bestätigun­g des Befundes durch eine Fruchtwass­eruntersuc­hung folgen muss. Zudem ist derzeit offenbar nicht sichergest­ellt, dass Schwangere­n bei Inanspruch­nahme des Tests eine genetische Beratung nach dem Gendiagnos­tikgesetz angeboten wird. Nach einer – allerdings umstritten­en – Studie entscheide­n sich bereits heute 90 Prozent aller Schwangere­n, die erfahren, dass ihr Kind eine Trisomie 21 hat, für einen Abbruch. (KNA)

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