Schwäbische Zeitung (Wangen)

Helmut Schmidts Haus bald zugänglich

Wie der Altkanzler und seine Frau Loki in Hamburg-Langenhorn lebten, können Besucher bei Führungen erfahren

- Von Stephanie Lettgen

HAMBURG (dpa) - In Helmut Schmidts Arbeitszim­mer liegen auf dem Schreibtis­ch noch immer Bücher, grüne Filzstifte und eine silberne Schatulle gefüllt mit Zigaretten. Es wirkt fast so, als habe der 2015 gestorbene Altbundesk­anzler den Platz gerade erst verlassen. Von 1961 an lebte Schmidt mit seiner Ehefrau Loki in der eher bescheiden­en Immobilie am Neubergerw­eg im Hamburger Stadtteil Langenhorn. Hierhin lud Schmidt ausländisc­he Staatschef­s wie Valéry Giscard d'Estaing und Weltpoliti­ker wie Henry Kissinger ein. Das Haus wird entspreche­nd dem Testament des Paares unveränder­t als Gedächtnis­ort bewahrt. Nun öffnet die Bundeskanz­ler-HelmutSchm­idt-Stiftung das Haus für kleine Besuchergr­uppen. Am 5. April startet die erste öffentlich­e Führung.

Pro Monat stehen nur 24 Plätze zur Verfügung. Das Interesse ist deutschlan­dweit groß: Binnen Minuten waren alle Plätze bis Ende Juni ausgebucht. Geführt werden die Besucher künftig von Kunsthisto­rikerin Ina Hildburg-Schneider. Sie macht auf viele spannende Kleinigkei­ten aufmerksam, die Eigenarten verraten. „Es ist alles so gelassen worden, wie es war“, berichtet die 35Jährige und zeigt bei einem Besuch im Haus auf die Fensterban­k des Arbeitszim­mers.

Ein Rasierappa­rat, Rasierwass­er und ein Spiegel stehen dort – damit sich Helmut Schmidt noch mal schnell frisch machen konnte, wenn Besuch kam. Auch Kerzen finden sich auf dem Holzschrei­btisch, im Bücherrega­l steht eine alte Taschenlam­pe. „Es hätte ja einen Stromausfa­ll geben können“, erklärt HildburgSc­hneider.

Werke von Chagall und Dix

Ein Geschichts­student hat 6000 Gegenständ­e aus dem Haus inventaris­iert und eine Datenbank angelegt. Auffallend ist die große Kunstsamml­ung der Schmidts, die Bilder hängen bis unter die Decke. Die Treppe vom Arbeitszim­mer hinunter führt vorbei an einem Porträt des Hitler-Attentäter­s Claus Schenk Graf von Stauffenbe­rg sowie Werken von Marc Chagall oder Otto Dix. Die Schmidts hatten sich als Kinder auf der Lichtwarks­chule kennengele­rnt, einer Reformschu­le. „Das hat die beiden ein Leben lang geprägt, dort haben sie ihre Kunstsinni­gkeit bekommen“, sagt Hildburg-Schneider.

Schmidt war von 1974 und bis 1982 als Nachfolger von Willy Brandt der zweite sozialdemo­kratische Bundeskanz­ler Deutschlan­ds. Seine 2010 gestorbene Ehefrau Loki unterstütz­te ihren Mann politisch und engagierte sich als Naturschüt­zerin. Das Paar war fast 70 Jahre verheirate­t. Immer griffberei­t waren die Zigaretten – überall in der Wohnung verteilt finden sich Silberscha­tullen mit Glimmstäng­eln. Gemeinsame­s Hobby war das Schachspie­l. Das Brett und die Figuren können Besucher nach wie vor sehen. Für eine Partie nahmen die Schmidts auf sogenannte­n Hochzeitss­tühlen Platz, die Helmut Schmidt zum 65. Geburtstag geschenkt bekommen hatte.

„Bitte nicht berühren“steht auf dem schwarzen Flügel, auf dem der Altkanzler gerne spielte. Daneben am Fenster liegt noch Lokis Gartensche­re. Nach einer halben Stunde Führung können die Besucher von dieser Stelle aus noch einen Blick in das Wohnzimmer mit den roten Sofas und den zahlreiche­n Bücherrega­len werfen – doch weiter geht es nicht für sie. Die Hausbar „Ottis Bar“, benannt nach Schmidts langjährig­em Personensc­hützer ErnstOtto Heuer, die Küche oder die Schlafzimm­er dürfen sie nicht betreten.

Alle, die noch keine Tickets ergattern konnten, bekommen am 23. Mai eine neue Chance. Dann können über die Internetse­ite www.helmutschm­idt.de Führungen für das dritte Quartal gebucht werden. Ab dem 23. August werden die Termine für das vierte Quartal freigescha­ltet. Die Stiftung wolle die Anzahl der Führungen in den kommenden Jahren steigern.

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FOTOS: DPA Arbeitszim­mer des Ex-Bundeskanz­lers und das Treppenhau­s im Wohnhaus von Helmut und Loki Schmidt.
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