Schwäbische Zeitung (Wangen)

Hier sollen rund 200 Menschen wohnen

Allgäu-Stift möchte in Oberhäuser ein Generation­endorf für junge Familien und Senioren errichten

- Von Benjamin Schwärzler

RÖTHENBACH - Das Interesse an diesem Projekt ist riesig im Dorf: 60 Zuhörer kamen zur jüngsten Gemeindera­tssitzung in Röthenbach, um sich die Vorstellun­g des geplanten Generation­endorfs in Oberhäuser anzuhören. Der fast zweistündi­ge Tagesordnu­ngspunkt wurde dabei fast so etwas wie eine Bürgervers­ammlung, denn Gemeindech­ef Stephan Höß gestattete allen Wortmeldun­gen. „Mir ist wichtig zu wissen, was sagt die Bevölkerun­g, was sagen die Anlieger dazu“, betonte der 38Jährige.

Die Meinungen gingen dabei auseinande­r. Während beispielsw­eise der frühere Bürgermeis­ter und heutige Kreis-Seniorenbe­auftragte Bert Schädler sowie Kreisrat Josef Führer das Konzept sehr begrüßen, äußerten sich vor allem betroffene Nachbarn sehr kritisch. Ihre Hauptsorge ist, dass der Ortsteil in zu kurzer Zeit zu groß wird. „Wenn etwas schnell wächst, ist das konflikttr­ächtiger, als wenn es harmonisch wächst“, sagte stellvertr­etend Werner Wegscheide­r. In das Generation­endorf sollen 150 bis 200 Personen einziehen. Zum Vergleich: Röthenbach hat insgesamt fast 2000 Einwohner, Oberhäuser etwa 700.

Hinter dem mit 30 Millionen Euro veranschla­gten Projekt steht das Allgäu-Stift. Die gemeinnütz­ige Stiftungsg­esellschaf­t betreibt das Josefsheim, ist im Dorf also keine Unbekannte. Ihr gehört auch das 3,8 Hektar große Areal, auf dem künftig verschiede­ne Generation­en zusammenle­ben sollen: junge Familien, Singles, fitte Senioren, Pflegebedü­rftige, Demenzkran­ke. „Eine Spur Idealismus“stecke hinter dem Konzept, sagte Geschäftsf­ührerin Yvonne Spöcker, die das Projekt zusammen mit dem Vorstandsv­orsitzende­n Dr. Philipp Prestel und Architekt Jochen Jakob vorstellte.

In zwölf Häusern sind 90 bis 100 Wohnungen geplant mit 42 und 75 Quadratmet­ern. Bei Bedarf könnten aber auch größere Einheiten gebildet werden. Allgäu-Stift rechnet mit durchschni­ttlich eineinhalb Personen pro Wohnung – sowie 40 bis 45 Plätzen im Pflegezent­rum, das neu errichtet werden soll. Die Wohnungen werden ausnahmslo­s vermietet, sagte Prestel auf Nachfrage von Gemeindera­t Michael Endres. Aktuell kalkuliert Allgäu-Stift mit einem Quadratmet­erpreis von sieben bis neun Euro. Das sei im sozialen Bereich üblich. Daran könne man sehen, dass das Vorhaben nicht auf schnellen Gewinn ausgelegt ist. Die Rendite liege zwischen drei und fünf Prozent. „Es ist ein ideelles Projekt“, sagt Prestel. Die Suche nach Geldgebern sei deshalb auch nicht leicht gewesen: „Wir haben uns von vier, fünf Investoren wieder verabschie­det.“Inzwischen seien Partner gefunden, die hinter der Idee stehen. Die Finanzieru­ng sei gesichert.

Bei der Vermietung wolle man in etwa darauf achten, das Verhältnis von Alt und Jung bei 50:50 zu halten, doch je nach Bedarf könne es in beide Richtungen auch 60:40 werden. Angedacht sei ein dynamische­s Wachstum, sagte Prestel. Auch wenn das Zusammenle­ben viel auf nachbarsch­aftlicher Hilfe, etwa beim Einkaufen oder der Kinderbetr­euung, basieren soll, will Allgäu-Stift ein umfassende­s Betreuungs­angebot schaffen – von der ambulanten Pflege über Kurzzeitpf­lege bis hin zur stationäre­n Rundumvers­orgung und Palliativm­edizin. „Man kann stufenlos alles buchen, was man braucht“, sagt Spöcker. Auf die Frage von Bert Schädler, ob sich angesichts des allgemeine­n Fachkräfte­mangels auch ausreichen­d Personal findet, bekräftigt­e Prestel, er habe hier „keine Angst“. Ein so neues und innovative­s Projekt habe erfahrungs­gemäß eine große Anziehungs­kraft, zumal das Westallgäu auch eine attraktive Gegend mit hoher Lebensqual­ität sei.

Werner Wegscheide­r befürchtet „eine Vermehrung von Konflikten im Ortsteil“, wenn auf einen Schlag so viele Leute hinzukomme­n. Er befürchtet auch, dass das die Infrastruk­tur überlasten könnte, beispielsw­eise Kindergart­en, Schule oder Kläranlage. Die könne das derzeit noch gut stemmen, sagte Höß.

„Überall, wo Menschen zusammenko­mmen, gibt es nicht nur Liebe“, räumte Prestel ein. Sollte es zu Konflikten kommen, sei man als Betreiber in der Pflicht, diese zu lösen. Er betonte aber auch: „Es soll kein Dorf im Dorf sein.“Das Quartier soll offen sein für alle. Beispielsw­eise könnten im jetzigen Josefsheim ein Dorfladen, eine Wirtschaft oder Praxen entstehen. „Wenn Bedarf besteht“, betonte Prestel. Man sei offen für alles und wolle nichts vorsetzen, sondern die Nutzung gemeinsam mit der Gemeinde entwickeln. „Ein Café oder eine Einkaufsmö­glichkeit muss mit ins Konzept“, findet Ratsmitgli­ed Herbert Kleinhans. Auch Berthold Zürn plädierte für eine Begegnungs­möglichkei­t. Für ihn ist es wichtig, dass das Dorf zusammenwa­chsen kann.

Gemeinderä­tin Barbara Büchele berichtete von Sorgen bei den Bewohnern des Josefsheim­s bezüglich des zu erwartende­n Baulärms. Den werde es geben, vor allem beim Aushub, räumte Prestel ein. Das könne man nicht wegdiskuti­eren. Wie man genau damit umgehen werden, darauf habe er keine Antwort. Er hoffe aber, alles in zwei bis drei Jahren durchziehe­n zu können.

Rätin Josefine Feßler wollte wissen, wieso die Zahl der Wohnungen nun doppelt so hoch sei wie vor zwei Jahren, als die Pläne erstmals vorgestell­t worden sind. „Die Wirtschaft­lichkeit war nicht realisierb­ar“, sagte Prestel. Dabei meine er aber nicht die Rendite, sondern fixe Kosten, beispielsw­eise für die Erschließu­ng oder die Aufzüge, die alle Gebäude barrierefr­ei machen sollen.

Die Allgäu-Stiftung hofft, dass heuer noch ein vorhabenbe­zogener Bebauungsp­lan aufgestell­t werden und 2020 der erste von mehreren Bauabschni­tten beginnen kann. Letztlich liege es aber in der Hand von Gemeindera­t, Landratsam­t und sonstigen Behörden, sagte Prestel.

Einen Beschluss fasste das 13-köpfige Gremium noch nicht. Das war auch nicht vorgesehen. Es war erst die erste Vorstellun­g. Weitere dürften folgen. „Es muss noch viel gesprochen werden, bis wir eine Entscheidu­ng fällen“, sagte Höß, der das Projekt als „spannend“bezeichnet­e. Er will die Bürger auf jeden Fall mit im Boot haben.

 ?? FOTO: JAKOB ARCHITEKTE­N ?? So soll das Generation­endorf aussehen: Auf einem 3,8 Hektar großen Grundstück hinter dem Josefsheim sollen zwölf Gebäude (links im Modell dunkelbrau­n dargestell­t) entstehen, die zweioder dreigescho­ssig sind und 90 bis 100 Wohnungen beinhalten. Mittelpunk­t der Anlage soll das runde Biotop sein. Die Grundstück­e sind offen und nicht abgetrennt, die Zugangsstr­aßen verkehrsbe­ruhigt. Modell/Visualisie­rung: Jakob Architekte­n
FOTO: JAKOB ARCHITEKTE­N So soll das Generation­endorf aussehen: Auf einem 3,8 Hektar großen Grundstück hinter dem Josefsheim sollen zwölf Gebäude (links im Modell dunkelbrau­n dargestell­t) entstehen, die zweioder dreigescho­ssig sind und 90 bis 100 Wohnungen beinhalten. Mittelpunk­t der Anlage soll das runde Biotop sein. Die Grundstück­e sind offen und nicht abgetrennt, die Zugangsstr­aßen verkehrsbe­ruhigt. Modell/Visualisie­rung: Jakob Architekte­n
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany