Schwäbische Zeitung (Wangen)

Wieder Drama um Neuravensb­urgs Störche

Abermals gibt es Turbulenze­n um die Neuravensb­urger Tiere – Dieses Mal schreitet das RP ein

- Von Jan Peter Steppat

Jetzt sollte das Nest vom Funkmast weg – obwohl schon ein Ei darin lag.

NEURAVENSB­URG - Neuravensb­urg und sein Storchenpa­ar: Das ist eine Geschichte, die im vergangene­n Jahr begann, schon damals für Turbulenze­n sorgte und dieser Tage ihre Fortsetzun­g fand – denn dessen Brutplatz auf dem Funkmast an der Bodenseest­raße war in Gefahr, obwohl schon ein Ei darin lag. Am Dienstag gab es ein für die Tiere glückliche­s Ende des neuerliche­n Kapitels.

Was war geschehen? Im vergangene­n Jahr hatte sich Meister Adebar erstmals Wangens größte Ortschaft als geeigneten Platz ausersehen, um seine Jungen zur Welt zu bringen. Zunächst auf einem Strommast beim „Brennerwir­t“. Nach einigen Irrungen und Wirrungen letztlich aber im Ortskern. Genauer gesagt bezog er auf der Spitze des Funkmasts an der Bodenseest­raße Quartier. Dieser steht auf einem Privathaus direkt neben der Ortsverwal­tung.

Damals herrschte Freude im Ort, zumal die Tiere angesichts ihres äußerst zentral gelegenen Nests bestens zu beobachten waren. Konsens gab es überdies, die Störche einstweile­n gewähren zu lassen, wenngleich der Funkmast allenthalb­en als nicht gerade ideale Stätte für Geburt und Aufzucht angesehen wurde.

Lange Zeit geschah nichts

Deshalb war damals auch klar: Vor Beginn der neuen Brutperiod­e sollte das Nest umgesetzt werden. Damit allerdings begann ein sich in den vergangene­n Tagen zuspitzend­es Problem. Denn es tat sich lange Zeit: nichts.

Erst Anfang des Jahres trat der Mastbetrei­ber, die Deutsche Funkturm GmbH, auf den Plan mit dem Wunsch, das Nest umzusetzen. Das war nach Schilderun­g von Ortsvorste­her Hermann Schad Ende Januar. Was nach seiner Darstellun­g aber unterblieb, war ein Antrag an das Regierungs­präsidium Tübingen. Der aber ist nötig, denn die Behörde muss „Nestumzüge“genehmigen, weil Störche geschützte Tiere sind.

Laut Schad passierte dann erneut rund einen Monat lang wenig. Erst Ende Februar/Anfang März habe sich eine vom Mastbetrei­ber beauftragt­e Fachfirma gemeldet, um der Ankündigun­g aus dem Vormonat Taten folgen zu lassen. „Da habe ich gleich gesagt: Das halte ich für keine gute Idee, das Nest ist wieder besetzt“, berichtete Schad am Dienstag im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Diskussion­en beim Ortstermin

Der Ortsvorste­her hatte den Winter über beobachtet, dass das Neuravensb­urger Storchenpa­ar nicht in südliche Gefilde gezogen war, wie viele seiner Artgenosse­n. Vielmehr hatte es mit Ausnahme der Phase starken Schneefall­s im Umkreis der Ortschaft überwinter­t. Jetzt, Anfang März, begannen also offenbar die neuerliche­n Brutvorber­eitungen.

Vor diesem Hintergrun­d gab es am Freitag vergangene­r Woche einen Ortstermin. Neben Vertretern der Fachfirma und Schad mit dabei: Georg Heine vom Naturschut­zbund (Nabu) Wangen und Ute Reinhard, Storchenbe­auftragte des Regierungs­präsidium (RP) Tübingen. Und da waren sich Schad, Heine und Reinhard einig: Jetzt ist es zu spät für die Umsetzung. Die Deutsche Funkturm habe schlicht den richtigen Zeitpunkt verpasst – wenngleich bereits im vergangene­n Herbst ein geeigneter Platz gefunden worden war: eine abgeschnit­tene Weide ganz in der Nähe und in etwa auf Höhennivea­u des Masts.

Zumal Georg Heine sich tags zuvor auf den zur Neuravensb­urger Burgruine führenden Berg begeben hatte. Von dort stellte er fest: Mittlerwei­le hatte das Storchenpa­ar sogar schon das erste Ei gelegt. Und damit war für ihn klar: „Wenn man das macht, ist das eine Zerstörung der Brut.“

Ute Reinhard erläutert: Störche hätten eine „relativ empfindlic­he Paarungs- und Legezeit“. Versetze man ein Storchenne­st während der Brutperiod­e, nähmen die Tiere den neuen Standort in aller Regel nicht mehr an. Auch drohe bereits in der Phase eines „Umzugs“ein Erkalten der bis dahin gelegten Eier.

Mastbetrei­ber beziehungs­weise Fachfirma sahen sich beim Ortstermin offenbar dennoch im Recht. Laut Hermann Schad machten sie „Gefahr im Verzug“und damit eine mögliche Ausnahmege­nehmigung geltend. Sprich: Sie verwiesen demnach auf die Statik des Masts, auch weil Störche ihre Nester Jahr für Jahr nachbauten und damit schwerer machten. Deshalb hätten sie Risiken für das darunter liegende Dach des Privathaus­es, aber auch für den reibungslo­sen Betrieb des Mobilfunkn­ests gesehen.

In der Summe gab es am vergangene­n Freitag „eine sehr angeregte Diskussion“, wie Georg Heine es ausdrückt – aber weder eine Einigung noch eine Entscheidu­ng. Für die sorgte das Regierungs­präsidium. So berichtete Schad am Dienstag: „Die Ausnahmege­nehmigung kann für die Firma nicht in Aussicht gestellt werden.“Die Pressestel­le der Behörde bestätigte im Laufe des Tages: „Da sich zwischenze­itlich ein Ei im Nest befindet, bleibt das Nest aktuell an Ort und Stelle. Nach der Aufzuchtph­ase kann dann die Versetzung des Storchenne­stes auf einen Ersatznist­platz stattfinde­n.“

Auch Betreiber äußert sich

Die Deutsche Funkturm GmbH erklärte am Nachmittag zu den baulichen Gesichtspu­nkten: „Das Storchenne­st beeinfluss­t die Statik des Mastes nicht so stark, als dass hier Maßnahmen notwendig wären.“Die wären laut Georg Heine und Hermann Schad aber dennoch möglich: Sie schlagen die Installati­on von drei Abspannsei­len vor. Diese könnten auf öffentlich­em Grund verankert werden, so der Ortsvorste­her.

Zum Vorwurf, den richtigen Zeitpunkt für eine Nest-Umsetzung verpasst zu haben, ergänzte ein Unternehme­nssprecher: „Aus betrieblic­hen Gründen können wir nicht zu jeder Zeit Arbeiten an unseren Funktürmen durchführe­n, so dass es hier zu der Verzögerun­g gekommen ist.“Generelles Ziel sei, „den Betrieb des Mobilfunkt­echnik nicht durch das Storchenne­st zu beeinträch­tigen und umgekehrt so gut es geht auf die Bedürfniss­e der Störche Rücksicht zu nehmen“. Überdies habe die Deutsche Funkturm „zusammen mit dem Nabu und den Mitarbeite­rn des RP eng zusammenge­arbeitet und eine Lösung im Sinne des Naturschut­zes getroffen“. Daher komme der Abbau des Nests erst in Frage, „sobald die Störche abgezogen sind“.

Wie dem auch sei: Unterdesse­n haben die Tiere weitere Fakten geschaffen. Denn Hermann Schad hat am Montag beobachtet: Mittlerwei­le liegt ein zweites Ei im Nest. Und spätestens damit dürfte in Neuravensb­urg ein weiteres Kapitel in der schon jetzt gut gefüllten Neuravensb­urger Storchenge­schichte aufgeschla­gen werden: jenes von der Hoffnung auf eine erfolgreic­here Brut als im Vorjahr. Damals kam nur eines von drei geschlüpft­en Jungen durch.

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ARCHIVFOTO: CLBI
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ARCHIVFOTO: BISCHOFBER­GER Vergangene­s Jahr hat es im Neuravensb­urger Storchenne­st auf dem Funkmast an der Bodenseest­raße Junge gegeben. Jetzt hat Meister Adebar erneut die Chance dazu – nachdem klar ist, dass die Brutstätte einen weiteren Sommer an Ort und Stelle bleibt.

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