Wieder Drama um Neuravensburgs Störche
Abermals gibt es Turbulenzen um die Neuravensburger Tiere – Dieses Mal schreitet das RP ein
Jetzt sollte das Nest vom Funkmast weg – obwohl schon ein Ei darin lag.
NEURAVENSBURG - Neuravensburg und sein Storchenpaar: Das ist eine Geschichte, die im vergangenen Jahr begann, schon damals für Turbulenzen sorgte und dieser Tage ihre Fortsetzung fand – denn dessen Brutplatz auf dem Funkmast an der Bodenseestraße war in Gefahr, obwohl schon ein Ei darin lag. Am Dienstag gab es ein für die Tiere glückliches Ende des neuerlichen Kapitels.
Was war geschehen? Im vergangenen Jahr hatte sich Meister Adebar erstmals Wangens größte Ortschaft als geeigneten Platz ausersehen, um seine Jungen zur Welt zu bringen. Zunächst auf einem Strommast beim „Brennerwirt“. Nach einigen Irrungen und Wirrungen letztlich aber im Ortskern. Genauer gesagt bezog er auf der Spitze des Funkmasts an der Bodenseestraße Quartier. Dieser steht auf einem Privathaus direkt neben der Ortsverwaltung.
Damals herrschte Freude im Ort, zumal die Tiere angesichts ihres äußerst zentral gelegenen Nests bestens zu beobachten waren. Konsens gab es überdies, die Störche einstweilen gewähren zu lassen, wenngleich der Funkmast allenthalben als nicht gerade ideale Stätte für Geburt und Aufzucht angesehen wurde.
Lange Zeit geschah nichts
Deshalb war damals auch klar: Vor Beginn der neuen Brutperiode sollte das Nest umgesetzt werden. Damit allerdings begann ein sich in den vergangenen Tagen zuspitzendes Problem. Denn es tat sich lange Zeit: nichts.
Erst Anfang des Jahres trat der Mastbetreiber, die Deutsche Funkturm GmbH, auf den Plan mit dem Wunsch, das Nest umzusetzen. Das war nach Schilderung von Ortsvorsteher Hermann Schad Ende Januar. Was nach seiner Darstellung aber unterblieb, war ein Antrag an das Regierungspräsidium Tübingen. Der aber ist nötig, denn die Behörde muss „Nestumzüge“genehmigen, weil Störche geschützte Tiere sind.
Laut Schad passierte dann erneut rund einen Monat lang wenig. Erst Ende Februar/Anfang März habe sich eine vom Mastbetreiber beauftragte Fachfirma gemeldet, um der Ankündigung aus dem Vormonat Taten folgen zu lassen. „Da habe ich gleich gesagt: Das halte ich für keine gute Idee, das Nest ist wieder besetzt“, berichtete Schad am Dienstag im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“.
Diskussionen beim Ortstermin
Der Ortsvorsteher hatte den Winter über beobachtet, dass das Neuravensburger Storchenpaar nicht in südliche Gefilde gezogen war, wie viele seiner Artgenossen. Vielmehr hatte es mit Ausnahme der Phase starken Schneefalls im Umkreis der Ortschaft überwintert. Jetzt, Anfang März, begannen also offenbar die neuerlichen Brutvorbereitungen.
Vor diesem Hintergrund gab es am Freitag vergangener Woche einen Ortstermin. Neben Vertretern der Fachfirma und Schad mit dabei: Georg Heine vom Naturschutzbund (Nabu) Wangen und Ute Reinhard, Storchenbeauftragte des Regierungspräsidium (RP) Tübingen. Und da waren sich Schad, Heine und Reinhard einig: Jetzt ist es zu spät für die Umsetzung. Die Deutsche Funkturm habe schlicht den richtigen Zeitpunkt verpasst – wenngleich bereits im vergangenen Herbst ein geeigneter Platz gefunden worden war: eine abgeschnittene Weide ganz in der Nähe und in etwa auf Höhenniveau des Masts.
Zumal Georg Heine sich tags zuvor auf den zur Neuravensburger Burgruine führenden Berg begeben hatte. Von dort stellte er fest: Mittlerweile hatte das Storchenpaar sogar schon das erste Ei gelegt. Und damit war für ihn klar: „Wenn man das macht, ist das eine Zerstörung der Brut.“
Ute Reinhard erläutert: Störche hätten eine „relativ empfindliche Paarungs- und Legezeit“. Versetze man ein Storchennest während der Brutperiode, nähmen die Tiere den neuen Standort in aller Regel nicht mehr an. Auch drohe bereits in der Phase eines „Umzugs“ein Erkalten der bis dahin gelegten Eier.
Mastbetreiber beziehungsweise Fachfirma sahen sich beim Ortstermin offenbar dennoch im Recht. Laut Hermann Schad machten sie „Gefahr im Verzug“und damit eine mögliche Ausnahmegenehmigung geltend. Sprich: Sie verwiesen demnach auf die Statik des Masts, auch weil Störche ihre Nester Jahr für Jahr nachbauten und damit schwerer machten. Deshalb hätten sie Risiken für das darunter liegende Dach des Privathauses, aber auch für den reibungslosen Betrieb des Mobilfunknests gesehen.
In der Summe gab es am vergangenen Freitag „eine sehr angeregte Diskussion“, wie Georg Heine es ausdrückt – aber weder eine Einigung noch eine Entscheidung. Für die sorgte das Regierungspräsidium. So berichtete Schad am Dienstag: „Die Ausnahmegenehmigung kann für die Firma nicht in Aussicht gestellt werden.“Die Pressestelle der Behörde bestätigte im Laufe des Tages: „Da sich zwischenzeitlich ein Ei im Nest befindet, bleibt das Nest aktuell an Ort und Stelle. Nach der Aufzuchtphase kann dann die Versetzung des Storchennestes auf einen Ersatznistplatz stattfinden.“
Auch Betreiber äußert sich
Die Deutsche Funkturm GmbH erklärte am Nachmittag zu den baulichen Gesichtspunkten: „Das Storchennest beeinflusst die Statik des Mastes nicht so stark, als dass hier Maßnahmen notwendig wären.“Die wären laut Georg Heine und Hermann Schad aber dennoch möglich: Sie schlagen die Installation von drei Abspannseilen vor. Diese könnten auf öffentlichem Grund verankert werden, so der Ortsvorsteher.
Zum Vorwurf, den richtigen Zeitpunkt für eine Nest-Umsetzung verpasst zu haben, ergänzte ein Unternehmenssprecher: „Aus betrieblichen Gründen können wir nicht zu jeder Zeit Arbeiten an unseren Funktürmen durchführen, so dass es hier zu der Verzögerung gekommen ist.“Generelles Ziel sei, „den Betrieb des Mobilfunktechnik nicht durch das Storchennest zu beeinträchtigen und umgekehrt so gut es geht auf die Bedürfnisse der Störche Rücksicht zu nehmen“. Überdies habe die Deutsche Funkturm „zusammen mit dem Nabu und den Mitarbeitern des RP eng zusammengearbeitet und eine Lösung im Sinne des Naturschutzes getroffen“. Daher komme der Abbau des Nests erst in Frage, „sobald die Störche abgezogen sind“.
Wie dem auch sei: Unterdessen haben die Tiere weitere Fakten geschaffen. Denn Hermann Schad hat am Montag beobachtet: Mittlerweile liegt ein zweites Ei im Nest. Und spätestens damit dürfte in Neuravensburg ein weiteres Kapitel in der schon jetzt gut gefüllten Neuravensburger Storchengeschichte aufgeschlagen werden: jenes von der Hoffnung auf eine erfolgreichere Brut als im Vorjahr. Damals kam nur eines von drei geschlüpften Jungen durch.