Europäische Union zeigt Härte
Ratspräsident Tusk stellt Bedingung für Brexit-Verschiebung – Milliardenstrafe für Google
LONDON/BRÜSSEL (AFP/dpa) - Die EU will der von London beantragten Verschiebung des Brexit nur unter Bedingungen zustimmen. EU-Ratspräsident Donald Tusk machte am Mittwoch eine Fristverlängerung von der Annahme des Austrittsvertrags im britischen Unterhaus abhängig. Die britische Premierministerin Theresa May hatte Brüssel zuvor um einen Aufschub des für Ende März geplanten EU-Austritts um drei Monate gebeten. Die EU-Kommission stufte dies mit Blick auf die Europawahl im Mai als problematisch ein. Härte zeigt die Union auch gegenüber dem Internetriesen Google: Die EU-Wettbewerbshüter verhängten eine Strafe von 1,49 Milliarden Euro gegen den US-Internetkonzern wegen des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung.
Überraschender war die Stellungsnahme in Sachen Brexit: Tusk stellte London nur eine „kurze Verlängerung“in Aussicht. Voraussetzung sei, dass das Unterhaus in einem dritten Anlauf dem Austrittsvertrag mit der EU zustimme, sagte der Ratspräsident in Brüssel. Offen sei die Frage, ob der von May vorgeschlagene Aufschub bis Ende Juni möglich sei. Dies würden die EU-Regierungschefs heute bei ihrem Gipfel in Brüssel diskutieren, sagte Tusk. Die EU-Kommission hatte zuvor vor Risiken für die EU wegen der Europawahlen Ende Mai gewarnt. London will einen Aufschub bis zum 30. Juni erreichen, wie May am Mittwoch im Londoner Parlament darlegte. Bisher ist der EU-Austritt der Briten für den 29. März vorgesehen.
Den US-Internetriesen Google hat die EU bereits zum dritten Mal zu einer Milliardenstrafe verdonnert. Bei Suchmaschinen-Werbung im Dienst „AdSense for Search“seien andere Anbieter unzulässigerweise behindert worden, teilte die EUKommission am Mittwoch mit. Wegen des Missbrauchs seiner marktbeherrschenden Stellung bei Produktanzeigen in Suchergebnissen hatte die EU-Kommission bereits 2017 eine Strafe von 2,42 Milliarden Euro verhängt, wegen Wettbewerbseinschränkungen beim SmartphoneSystem Android 2018 sogar die Rekordstrafe von 4,34 Milliarden Euro. Außerdem hatte die EU-Kommission auch Änderungen am Geschäftsmodell von Google durchgesetzt.
BRÜSSEL (dpa) - Die Europäische Volkspartei ist die mächtigste Gruppe im Europaparlament – und trägt seit Wochen einen offenen Streit mit der Partei des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán aus. Seit Mittwochabend steht fest: Die EVP, zu der auch CDU und CSU gehören, legt die Mitgliedschaft von Orbáns Fidesz im Parteienverbund auf Eis. Ein „klares Resultat“sei das, befand EVP-Fraktionschef Manfred Weber (CSU) nach stundenlangen Beratungen. Aber der Rauswurf des Ungarn ist vorerst vertagt.
Warum stehen der Fidesz und die Orbán-Regierung in der Kritik?
Kritiker werfen Orbán seit Jahren vor, Demokratie und Rechtsstaat auszuhöhlen. Die Organisation Freedom House stuft das Land nur noch als „teilweise frei“ein. Die EU-Kommission leitete mehrere Verfahren wegen mutmaßlicher Verletzung von EU-Recht ein. Und das Europaparlament startete ein Strafverfahren wegen der mutmaßlichen Bedrohung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechten. Diese Entwicklung bewerten Teile der EVP schon länger als bedenklich.
Und warum steht die EVP-Mitgliedschaft des Fidesz jetzt erst infrage?
Das Fass zum Überlaufen gebracht hat eine Plakat-Kampagne der ungarischen Regierung, mit der Orbán das Land überzogen hatte. Auf den Plakaten wurden EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und der US-Milliardär George Soros als Förderer illegaler Migration diffamiert. Daraufhin forderten rund ein Dutzend EVP-Parteien den Rauswurf oder die zeitweise Suspendierung des Fidesz. Orbán setzte noch eins drauf und beschimpfte die Kritiker als „nützliche Idioten“, die das Geschäft der Linken und Liberalen betrieben.
Wie hätte Orbán der Partei entgegen kommen sollen?
EVP-Fraktionschef Weber hatte zuletzt drei Bedingungen aufgestellt, um zumindest weiter im Gespräch zu bleiben: ein Ende der Plakat-Kampagne, eine Entschuldigung an die anderen EVP-Parteien und Sicherheit für die Universität CEU in Budapest. Zudem müsse die CEU wieder amerikanische Diplome in Budapest ausstellen können. Die CEU war im Dezember unter Druck der ungarischen Regierung nach 26 Jahren Tätigkeit in Budapest nach Wien umgezogen.
Und wie hat Orbán reagiert?
Im Zickzackkurs. Wegen der „nützlichen Idioten“hat er um Entschuldigung gebeten, die Anti-JunckerKampagne hat er vorerst eingestellt. In Sachen CEU hat er öffentlich noch kein Entgegenkommen gezeigt. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) befand dennoch, in der Sache habe es ein positives Signal von Orbán gegeben. Nach Angaben der Staatskanzlei reagierte Orbán schriftlich auf das bayerische Angebot, Lehrstühle der CEU in Budapest zu finanzieren. „Seine Antwort geht in die richtige Richtung.“Die von ihm kontrollierten Medien ließ Orbán zuletzt das Ausscheiden des Fidesz als wünschenswert darstellen. Für den Fall einer Suspendierung drohte die Partei mit Austritt aus der EVP.
Was wurde am Mittwoch beschlossen?
Mit sehr breiter Mehrheit entschieden sich die EVP-Delegierten in Brüssel für eine Suspendierung des Fidesz: Die Mitgliedschaft in dem Parteienverbund wird auf Eis gelegt. Das bedeutet: Fidesz darf nicht mehr mitbestimmen und auch keine Kandidaten mehr für Parteiämter entsenden oder aufstellen. Und Orbán wird bereits heute nicht mehr am üblichen EVP-Spitzentreffen vor dem EU-Gipfel teilnehmen dürfen. Eine Experten-Kommission unter der Führung des ehemaligen EU-Ratschefs Herman Van Rompuy soll in den nächsten Monaten entscheiden, wann und ob die Mitgliedsrechte der Partei wieder in Kraft gesetzt werden.
Ein endgültiger Austritt von Orbáns Partei scheint damit zunächst abgewendet. Denn Viktor Orbán hatte erwirkt, dass der Vorschlag der EVP-Spitze nochmal in seinem Sinne gesichtswahrend geändert wurde. In der neuen Variante hieß es, das EVP-Präsidium und Fidesz hätten sich gemeinsam darauf verständigt, dass Fidesz seine Mitgliedschaft bis zum Ende des Berichts suspendiere. Zuvor hatte es in dem Vorschlag noch geheißen, Fidesz werde ohne eigene Mitsprache suspendiert.