Schwach auf der Brust
Länder kommen ihren Investitionspflichten für Krankenhäuser nur schleppend nach
BERLIN - Die Länder pochen gern auf ihre Rechte, vergessen aber genauso gern auch ihre Pflichten. Zumindest bei der Finanzierung der Krankenhäuser ist dieser Vorwurf unzweifelhaft angebracht. Seit etwa 20 Jahren, beschwerte sich am Donnerstag Johann-Magnus von Stackelberg, stellvertretender Chef des Spitzenverbandes der Krankenkassen, kämen die Länder ihren Pflichten nicht nach, die sie gegenüber den Krankenhäusern hätten.
In Deutschland ist es so geregelt: Die Kassen finanzieren die Betriebsund Personalkosten der Kliniken. Das sind Ärzte, Pflegekräfte, aber auch Strom, Wasser, Medikamente und vieles mehr. Für die Investitionskosten aber sollen die Bundesländer aufkommen, wenn ein Neubau ansteht, eine Renovierung oder ein neuer Operationssaal zum Beispiel.
So weit, so klar. Das Problem ist, dass die sich gerne vor diesen Kosten drücken. So steckten sie 2017 insgesamt 2,8 Milliarden Euro in die rund 2000 Krankenhäuser. Gesetzliche und private Kassen sind sich aber einig, dass eigentlich „deutlich über sechs Milliarden Euro pro Jahr“nötig seien. Einige Wissenschaftler gehen, auch wegen der anstehenden Digitalisierung, sogar noch von einer Milliarde mehr aus.
Immer unter drei Milliarden
Um eine Ausnahme handelt es sich nicht: In den vergangenen 15 Jahren lag der tatsächlich von den Ländern gezahlte Betrag stets unter drei Milliarden Euro, also grundsätzlich bei nicht einmal der Hälfte des Notwendigen. Ferdinand Rau, der im Bundesgesundheitsministerium das Krankenhaus-Referat leitet, spricht deshalb von „einer unterirdischen Situation“.
Die Folge dieser Investitionsverweigerung war bisher schlechte Pflege. Immer weniger Schwestern und Pfleger mussten sich um die Patienten kümmern, damit das beim Personal eingesparte Geld in Investitionen fließen konnte. Laut Stackelberg wurde die Pflege „in unverantwortlicher Weise abgebaut“. Gerald Gaß, der Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft, meint, man sei durch die Knauserei der Länder regelrecht „zur Rationalisierung gezwungen worden“.
Dem will Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ab 2020 einen Riegel vorschieben. Bisher erhält eine Klinik für die Behandlung eines Patienten je nach Krankheit eine Pauschale, ganz unabhängig davon, ob die Schwester alle zehn Minuten oder alle vier Stunden nach dem Kranken schaut. Ab dem kommenden Jahr aber wird die Finanzierung der Pflegekräfte aus der Pauschale herausgerechnet. Dann bekommen die Krankenhäuser die tatsächlich anfallenden Pflegepersonalkosten von den Kassen bezahlt. Weil sie diese nachweisen müssen, lohnt sich also nicht mehr, an Pflegepersonal zu sparen. Es gibt sogar einen Anreiz, zusätzlich einzustellen – es wird ja bezahlt. Das stellt einen massiven Eingriff in das System dar. Nur ist damit auch dem bisherigen Verschiebebahnhof ein Ende bereitet.
Doch was ist, wenn die Länder sich auch weiterhin aus der Verantwortung ziehen? Folgt ein neues Rationalisierungsprogramm an anderer Stelle? „Verhandeln Sie mit den Ländern, damit die endlich zahlen“, empfiehlt Erwin Rüddel (CDU), der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses des Bundestages, den Klinikmanagern. Bisher hätten die Länder ihr Planungsrecht „nicht verantwortungsbewusst ausgeübt“. Wenn das so bleibe und es den Krankenhäusern nicht gelinge, die nötigen Mittel zu erhalten, „sollte man sich an den Bund wenden“.
Gesetzesänderung gefordert
Noch deutlicher spricht sich Krankenkassen-Vize Johann-Magnus von Stackelberg für eine weitere Veränderung des Kräfteverhältnisses von Bund und Ländern aus. Er fordert eine Grundgesetzänderung. Ähnlich wie beim Digitalpakt müssten die Länder endlich Kompetenzen bei der Klinikplanung abgeben. Im Gegenzug solle der Bund Geld zur Verfügung stellen. Damit könne man nicht nur dem Investitionsstau begegnen, sondern durch Bundesplanung auch für den Abbau von Überkapazitäten sorgen.
Denn Deutschland hat im internationalen Vergleich viele Krankenhäuser. Nach einer OECD-Studie gibt es in der Bundesrepublik 70 Prozent mehr Krankenhausbetten als im Schnitt aller 35 Mitgliedsländer der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Laut GKV-Verband hat die Hälfte der Deutschen innerhalb von 30 Autominuten zehn und mehr Kliniken zur Auswahl. Weil Krankenhäuser aber besonders teuer sind, ist diese Situation für die Kassen mehr als unbefriedigend.