Schwäbische Zeitung (Wangen)

ZF bricht eine Lanze für den Hybrid

Der Automobilz­ulieferer fährt in China die Produktion eines Getriebes für konvention­elle und hybride Antriebe hoch

- Von Martin Hennings

SCHANGHAI - Die zeitliche Nähe ist Zufall, inhaltlich passt der Schritt aber zur aktuellen Diskussion über den Automobila­ntrieb der Zukunft wie die Faust aufs Auge: Der Zulieferer ZF Friedrichs­hafen hat bekannt gegeben, seinen Verkaufssc­hlager 8HP, ein Acht-Gang-Automatikg­etriebe, künftig auch in China zu fertigen. Dem Land, das wie kein zweites auf die Elektrifiz­ierung setzt – und damit eigentlich auf Autos ohne Getriebe.

Hinter der Entscheidu­ng steckt die Einschätzu­ng des Konzerns, dass die Hybridtech­nologie (also das Zusammensp­iel von elektrisch­em Antrieb und klassische­m Verbrennun­gsmotor) weit mehr ist als eine Brückentec­hnologie auf dem Weg zum reinen Fahren mit Batterie. Unter dem Schlagwort „Volkshybri­d“wirbt ZF-Chef Wolf-Henning Scheider seit Monaten für die technische­n Lösungen seines Unternehme­ns und dafür, über die Zukunft des automobile­n Antriebs technologi­eoffen zu diskutiere­n. Er hat in der Frage die meisten Kollegen seiner Branche in Deutschlan­d neben sich, steht aber im Gegensatz zu VW-Chef Herbert Diess, der sein Unternehme­n auf eine rein elektrisch­e Zukunft einschwört.

Offenbar setzen auch chinesisch­e Hersteller nicht ausschließ­lich auf EAntriebe. Denn ZF vermeldet für die im Frühsommer in einer Fabrik bei Schanghai anlaufende 8HP-Produktion bereits vier feste Kunden, 2020 sollen sechs weitere dazukommen. Das Getriebe gibt es in einer klassische­n Variante für reine Verbrennun­gsmotoren, mit einem Mild-Hybrid (einem unterstütz­enden E-Motor etwa zum Anfahren) und einem Plug-in-Hybrid, der elektrisch­es Fahren auch auf längeren Strecken ermöglicht. Laut Stefan von Schuckmann, Leiter der ZF-Division PkwAntrieb­stechnik, wird die neueste Generation des 8HP elektrisch­e Reichweite­n bis zu 100 Kilometer ermögliche­n und damit 75 Prozent der Fahrten abdecken. Die Folge: 75 Prozent Prozent seiner Geschäfte im Reich der Mitte mit chinesisch­en Hersteller­n. Tendenz: steigend. 48 Prozent des Umsatzes erzielt ZF in Europa, 27 Prozent in Nordamerik­a. In China arbeiten 15 000 Menschen für ZF, an 40 Standorten in 24 Städten. Jeder Zehnte ist ein Ingenieur, der Konzern würde ihre Zahl im größten und dynamischs­ten Automarkt der Welt gern kurzfristi­g auf 2500 erhöhen. (mh) weniger Schadstoff­ausstoß am Auto, 75 Prozent weniger Spritkoste­n. „Wie erleben eine extreme Nachfrage nach diesem Produkt“, sagte von Schuckmann bei einer Pressekonf­erenz in Shanghai. Dies sicher auch deshalb, weil alle Varianten des Produkts die gleiche Baugröße haben, Autoherste­ller also an der Konfigurat­ion ihrer Fahrzeuge nichts ändern müssen, egal ob sie ein Getriebe mit oder ohne Hybrid verbauen. Ein Premiumfah­rzeug mit 8HP-Plug-in-Hybrid verursacht aktuell nach Angaben des Konzerns einen CO2-Ausstoß von 37 Gramm pro Kilometer, mit der reinen Verbrenner­variante liegt der Wert bei 152 Gramm. Mit der Hybridlösu­ng können also auch Umweltziel­e erreicht werden, ohne dass zwingend flächendec­kende Ladeinfras­truktur aufgebaut wird. Zudem ist die benötigte Batterie erheblich kleiner und damit billiger als bei einem reinen EAntrieb.

Die Umrüstung der Getriebefa­brik in Shanghai kostet ZF rund 70 Millionen Euro. Ziel ist es mittelfris­tig auch bis zu 80 Prozent der Komponente­n direkt in China zu fertigen. Der Verkaufssc­hlager 8HP, der vor allem in größeren Fahrzeugen zu finden ist, wird bislang schon in Saarbrücke­n, in Grey Court (USA) und Eger (Ungarn) gebaut. In Saarbrücke­n laufen jährlich 2,7 Millionen Stück vom Band, in Amerika 340 000 und in Ungarn 31 000. In Schanghai können laut ZF nach jetzigem Stand 400 000 Stück pro Jahr gefertigt werden, ein Ausbau auf bis zu 800 000 wäre möglich.

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FOTO: ZF Stefan von Schuckmann, Chef der ZF-Division Pkw-Antriebste­chnik.

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