Leibenath macht den Rangnick
Wieso Ulms Basketball-Trainer Sportdirektor wird und an den Schreibtisch wechselt
ULM - Lebenslanges Mitglied bei BBU‘01, dem Verein hinter den Bundesliga-Basketballern von Ratiopharm Ulm, ist Thorsten Leibenath schon seit einer ganzen Weile. Inzwischen ist zumindest nicht mehr ausgeschlossen, dass er auch als Angestellter dieses Vereins in Rente geht. Wie er selbst am Donnerstag bekannt gab, endet seine Zeit als Trainer der Profi-Basketballer nach dieser Saison und damit nach acht Jahren zwar. Doch die Ulmer trennen sich nicht etwa von Leibenath, sondern sie befördern ihn: Zum Sportdirektor, ein Amt, das sie extra für Leibenath schaffen in Ulm. Denn wo bei anderen Clubs der Wechsel vom Trainer zum Sportchef bisweilen eher eine Beförderung nur auf dem Papier ist, muss sie in diesem Fall als echte verstanden werden. Leibenath, in der Bundesliga 2012 und 2017 zum Trainer des Jahres gewählt, ist künftig zusammen mit Manager Thomas Stoll für die Bundesligamannschaft zuständig – und wird gleichzeitig eine maßgebliche Rolle im Nachwuchs und der Spielerentwicklung einnehmen.
„Um langfristig konkurrenzfähig zu sein, haben wir in Ulm nur eine Chance, wenn wir uns der Ausbildung junger Spieler selbst und konsequent annehmen“, so Stoll, „wir gehören schon jetzt zu den drei besten Programmen in Deutschland. Doch das reicht nicht. Wir wollen mittelfristig zu einer der Top-Adressen in Europa werden. Ansonsten können wir gegen die Großen nicht anstinken.“
Stoll berichtet, dass intern über dieses Konstrukt schon seit längerer Zeit nachgedacht wird und er versichert: „Thorsten war unser erster und einziger Ansprechpartner für diesen neugeschaffenen Job.“Der scheidende Trainer und künftige Sportdirektor bekennt seinerseits, dass ihm der Wechsel an den Schreibtisch nicht ganz leicht fällt. Aber Leibenath sagt auch: „Als ich vor acht Jahren nach Ulm gekommen bin, da habe ich von der ersten Minute an gespürt: Hier entsteht etwas Großes. Ich übernehme jetzt eine stärker unternehmerisch geprägte Aufgabe, die sehr spannend ist.“
Seine erste große Aufgabe ist allerdings weniger unternehmerisch geprägt: Er muss seinen eigenen Nachfolger als Trainer suchen. Klar dürfte sein, dass die Ulmer wieder eine langfristige Lösung wollen und natürlich muss der neue Trainer sich irgendwie mit der Doppelspitze Stoll/Leibenath arrangieren. Die pikante Konstellation kommentierte der Manager selbst mit einem breiten Grinsen: „Mit Thorsten hat der vom ersten Tag an Druck.“Stoll verglich die Situation mit der beim Fußball-Bundesligisten Leipzig zu den Zeiten, als die aus Backnang stammende Trainerikone Ralf Rangnick dort nur als Sportdirektor gearbeitet hat. Aber natürlich will Stoll das so ernst wieder nicht gemeint haben und Leibenath will sich auch – anders als Rangnick – gar nicht mehr auf die Bank setzen.
Das Anforderungsprofil an den künftigen Ulmer Basketballtrainer ist jedenfalls überschaubar. Die Nationalität soll keine Rolle spielen, wichtig ist allerdings das Händchen für den Nachwuchs. Leibenath nennt als Beispiel den Spanier Aito Garcia Reneses von Alba Berlin: „Der kannte keine deutschen Jugendspieler, als er in die Bundesliga kam. Trotzdem macht er sie besser.“Leibenath und Stoll wären sogar bereit, eine Saison des Misserfolgs in der Bundesliga zu akzeptieren, wenn der Verein gleichzeitig zwei Nationalspieler entwickelt.
Ziel: Bei der Spielerentwicklung das Maß aller Dinge zu werden
Der Nachwuchs wird in Ulm künftig noch stärker als bisher schon im Fokus stehen. Am Donnerstag wurde auch das Projekt „Top-Development“vorgestellt, für das neben dem früheren Bundesligaspieler Chris Ensminger ebenfalls Leibenath verantwortlich ist. Das beinhaltet eine ganzheitliche Betreuung von Spielern von der Schule über medizinische Betreuung bis hin zur Karriereplanung und der Beratung bei Vertragsabschlüssen. Thomas Stoll sagt: „Es geht darum, dass wir die Spieler auch erziehen, dass wir sie zu mündigen und intelligenten Menschen machen.“
Leibenath wäre nicht Leibenath, wenn er diese Aufgabe nicht ambitioniert angehen würde. „Lange Zeit war Benetton Treviso in Europa in punkto Spielerentwicklung das Maß aller Dinge. Hier wurde mit Andrea Bargnani der erste europäische Nummer-eins-Pick der NBA ausgebildet“, erklärte er. Und nun kommt’s: „Doch seit dem Rückzug Benettons als Hauptsponsor und der damit verbundenen Auflösung der Organisation ist eine Art Vakuum entstanden, das in Europa bisher niemand schließen konnte. Ich traue uns zu, das zu schaffen“, erklärt Leibenath die Vision. Er traut es sich selbst zu.