„Unser Geschäft ist geprägt von der Unsicherheit, was sich am Ende durchsetzen wird“
SCHANGHAI - Der Automarkt in China ist der größte der Welt, und er wächst schneller und dynamischer als alle anderen Märkte. Welche Ziele ZF im Reich der Mitte hat und wo die Herausforderungen liegen erklärt Vorstandsmitglied Holger Klein (Foto: ZF) im Gespräch mit Martin Hennings.
Herr Klein, seit Oktober 2018 sind Sie im ZF-Vorstand unter anderem für China verantwortlich, seit Januar 2019 ist Ihr Dienstsitz in Schanghai. Welchen Hintergrund hat dieser Schritt?
Wir erzielen derzeit 19 Prozent unseres Umsatzes in China. Bis 2030 soll der Anteil in der Region Asien-Pazifik insgesamt auf 30 Prozent steigen. Wichtiger als die Zahl ist bei der Betrachtung aber die Richtung, die sie anzeigt. Wenn wir diesen Markt ernst nehmen, dann müssen wir näher am Kunden sein, vor Ort entwickeln und produzieren ANZEIGE und Entscheidungskompetenzen hierher verlegen.
China ist keine Demokratie. Der Staat überwacht seine Bürger und wohl auch ausländische Unternehmen, er greift lenkend in die Wirtschaft ein. Muss man angesichts der großen Bedeutung des chinesischen Marktes darüber hinwegsehen?
Im geschäftlichen Umfeld sind Stabilität und Rechtssicherheit wichtig. Natürlich arbeite ich als Unternehmer grundsätzlich am liebsten in einer Welt, in der wir uns alle an einem freien Markt beweisen müssen, und nicht dort, wo der Staat regulierend eingreift. Vor zwei Jahren gab es in Deutschland einen riesigen Chinaboom, jetzt reden alle über die angeblich komplett regulierte Wirtschaft. Die Wahrheit liegt wohl auch hier irgendwo in der Mitte.
Gibt es denn für ZF fairen Wettbewerb in China?
Natürlich gibt es hier Bereiche mit gelenkter Wirtschaft und geschützte Märkte, wenn wir an Batterietechnik denken oder ans Internet. Aber was heißt das für uns, für Getriebe, Achsen, Sicherheitstechnik?
Was heißt es denn?
In diesem Bereich wird nicht gelenkt, hier entscheiden wie überall auf der Welt Kosten und Qualität. Es gibt keine Beeinträchtigung des freien Wettbewerbs mit den klassischen Mitbewerbern und auch nicht mit den neuen, chinesischen Playern. Ein Knackpunkt sind sicher Daten. Wo werden sie gespeichert? Wo und von wem werden sie analysiert? Unser Verband der Automobilindustrie VDA ist dabei, hierfür Spielregeln auszuhandeln zum Beispiel für Teststrecken und Datenpools.
In der Autoindustrie gibt es immer mehr Partnerschaften. Warum?
Unser Geschäft ist geprägt von der Unsicherheit, was sich am Ende durchsetzen wird, und der Überzeugung, dass es zu teuer ist, alles allein zu entwickeln. Deshalb sind wir bemüht, das Risiko zu teilen.
Sie sprachen davon, dass in Schanghai ein drittes ZF-Headquarter entstanden sei. Hat der Konzern seine Struktur verändert?
Nein. Friedrichshafen ist und bleibt die Konzernzentrale. Wir haben schon länger ein zweites Zentrum in Livonia bei Detroit, von dem aus mein Kollege Franz Kleiner bestimmte Themen managt. Das etablieren wir nun auch Schanghai.