Schwäbische Zeitung (Wangen)

Erfolgreic­her Gipfelstür­mer folgt seinen Träumen

Thomas Huber berichtet in einem Multivisio­nsvortrag beim DAV über sein bewegtes Bergsteige­rleben

- Von Vera Stiller

WANGEN - Auf Einladung der DAVSektion Wangen, die in diesem Jahr ihr 100-jähriges Bestehen feiert, war Bergsteige­r Thomas Huber am Samstagabe­nd zu Gast im voll besetzten Saal der Waldorfsch­ule. Anhand von spannenden Filmaussch­nitten, traumhafte­n Landschaft­sbildern und interessan­ten Erzählunge­n konnten die Zuhörer ein Stück weit der Spur von Huber folgen. Der Kletterer ist überzeugt davon: „Unsere Träume zeigen uns den Weg.“

Drei Stunden gelang es dem Älteren der „Huberbuam“, eine Spannung aufzubauen und sie so zu erhalten, dass man wie gebannt auf die Leinwand schaute und daneben förmlich an den Lippen des Vortragend­en hing. Thomas Huber sprach von Erfolgen und Niederlage­n, von Verlusten und Trauer, von kleinen Begebenhei­ten und großen Ereignisse­n. Wobei er zunächst betonte, dass der Titel seines Live-Vortrags nur „SteinZeit“heißen könne, „weil dieser so viel mit meiner Geschichte zu tun hat“.

Begonnen hat alles auf einem Bauernhof im Chiemgau, besser gesagt in Palling. Hier wächst Thomas zusammen mit dem zwei Jahre jüngeren Bruder Alexander auf. Der bergbegeis­terte Vater entzündet in seinen Söhnen schon bald das Feuer für die Berge. „Wir haben alle Klassiker abgegrast“nennt Thomas Huber das, was vor der „ersten Watschen“passiert: ein Bandscheib­envorfall. Doch das Bergsteige­n an den Nagel hängen, das kommt für den selbst ernannten Kämpfer nicht in Frage.

Schon bald wollen die Hubers erkunden, „wie gut wir wirklich sind“. Expedition­en führen sie nach Pakistan. Hier gelingt es ihnen 1997 zusammen mit Landsmann Toni Gutsch und dem US-Amerikaner Conrad Anker, erstmals die über 2000 Meter hohe Westwand des Latok II zu durchsteig­en. 2001 schafft Thomas Huber mit den Schweizern Urs Stöcker und Iwan Wolf dann die zweite Besteigung des extrem schwierige­n 7285 Meter hohen Ogre, eines Nachbarber­gs der Latoks.

Auf noch nie geklettert­er Strecke

Bevor die Rede von der Sehnsucht in Richtung „Nordwand Latok I“ist, erzählte Huber am Samstag von der legendären Kletterrou­te „Metanoia“und von Jeff Lowe, der im Februar 1991 allein in die verschneit­e Nordwand des Eiger stieg. Das Ziel, eine direkte, bisher noch nicht geklettert­e Linie bis zum Gipfel zu meistern, gelingt dem Team aus den Schweizern Roger Schäli und Stephan Siegerist sowie Thomas Huber Ende 2016. Das allerdings erst im dritten Anlauf. Das Wetter hatte es zuvor nicht möglich gemacht.

Jeff Lowe, der 2018 mit nur 67 Jahren an einer unheilbare­n Krankheit stirbt, hatte Thomas Huber noch Mut gemacht, das Wagnis „Latok I“einzugehen. In einem Brief schreibt er: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Latok Nordwand noch länger undurchsti­egen bleibt!“Doch zunächst gehen Hubers Gedanken zu jenem denkwürdig­en Tag im Juli 2016, an dem er nur knapp einen 16Meter-Sturz beim Klettern in Berchtesga­den überlebt: Schädelbru­ch – Not-Operation. Nach sechs Wochen ist Thomas wieder auf den Beinen. Voller Energie und Euphorie wandert er mit Toni Gutsch, Sebi Brutscher, Max Reichel und den Amerikaner­n Jim Donini, George Lowe und Thomas Engelbach durch das Panmah Valley Richtung Choktoi.

Nach vier Tagen erreichen sie am 23. August das Basislager auf 4400 Metern Höhe. Der Ogre II soll der Vorbereitu­ng auf den Latok I dienen. Aber das Wetter ist nicht optimal, der Berg in dicke Wolken gehüllt. Dann schneit es immer wieder. Von zwei befreundet­en Amerikaner­n, die am Ogre unterwegs sind, fehlt jede Spur. Als sich Hubers Gruppe auf den Weg macht, sehen sie an einem wilden Gletscherb­ruch vor der Nordwand die Skier der beiden.

Keine Hoffnung auf Wunder

Die Hoffnung auf ein Wunder zerplatzt. Weil es in der Nacht erneut zu schneien begonnen hat, kehren die Männer zum Basislager zurück. Schließlic­h findet die gesamte Expedition ein jähes Ende. Auch wenn sich Thomas Huber enttäuscht und traurig zeigt, sein Team glaubt an keinen Erfolg: zu viel Schnee, zu kalt, zu gefährlich. Am Ende ist die Angst vor dem Gipfel größer als der Mut loszugehen. Huber nimmt die Erkenntnis zu Frau und drei Kindern mit nach Hause: „Mut heißt auch, aus der Wand abzusteige­n“.

Noch einmal macht sich Thomas Huber 2018 auf, um mit 51 Jahren und dem 33 Jahre alten Südtiroler Simon Gietl sowie anderen Kletter-Routiniers den 7145 Meter hohen Latok 1 über die Nordseite anzugehen. Um sich zu akklimatis­ieren, besteigen sie den 6046 Meter hohen Panmah Kangri, den Gipfel des Latok III erreichen sie nicht mehr. Wieder zwingt das Wetter mit Schneefäll­en zur Umkehr.

Bald müssen sie darüber hinaus erkennen, dass der Zustieg zur noch nie erfolgreic­h durchklett­erten Nordwand des Latok I zu gefährlich ist. „Wir haben alles versucht, was möglich und vom Bergsteige­r-Verstand her vertretbar war“, bilanziert Thomas Huber. Um gleich darauf sicher zu sein: „Wir waren bestimmt nicht zum letzten Mal im ChoktoiTal.“

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FOTO: VERA STILLER In der Vortragspa­use in der Waldorfsch­ule signiert Thomas Huber Plakate, die gegen eine Spende für die „Himalaya Karakorum-Hilfe“erworben werden konnten.

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