Opfer melden sich nach Jahren
Mehr Tötungsdelikte, Vergewaltigungen und Raubtaten – Etliche Anzeigen betreffen Fälle, die länger zurückliegen
KEMPTEN/OBERALLGÄU (se) - Sicherheit ist für Markus Asbach, stellvertretender Leiter der Polizeiinspektion Kempten (PI), ein Standortfaktor für Städte und Gemeinden. Der Blick auf die Entwicklung der gesamten Kriminalität in Kempten und dem Altlandkreis sei demnach für die Bürger ein gutes Signal, sagte er nuun in einem Gespräch mit der „Allgäuer Zeitung“. Die Zahl der Fälle sinkt, die Aufklärungsquote ist unverändert hoch. Einen Ausreißer stellt die aktuelle Statistik der Kripo zur Gewaltkriminalität dar: Die Zahl dieser Delikte (81) stieg 2018 im Vergleich zum Vorjahr um 56 Prozent.
Dafür gebe es freilich Erklärungen, sagt Kripo-Chef Michael Haber. So lägen jetzt gemeldete Fälle von Vergewaltigungen teilweise schon Jahre zurück. Debatten wie „MeToo“oder „Nein heißt Nein“hätten offenbar Opfer ermutigt, sich an die Polizei zu wenden. Fast ausschließlich gehe es dabei um Beziehungstaten. Das gelte auch bei Fällen von Kindesmissbrauch. Die neuen Medien spielten dabei eine große Rolle, etwa wenn pornografische Bilder an Minderjährige versendet werden. Jugendliche würden oft auch Opfer von Raubdelikten. Auf Handys und Bargeld hätten es die Täter am häufigsten abgesehen.
Gemessen an ihrem Anteil in der Bevölkerung ist die Beteiligung ausländischer Tatverdächtiger relativ hoch. Im Zusammenhang mit Gewaltdelikten ermittelte die PI Kempten in 46 Prozent der Fälle gegen nichtdeutsche Tatverdächtige. Bei der Kripo lag dieser Wert bei 55,7 Prozent. Die Zahlen bei Delikten gegen die sexuelle Selbstbestimmung: 41,3 Prozent ausländische Tatverdächtige bei der PI; 31,7 Prozent bei der Kripo. Nach Asylbewerbern werde nicht eigens aufgeschlüsselt.
Der Dienstbereich der Kriminalpolizei umfasst die kreisfreien Städte Kempten und Kaufbeuren sowie die Landkreise Lindau, Oberallgäu und Ostallgäu. Seit 2017 verfügt die KPI auch über ein Kommissariat CyberCrime. (Wirtschafts-)Kriminalität im Internet beschäftigt die Ermittler immer häufiger. Bei besonders günstigen Schnäppchen im weltweiten Netz sollten Verbraucher auch besonders hellhörig sein, raten die Experten.
Drei Drogentote
Rauschgiftkriminalität ist ein weiteres Feld, auf dem Jugendliche sowohl Opfer als auch Täter sind. Im Bereich der PI wurde bei 451 Delikten im Jahr 2018 gegen 66 Verdächtige ermittelt, die unter 18 waren. Die Masse der Fälle dreht sich um Cannabis-Missbrauch oder -Handel. Allerdings gab es vergangenes Jahr auch drei Drogentote (zwei in Kempten, einer im nördlichen Oberallgäu). Den Druck gegen Dealer wollen die Beamten weiterhin hochhalten.
Viele Täter stehen unter Alkohol
Alkohol ist zwar ein legales Rauschmittel, spielt aber bei Straftaten eine erhebliche Rolle. Über ein Drittel aller Tatverdächtiger stand beispielsweise unter Alkohol, wenn Körperverletzungen angezeigt wurden. „Bier und Schnaps wirken bei manchen wie ein Katalysator“, sagt Asbach. Sogenannte Rohheitsdelikte begehen zu 90 Prozent Männer.
Zwei Serien von Sachbeschädigungen an Autos haben die Werte in diesem Bereich nach oben getrieben. Ein Student wurde dingfest gemacht, der aus Frust an 48 Wagen Außenspiegel abgetreten hat.
Wie wichtig die Mitarbeit der Bevölkerung bei der Aufklärung von Verbrechen ist, machten Bernhard Martin, Leiter der Ermittlungsgruppe der Inspektion, sowie Sven Hornfischer vom Sachbereich Einsatz der Kripo deutlich. So wurden zuletzt Serientäter gefasst, die eine Zeugin beim Einbruch in eine Bäckerei gemeldet hatte. Niemand solle sich scheuen, die 110 zu wählen, wenn er verdächtige Beobachtungen macht. Je schneller, desto besser. Für KripoChef Haber ist dies schlicht eine Frage von Zivilcourage.