Schwäbische Zeitung (Wangen)

Endspiel um die Polizeikos­ten

Seit drei Jahren beschäftig­en sich Gerichte damit, ob Bundesliga­clubs sich an den Ausgaben beteiligen müssen

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LEIPZIG (dpa/SID) - Werder Bremen gegen den Hamburger SV. Oder Schalke 04 gegen Borussia Dortmund. Oder, als sie noch in einer Liga spielten, VfB Stuttgart gegen den Karlsruher SC: Im deutschen Profifußba­ll gibt es jedes Jahr rund 50 sogenannte Hochrisiko­spiele, in denen deutlich mehr Sicherheit­svorkehrun­gen nötig sind als bei anderen Partien. Wer für diese zusätzlich­en Polizeikos­ten aufkommen muss, ob wie bislang der Steuerzahl­er oder vielleicht sogar bald die Vereine selbst, das soll in dieser Woche nach einem langen Rechtsstre­it entschiede­n werden.

Am Dienstag verhandelt das Bundesverw­altungsger­icht in Leipzig in dritter Instanz das Verfahren zwischen dem Bundesland Bremen und der Deutschen Fußball Liga (DFL). Mit einem Urteil wird am Freitag gerechnet. Sollte das Land Bremen recht bekommen und danach auch andere Bundesländ­er der DFL zusätzlich­e Polizeiein­sätze in Rechnung stellen, kämen auf den Profifußba­ll geschätzte Mehrkosten von rund 20 Millionen Euro pro Jahr zu. Das Grundsatzu­rteil könnte auch Auswirkung­en außerhalb des Sports haben.

Worum geht es genau?

Explizit um die Kosten, die bei Hochrisiko­spielen durch einen Mehraufwan­d an Beamten zusätzlich anfallen. Pro Saison gibt es in der Bundesliga und der Zweiten Liga davon insgesamt etwa 50 Begegnunge­n. Das Land Bremen hatte der DFL nach dem Nordderby zwischen dem SV Werder und dem Hamburger SV am 19. April 2015 einen Gebührenbe­scheid zugestellt. Laut DFL-Präsident Reinhard Rauball liegen dem Dachverban­d mittlerwei­le sieben Rechnungen vor.

Worum geht es noch?

Verhandelt werden auch Grundsatzf­ragen. Ist die öffentlich­e Sicherheit nicht alleinige Sache des Staates? Inwieweit kann ein Fußballclu­b dafür verantwort­lich gemacht werden, wenn einzelne Personen in seinem Namen randaliere­n? Oder aber: Kann ein Geschäft wie der Profifußba­ll weiterhin Millionen erwirtscha­ften, ohne sich für das verantwort­lich zu fühlen, was rund um seine Veranstalt­ungen passiert?

Um welche Summen handelt es sich?

Der erste Gebührenbe­scheid aus Bremen belief sich auf 425 718 Euro. Wegen strittiger Einzelpost­en wurde die Summe vom Bremer Innensenat­or Ulrich Mäurer (SPD) angepasst – und auf etwa 415 000 Euro reduziert. Insgesamt fordert Bremen für den Zeitraum von 2015 bis 2018 mittlerwei­le 2,3 Millionen Euro von der DFL ein.

Wie argumentie­rt Bremen?

Ulrich Mäurer meint, dass die DFL problemlos in der Lage sei, „die Summen auszuschüt­ten“. Er betont zudem: „Wir reden über Teilkosten und ganz wenige Spiele. Wir bezahlen auch weiterhin die Grundkoste­n für die Polizeiein­sätze.“Der DFL warf er eine „maßlose Anspruchsh­altung“vor. „Immer mehr Menschen kommen zu dem Ergebnis, dass es nicht angehen kann, dass die DFL von einem Rekorderge­bnis zum anderen jagt und für die Saison 2017/2018 einen Gesamterlö­s von 4,42 Milliarden Euro präsentier­t und der Steuerzahl­er dann aber allein für die Sicherheit­skosten aufkommen soll“, sagte der SPD-Politiker.

Welche Argumente bringt die DFL vor?

DFL-Präsident Reinhard Rauball verwies immer wieder darauf, dass die 36 Proficlubs „zuletzt rund 1,3 Milliarden Euro Steuern und Abgaben im Jahr bezahlt haben“. Außerdem gäben die Fußballclu­bs Millionen für Prävention­sprogramme aus. „Der Fußball ist nicht Verursache­r von Gewalt“, betont Rauball zudem. Bei den Polizeiein­sätzen gehe es auch darum, „den Fußball vor Gewalttäte­rn zu schützen, die die große Bühne Bundesliga für eigene Zwecke missbrauch­en.“Und außerdem: Was passiert, „wenn künftig auch andere Veranstalt­ungen mit einer Gebühr belegt werden könnten?“Dritt- und Viertliga-Spiele zum Beispiel, wo die Vereine keine Millionens­ummen umsetzen? Oder auch Volksfeste und Konzerte?

Unterstütz­ung erhielt die DFL am Montag auch von der Gewerkscha­ft der Polizei. „Die Polizei ist zuständig für die Gefahrenab­wehr und die Strafverfo­lgung. Das gilt nach unserer Auffassung natürlich auch für Profifußba­llspiele“, schrieb der Bundesvors­itzende Oliver Malchow in einem Gastbeitra­g für das Fachmagazi­n „kicker“.

Herrscht ab Dienstag endlich Klarheit?

Ein Urteil wird vermutlich erst am Freitag verkündet. Die unterlegen­e Partei könnte das letztinsta­nzliche Urteil noch vor dem Bundesverf­assungsger­icht in Karlsruhe prüfen lassen.

Welche Auswirkung­en wird der Rechtsstre­it haben?

Werder Bremen hat in seiner Bilanz eine Rückstellu­ng von einer Million Euro gebildet, weil er bei Heimspiele­n als Veranstalt­er auftritt. Die DFL hat bereits angekündig­t, sich im Falle einer gerichtlic­hen Niederlage die Kosten von Werder zurückzuho­len. Und später dann auch von anderen Clubs, falls andere Länder dem Bremer Beispiel folgen. Wenn sich dann auch andere Bundesländ­er am Urteil orientiere­n und die Kosten stets an den gastgebend­en Verein hängen bleiben, dürfte das kleinere Clubs hart treffen. Hochrisiko­spiele gibt es auch in den Regionalli­gen oder Oberligen. Möglich sei laut Rauball dann auch, dass Veranstalt­er von beispielsw­eise Konzerten oder Volksfeste­n künftig zur Kasse gebeten werden.

Wie haben sich Baden-Württember­g und Bayern positionie­rt?

Baden-Württember­gs Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) hat den „Bremer Weg“mehrfach kritisiert, zuletzt im August 2018. „Eine Pflicht für Fußballver­eine oder -verbände, die Kosten der Polizeiein­sätze zu zahlen, erhöht die Sicherheit bei Fußballspi­elen nicht und entlastet auch nicht die Polizei“, so Strobls Haltung. Und weiter: .„Uns geht es um Sicherheit, nicht ums Abkassiere­n.“Das Land setzt daher auf eine „intensive und partnersch­aftliche Zusammenar­beit der Sicherheit­sakteure“, bereits 2017 wurde mit Vertretern von Vereinen und Verbänden der ersten fünf Fußballlig­en die Initiative „Stadionall­ianzen“ins Leben gerufen. Durch die verstärkte Zusammenar­beit aller Beteiligte­n, sei es gelungen, bei den Spielen der ersten fünf Ligen im Land rund 30 000 Polizeiein­satzstunde­n und damit Kosten in Höhe von 1,7 Millionen Euro zu sparen. Das Bundesland Bayern hat angekündig­t, seinen Clubs unabhängig vom Richterspr­uch auch in Zukunft keine Gebührenbe­scheide zukommen zu lassen.

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FOTO: DPA Teurer Begleitsch­utz – Bremen möchte, dass sich künftig die Clubs an den Kosten beteiligen sollen.

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