Der Fels gibt sich weiter unverrückbar
Neuer geht im Duell mit ter Stegen gestärkt aus der Länderspielwoche hervor – und bleibt seiner Strategie treu
AMSTERDAM (SID/dpa) - Klar und souverän: Mit einer größeren Portion Selbstbewusstsein als Manuel Neuer hätte es wohl nicht einmal der einstige Titan Oliver Kahn die befreiende Leistung der deutschen Nummer 1 kommentieren können. Auf so ein Spiel wie das 3:2 (2:0) zum Start der EM-Qualifikation beim Erzrivalen Niederlande habe er „gewartet“, sagte Neuer nach seinem 86. Länderspiel, mit dem er Kahns Marke erreicht hatte: „Ich denke, dass ich torwartspezifisch ein gutes Spiel gemacht habe.“
Seinen Status als Stammkeeper im Konkurrenzkampf mit Herausforderer Marc-André ter Stegen hat Neuer in Amsterdam jedenfalls untermauert. „Manu hat in zwei, drei Situationen super gehalten. Er hatte auch eine gute Ausstrahlung. Das war eine klasse Leistung“, sagte Joachim Löw. Neuer gehe mit der Situation des Konkurrenzkampfes „sehr gut um“, ergänzte der Bundestrainer, „er ist sehr fokussiert und klar“.
So locker er hernach über seine Rettungstaten gegen Ryan Babel (25./ 27.) plauderte, so sicher war Neuer zuvor über 90 Minuten aufgetreten. An den Gegentoren von Matthijs de Ligt (48.) und Memphis Depay (63.) war er schuldlos, einzig bei langen Zuspielen zeigte er kleinere Schwächen. „Im Spielaufbau war es sehr schwer für uns“, erklärte er, „weil Holland Mann gegen Mann über den ganzen Platz verteidigt hat.“
War seine Leistung eine Antwort an die Kritiker, die ter Stegen vor ihm sehen? „Nein“, sagte Neuer, ohne Emotionen zu zeigen, „ich habe eine Thomas Berthold
gute Rückrunde gespielt, davon bin ich fest überzeugt, egal, was jetzt geschrieben wurde.“Allgemein lässt der Torwart von Bayern München keine wirkliche Diskussion um den Stammplatz im DFB-Tor aufkommen. Ein Konkurrenzkampf scheint für Neuer nicht existent. Was ihm in den vergangenen Monaten gefehlt habe? „Szenen, wo ich mich auszeichnen konnte.“Diese hatte er in der Johan-Cruyff-Arena – und er zeigte seine noch immer vorhandene Klasse. „Das war das beste Spiel, was ich von Manuel die letzten 14 Monate gesehen habe“, sagte Thomas Berthold, im ZDF-„Morgenmagazin“.
Besonders beeindruckend war die Ruhe Neuers, der mit 32 Jahren der mit Abstand älteste Spieler ist. Als ihm Joshua Kimmich nach einer Parade euphorisch ins Gesicht brüllte und auf die Brust trommelte, verzog er keine Miene – voll konzentriert auf den nächsten Einsatz, der zwei Minuten später kommen sollte. „Es ist gut, so einen Fels in der Brandung zu haben“, sagte Kimmich.
Ter Stegen dürfte daher einstweilen vergeblich hoffen, „dass ich in wichtigen Spielen das Vertrauen von ihm (Löw) bekomme“– auch wenn er im Juni bei den Qualispielen in Weißrussland und gegen Estland erneut eine Bewährungschance erhalten sollte. Neuer dagegen kann den deutschen Torwartrekord von Sepp Maier (95 Länderspiele) anpeilen.
„Es geht nicht um Marc, es geht auch nicht um mich“, sagte er, das Verhältnis der deutschen Schlussmänner untereinander sei „gut, wir arbeiten und spielen in einer Mannschaft zusammen“. Alle vier, also auch Kevin Trapp und Bernd Leno, seien „starke, tolle Torleute und Profis, das ist ein gesunder Konkurrenzkampf“. In dem Neuer die Nase vorne hat. „Löw hat Manuel gekitzelt und auch der Druck, den MarcAndré ter Stegen durch konstant starke Leistungen in Barcelona macht, hat ihn beflügelt. Neuer hat eine Schippe drauf gelegt und bleibt mit solchen Leistungen natürlich die unangefochtene Nummer eins“, ist sich Lothar Matthäus sicher. Doch ausruhen darf sich Neuer freilich nicht. „Ter Stegen hat gewaltig aufgeholt“, sagte Franz Beckenbauer bei Sky, „er wird nicht lockerlassen.“
„Das war das beste Spiel, was ich von Manuel die letzten 14 Monate gesehen habe.“