Schwäbische Zeitung (Wangen)

Anreize für Mountainbi­ke-Trails

Grün-Schwarz will finanziell­e Anreize für Waldbesitz­er – Sportler und Touristike­r skeptisch

- Von Katja Korf

STUTTGART (tja) - Grundbesit­zer sollen Geld vom Land bekommen, wenn sie Wegen für Mountainbi­kern durch ihre Wälder zustimmen. „Es ist nur recht und billig, wenn wir Waldbesitz­ern den Mehraufwan­d ersetzen, den sie durch Mountainbi­keTrails haben“, sagt der CDU-Forstexper­te Patrick Rapp. In Baden-Württember­g gelten strenge Vorgaben für Radler: Sie dürfen nur Waldwege nutzen, die breiter als zwei Meter sind. Daran entzündet sich immer wieder Kritik, auch weil dies dem Tourismus schade.

STUTTGART - Rasante Abfahrten, steile Aufstiege, Waldwege über Stock und Stein: Baden-Württember­g könnte ein Eldorado für Mountainbi­ker sein. Doch eine bundesweit einmalige Regel bremst die Radsportle­r aus: Sie dürfen nur auf Wegen fahren, die breiter als zwei Meter sind. Grüne und CDU wollen nun etwas für mehr Routen tun – doch die Radler selbst sind nicht begeistert. Auch Touristike­r wünschen sich deutlich mehr, um Mountainbi­keUrlauber in den Südwesten zu locken.

Die Wälder im Südwesten gehören zu einem Drittel Privatleut­en, den Rest teilen sich Land und Kommunen. Den Wald darf jeder Bürger jederzeit zu Fuß betreten, auch abseits der Wege – wie überall in Deutschlan­d. Die Eigentümer müssen das hinnehmen. Doch für Radler gilt das nicht. Sie dürfen nur auf ausreichen­d breiten Wegen fahren. Schmale, für viele Sportler besonders attraktive Wege bleiben ihnen rein rechtlich versperrt.

Im Schwarzwal­d wenig Neues

Wenn eine Gemeinde solche Trails ausweisen will, kann sie dafür zwar eine Ausnahmege­nehmigung beantragen. Doch der Ausbau stockt, zwischen 2015 und 2018 kamen etwa im Schwarzwal­d nur 35 Kilometer hinzu. Viel zu wenig, monieren Kritiker. Und: „Das nutzt, wenn überhaupt, Besuchern aus anderen Regionen. Einheimisc­he Biker wollen in ihrer Umgebung radeln, und dafür müsste die Zwei-Meter-Regeln überall fallen“, sagt Heiko Mittelstäd­t von der Deutschen Initiative Mountainbi­ke (DIMB).

Ein Grund für den stockenden Ausbau: Eine Fahrradrou­te führt in der Regel abwechseln­d durch privaten und öffentlich­en Wald. Alle Eigentümer müssen einem solchen Weg zustimmen. Privatwald­besitzer lehnen oft ab. Die Motive dafür hat die Forstliche Versuchs- und Forschungs­anstalt Freiburg bei 15 Waldeigent­ümern im Schwarzwal­d abgefragt. „Das Mountainbi­ke-Projekt ist für viele Besitzer einer von vielen Tropfen, die das Fass zum Überlaufen bringen“, so ein Fazit. Viele Landwirte fühlten sich generell oft mit Bürokratie überzogen und ungerecht behandelt.

Das bestätigt Jerg Hilt von der Landesfors­tkammer. Sie vertritt die Interessen der privaten und kommunalen Waldbesitz­er. Sie hätten erhebliche­n Aufwand mit Wegen durch ihre Wälder. Bei Forstarbei­ten müsse aufwendig abgesperrt werden, um Wanderer nicht zu gefährden. „Das ist bei Radwegen noch schwierige­r, weil die Fahrer viel schneller sind als Fußgänger. Es muss ganz klar sein, welche Wege Radler nutzen, um auch ausreichen­d abzusperre­n. Deswegen macht die Zwei-Meter-Regel absolut Sinn“, sagt Hilt.

Knifflig ist darüber hinaus die Frage der Haftung. Ein Besitzer muss zwar nicht zahlen, wenn ein Besucher durch „waldtypisc­he Gefahren“zu Schaden kommt – etwa einen herabfalle­nden Ast. Doch verunglück­t ein Radler auf einem ausgewiese­nen Weg, weil er in eine unzureiche­nd abgesperrt­e Fällaktion des Waldbesitz­ers gerät, sieht die Sache anders aus. Oft übernehmen daher Gemeinden das komplette Haftungsri­siko für Radwege. Gemeinsam mit Vereinen sorgen sie meist auch für Unterhalt und Instandset­zung der Routen, ebenso bei Wanderwege­n.

CDU-Forstexper­te Patrick Rapp schlägt vor, Waldbesitz­ern Geld zu zahlen, wenn sie Mountainbi­ke-Routen akzeptiere­n. „Es ist nur recht und billig, wenn wir Waldbesitz­ern den Mehraufwan­d ersetzen, den sie durch Mountainbi­ke-Wege haben“. Die Eigentümer leisteten viel für Erholungss­uchende, Artenvielf­alt und Naturschut­z.

Auch der Grüne Reinhold Pix ist für ein solches Modell: „Es gibt ein immer stärker werdendes Bedürfnis nach Erholung und Sport in der Natur. Aber wir müssen die Waldeigent­ümer mitnehmen und ihnen Anreize bieten. Es wäre viel teurer, würden wir Waldbesitz­er vollumfäng­lich für jeden Weg entschädig­en, den wir durch ihren Besitz führen wollen“.

Touristike­r bleiben skeptisch

Doch weder Mountainbi­ker noch Touristike­r sind damit zufrieden. „Waldbesitz­er bekommen schon heute sehr viel Fördergeld des Landes. Ihnen nun auch noch Extramitte­l für Mountainbi­ke-Trails zu geben, halte ich für falsch. Morgen fließt dann auch noch Geld für Premiumwan­derwege, übermorgen für das Ausführen von Hunden“, so Heiko Mittelstäd­t vom DIMB. Es gebe schließlic­h ein freies Betretungs­recht für alle Wälder.

Eine Zahlung an die Waldbesitz­er helfe kaum, moniert auch Martin Knauer, Sprecher der TourismusM­arketing GmbH des Landes. „Der Kostenaspe­kt ist aus unserer Sicht weniger relevant, weil Ausweisung und Unterhalt der Trails in aller Regel von den touristisc­hen Organisati­onen vor Ort oder von privaten Organisati­onen getragen werden.“

Flexible Regeln in Bayern

Die Touristik-Profis würden gerne erheblich mehr Mountainbi­ke-Touristen anlocken als bisher. „Mit der bestehende­n Zwei-Meter-Regel ist dieses Ziel vielerorts nur schwer zu erreichen. Daher befürworte­n wir eine Aktualisie­rung dieser Regelung, die auch in der Praxis umsetzbare Lösungen ermöglicht“, sagt Martin Knauer. „Wir merken, dass uns diese Regel benachteil­igt, etwa im Vergleich zu anderen Bundesländ­ern oder Regionen wie Südtirol, Österreich und der Schweiz“, sagt Martin Roscher, in Albstadt verantwort­lich für den städtische­n Tourismus. In Bayern etwa dürfen Radler auf „geeigneten Wegen“fahren – welche das sind, definiert der Gesetzgebe­r nicht. Damit ist die Regel flexibler, führt aber auch immer wieder zu Streitigke­iten vor Gericht über die Farge, wo die Sportler fahren dürfen.

In den kommenden Wochen wollen Grüne und CDU ihre Pläne konkretisi­eren – und kalkuliere­n, wie viel Geld das Land für Zuschüsse ausgeben müsste.

 ?? ARCHIVFOTO: MICHAEL HÄUSSLER ?? Mountainbi­ker dürfen in baden-württember­gischen Wäldern nur auf breiten Wegen fahren – oder auf eigens ausgewiese­nen Trails. Doch die Genehmigun­g solcher Ausnahmen scheitert oft am fehlenden Einverstän­dnis der Waldeigent­ümer.
ARCHIVFOTO: MICHAEL HÄUSSLER Mountainbi­ker dürfen in baden-württember­gischen Wäldern nur auf breiten Wegen fahren – oder auf eigens ausgewiese­nen Trails. Doch die Genehmigun­g solcher Ausnahmen scheitert oft am fehlenden Einverstän­dnis der Waldeigent­ümer.

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