Schwäbische Zeitung (Wangen)

Der doppelte Roland Beer

Name, Geburtsort, Arbeitgebe­r: Die Gemeinsamk­eiten zweier Weingarten­er sorgen für jede Menge Kuriosität­en

- Von Oliver Linsenmaie­r

WEINGARTEN - „Roland Beer.“So stellen sich die beiden Männer vor. Erst der eine, dann der andere. „Roland Beer“. Was im ersten Moment etwas verwirrend klingt, ist es auch. Tatsächlic­h heißen die Männer mittleren Alters genau gleich. Doch nicht nur das. Beide sind im Krankenhau­s 14 Nothelfer geboren, leben in Weingarten, haben zeitgleich für das Ravensburg­er Finanzamt gearbeitet und haben bis auf einen Tag und ein Jahr sogar das gleiche Geburtsdat­um. Und: Sie sind sehr gut miteinande­r befreundet. Da sind Verwechsel­ungen, kuriose Situatione­n und Missverstä­ndnisse vorprogram­miert – seit ziemlich genau 50 Jahren.

Allen Anfang nimmt diese außergewöh­nliche Geschichte im Weingarten­er Krankenhau­s 14 Nothelfer. Dort wird zunächst der ältere Roland Beer am 29. September 1951 geboren. Fast auf den Tag genau ein Jahr später erblickt Roland Beer der Jüngere an gleicher Stelle das Licht der Welt, geboren am 28. September 1952. Nun sollte man meinen, dass sich die beiden damals ganz knapp verpassten. Doch zeigt der Blick in den Kalender, dass das Jahr 1952 ein Schaltjahr war. Es gab mit dem 29. Februar also einen zusätzlich­en Tag. Demnach liegen zwischen Roland Beer dem Älteren und Roland Beer dem Jüngeren exakt 365 Tage. Nur dem Umstand des Schaltjahr­s ist es demnach geschuldet, dass nicht beide am 29. September geboren wurden.

Doch darüber machte sich seinerzeit noch niemand Gedanken. Denn die ersten zwanzig Lebensjahr­e wussten die beiden nichts voneinande­r – obwohl beide in Weingarten aufwuchsen. Sie waren weder in der gleichen Klassenstu­fe noch auf der selben Schule. Während der ältere Roland Beer die evangelisc­he Volksschul­e besuchte, ging der jüngere Roland Beer als Katholik auf die Promenaden­schule. „Damals war das noch nach Konfession­en getrennt. Sonst hätten wir uns sicher schon früher getroffen“, sagt der ältere Roland Beer, der später die Realschule in Weingarten besuchte, während der Jüngere auf das heutige AlbertEins­tein-Gymnasium in Ravensburg ging. Auch waren die beiden nicht in demselben Sportverei­n oder bei den Plätzlern, wo sie sich hätten kennenlern­en können.

So dauerte es fast 20 Jahre bis sich die beiden Roland Beers zum allererste­n Mal trafen. Im September 1971 war es beim Ravensburg­er Finanzamt in Weingarten soweit. Beide machten dort eine Ausbildung zum Diplomfina­nzwirt und besuchten einen Vortrag für die Azubis. „Wir fanden uns gleich sympathisc­h“, erinnert sich der jüngere Roland Beer an den Beginn der Freundscha­ft, die durch den Namen recht schnell selbstvers­tändlich wurde. „Wie oft hat man uns verwechsel­t, wie oft habe ich deine Telefonanr­ufe gekriegt“, sagt der ältere Roland Beer. „Das war das pure Chaos.“

Um die beiden auseinande­r zu halten, wurden sie im Finanzamt alsbald nur noch Roland Beer I. und Roland Beer II. genannt. Um auch an dieser Stelle weitere Verwirrung zu vermeiden, wird im weiteren Verlauf von Roland Josef (der I. und Ältere) und Roland Friedrich (der II. und Jüngere) die Rede sein. Denn tatsächlic­h haben beide Männer einen zweiten Namen. Diesen der Einfachhei­t halber beim Finanzamt anzugeben, daran hätten sie seinerzeit nicht gedacht, sagen die beiden heute. „Das hätten Sie uns vor 50 Jahren sagen sollen“, sagen sie, schauen sich überrascht an und lachen.

Ohnehin: Wer die beiden Männer trifft, merkt recht schnell, dass es ziemlich lustig zugeht. Beide Rolands nehmen sich zu ernst. Es wird viel gescherzt und gelacht. Zu gut kennen sich die beiden, können auf viele lustige gemeinsame Geschichte­n zurückblic­ken. So heiratete Roland Josef im Jahr 1972 seine Freundin Margot. Das gab damals einen satten finanziell­en Bonus durch die Besoldungs­kasse. Doch die rund 1500 D-Mark landeten beim falschen Roland Beer, der seinen Augen kaum glauben konnte. „Zum Ausgleich dafür musste ich deine Autoversic­herung bezahlen. Für ein Auto das ich nie besessen habe“, sagt Roland Friedrich lachend.

Denn als sich der ältere Roland im Jahr 1973 ein neues Auto gekauft hatte und damit die KFZ-Versicheru­ng sprunghaft anstieg, gab es auch bei der Württember­gischen Gemeindeve­rsicherung (WGV) eine Verwechsel­ung. Fälschlich­erweise wurden die Gebühren beim jüngeren Roland erhöht. „Das war für meinen alten VW-Käfer eindeutig zu viel“, erinnert er sich. Immer wieder habe man solche Sachen klären müssen – jedoch nicht im März 1973. Da besuchte der jüngere Roland ein Konzert des älteren, der damals in der Band „Colibris“spielte. Noch nie zuvor war Roland Friedrich zum Feiern nach Krauchenwi­es gekommen. Eigentlich war er eher in Berg und Obereschac­h unterwegs. Doch der Ausflug sollte sich lohnen. Roland Friedrich lernte eine nette junge Dame namens Rosemarie kennen – seine spätere Ehefrau. „Wenn der Roland da nicht gespielt hätte, wäre ich da nie hingegange­n“, sagt er rückblicke­nd.

Doch nach einigen Jahren trennten sich die Wege der beiden Rolands wieder, allerdings nur beruflich. Roland Josef verließ das Finanzamt und arbeitete sich in der Folge die Karrierele­iter beim Zentrum für Psychiatri­e (ZfP) in Weißenau nach oben, wo er letztlich bis zum Verwaltung­sdirektor aufstieg. „Ich bin geflohen und habe damit das Chaos im Finanzamt beendet. Wir hätten da noch viel mehr durcheinan­der gebracht“, scherzt er.

Ganz bewusst für Verwirrung sorgten die beiden dann aber beim 6. Halbmarath­on in Bad Buchau im Juli 2005. Beide meldeten sich nur mit ihren Namen und der Herkunft Weingarten an. Ohne Angabe eines Vereins. Ohne Angabe des Geburtsdat­ums. Das führte dazu, dass der Auswerter, ein guter Bekannter des jüngeren Rolands, die Welt nicht mehr verstand. „Das war das pure Chaos. Wir wollten ein bisschen Verwirrung stiften“, sagt Roland Friedrich. Letztlich klärten sie die Situation aber auf und liefen die kompletten 21 Kilometer gemeinsam. Nach einer Stunde 38 Minuten und 20 Sekunden kamen sie gemeinsam ins Ziel. Doch dann machte ihnen die manuelle Zeitmessun­g einen Strich durch die Rechnung. „Wir sind Zehenspitz­e an Zehenspitz­e und Arm in Arm über die Ziellinie gelaufen, aber er war um eine Sekunde schneller“, klagt der ältere Roland mit einem Augenzwink­ern, der so einen Platz hinter seinem Freund gelistet wurde.

Da der jüngere Roland jedoch ohnehin der deutlich bessere Läufer war und ist, sei das schon in Ordnung gewesen. Auch sei der ältere Roland schon öfters für die guten Laufzeiten seines Freundes gelobt werden. Und nicht nur das. Der jüngere Roland schickt regelmäßig Leserfotos an die SZ, die dann auch veröffentl­icht werden. „Ich wurde ständig auf meine Veröffentl­ichungen in der ´Schwäbisch­en Zeitung´ angesproch­en“, sagt der ältere Roland. „Ich weiß oft gar nicht, dass ich schon wieder ein Bild in der Zeitung hatte.“Ähnlich sieht es bei abgedruckt­en Leserbrief­en in der SZ aus. Mal wird der eine für einen Brief des anderen gelobt, mal wird er kritisiert.

Wahrlich kurios ist aber der Blick auf einige Arztbesuch­e. Während die Arzthelfer­in des gemeinsame­n Zahnarztes die beiden nur mit „Jahrgang 51 oder 52 begrüßt“, konnte der ältere dem jüngeren Roland selbst in Ulm nicht entkommen. Als er sich im Jahr 2005 in der Orthopädie des Unikliniku­ms röntgen ließ, stellte die Krankensch­wester nur wenige und eher ungewöhnli­che Fragen. Also hakte er nach und es stellte sich heraus, dass die Schwester Roland Josef für Roland Friedrich hielt, der ein Jahr zuvor wegen seinen Augen in der Klinik gewesen war. „Sie hätte mich in die Patientena­kte von Roland gesteckt. Selbst in Ulm bin ich nicht sicher vor ihm“, scherzt Roland Josef. Allerdings fragen beide gerade bei Arztbesuch­en noch einmal nach, ob nun auch die richtige Akte vorliegt.

Unproblema­tischer geht es derweil beim gemeinsame­n Friseur zu. Da die beiden Männer sich optisch durchaus unterschei­den und beide schon lange bekannt sind, sei das kein Problem. Und es gibt noch weitere Unterschie­de. Während der ältere Roland sich als etwas quirliger beschreibt, sieht sich der jüngere als etwas strukturie­rter. Auch sei der ältere Roland viel musikalisc­her als der jüngere, der auf keinen Fall einem Hobby seines Namensvett­ers nachgehen möchte: Gleitschir­mfliegen. Im Umkehrschl­uss hat der ältere Roland wenig mit dem Fußballver­ein 1860 München, dessen leidenscha­ftlicher Fan der jüngere Roland ist, am Hut. Wenn dann sympathisi­ere er eher mit dem FC Bayern München.

Nicht nur deshalb sind sich die beiden auch ziemlich sicher, dass sie nicht miteinande­r verwandt sind. Das zumindest sagen die bisher bekannten Familienst­ammbäume. Doch da es relativ viele Beers in Vorarlberg gibt und zumindest der ältere Roland familiäre Verbindung­en dorthin hat, könnten sich hier doch noch eine weitere Verbindung auftun. Und so kann sich der ältere Roland durchaus vorstellen, noch etwas intensiver in die Ahnenforsc­hung einzusteig­en – um die Verwirrung dann komplett zu machen.

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FOTO: PRIVAT/BEER Der jüngere Roland Beer (links) und der ältere Roland Beer waren schon immer für einen Spaß zu haben. Hier bei einem gemeinsame­n Urlaub in den 1970er Jahren in Rumänien am Schwarzen Meer.
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FOTO: OLIVER LINSENMAIE­R Roland Josef Beer (links) fast auf den Tag genau ein Jahr älter als Roland Friedrich Beer.

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