Der doppelte Roland Beer
Name, Geburtsort, Arbeitgeber: Die Gemeinsamkeiten zweier Weingartener sorgen für jede Menge Kuriositäten
WEINGARTEN - „Roland Beer.“So stellen sich die beiden Männer vor. Erst der eine, dann der andere. „Roland Beer“. Was im ersten Moment etwas verwirrend klingt, ist es auch. Tatsächlich heißen die Männer mittleren Alters genau gleich. Doch nicht nur das. Beide sind im Krankenhaus 14 Nothelfer geboren, leben in Weingarten, haben zeitgleich für das Ravensburger Finanzamt gearbeitet und haben bis auf einen Tag und ein Jahr sogar das gleiche Geburtsdatum. Und: Sie sind sehr gut miteinander befreundet. Da sind Verwechselungen, kuriose Situationen und Missverständnisse vorprogrammiert – seit ziemlich genau 50 Jahren.
Allen Anfang nimmt diese außergewöhnliche Geschichte im Weingartener Krankenhaus 14 Nothelfer. Dort wird zunächst der ältere Roland Beer am 29. September 1951 geboren. Fast auf den Tag genau ein Jahr später erblickt Roland Beer der Jüngere an gleicher Stelle das Licht der Welt, geboren am 28. September 1952. Nun sollte man meinen, dass sich die beiden damals ganz knapp verpassten. Doch zeigt der Blick in den Kalender, dass das Jahr 1952 ein Schaltjahr war. Es gab mit dem 29. Februar also einen zusätzlichen Tag. Demnach liegen zwischen Roland Beer dem Älteren und Roland Beer dem Jüngeren exakt 365 Tage. Nur dem Umstand des Schaltjahrs ist es demnach geschuldet, dass nicht beide am 29. September geboren wurden.
Doch darüber machte sich seinerzeit noch niemand Gedanken. Denn die ersten zwanzig Lebensjahre wussten die beiden nichts voneinander – obwohl beide in Weingarten aufwuchsen. Sie waren weder in der gleichen Klassenstufe noch auf der selben Schule. Während der ältere Roland Beer die evangelische Volksschule besuchte, ging der jüngere Roland Beer als Katholik auf die Promenadenschule. „Damals war das noch nach Konfessionen getrennt. Sonst hätten wir uns sicher schon früher getroffen“, sagt der ältere Roland Beer, der später die Realschule in Weingarten besuchte, während der Jüngere auf das heutige AlbertEinstein-Gymnasium in Ravensburg ging. Auch waren die beiden nicht in demselben Sportverein oder bei den Plätzlern, wo sie sich hätten kennenlernen können.
So dauerte es fast 20 Jahre bis sich die beiden Roland Beers zum allerersten Mal trafen. Im September 1971 war es beim Ravensburger Finanzamt in Weingarten soweit. Beide machten dort eine Ausbildung zum Diplomfinanzwirt und besuchten einen Vortrag für die Azubis. „Wir fanden uns gleich sympathisch“, erinnert sich der jüngere Roland Beer an den Beginn der Freundschaft, die durch den Namen recht schnell selbstverständlich wurde. „Wie oft hat man uns verwechselt, wie oft habe ich deine Telefonanrufe gekriegt“, sagt der ältere Roland Beer. „Das war das pure Chaos.“
Um die beiden auseinander zu halten, wurden sie im Finanzamt alsbald nur noch Roland Beer I. und Roland Beer II. genannt. Um auch an dieser Stelle weitere Verwirrung zu vermeiden, wird im weiteren Verlauf von Roland Josef (der I. und Ältere) und Roland Friedrich (der II. und Jüngere) die Rede sein. Denn tatsächlich haben beide Männer einen zweiten Namen. Diesen der Einfachheit halber beim Finanzamt anzugeben, daran hätten sie seinerzeit nicht gedacht, sagen die beiden heute. „Das hätten Sie uns vor 50 Jahren sagen sollen“, sagen sie, schauen sich überrascht an und lachen.
Ohnehin: Wer die beiden Männer trifft, merkt recht schnell, dass es ziemlich lustig zugeht. Beide Rolands nehmen sich zu ernst. Es wird viel gescherzt und gelacht. Zu gut kennen sich die beiden, können auf viele lustige gemeinsame Geschichten zurückblicken. So heiratete Roland Josef im Jahr 1972 seine Freundin Margot. Das gab damals einen satten finanziellen Bonus durch die Besoldungskasse. Doch die rund 1500 D-Mark landeten beim falschen Roland Beer, der seinen Augen kaum glauben konnte. „Zum Ausgleich dafür musste ich deine Autoversicherung bezahlen. Für ein Auto das ich nie besessen habe“, sagt Roland Friedrich lachend.
Denn als sich der ältere Roland im Jahr 1973 ein neues Auto gekauft hatte und damit die KFZ-Versicherung sprunghaft anstieg, gab es auch bei der Württembergischen Gemeindeversicherung (WGV) eine Verwechselung. Fälschlicherweise wurden die Gebühren beim jüngeren Roland erhöht. „Das war für meinen alten VW-Käfer eindeutig zu viel“, erinnert er sich. Immer wieder habe man solche Sachen klären müssen – jedoch nicht im März 1973. Da besuchte der jüngere Roland ein Konzert des älteren, der damals in der Band „Colibris“spielte. Noch nie zuvor war Roland Friedrich zum Feiern nach Krauchenwies gekommen. Eigentlich war er eher in Berg und Obereschach unterwegs. Doch der Ausflug sollte sich lohnen. Roland Friedrich lernte eine nette junge Dame namens Rosemarie kennen – seine spätere Ehefrau. „Wenn der Roland da nicht gespielt hätte, wäre ich da nie hingegangen“, sagt er rückblickend.
Doch nach einigen Jahren trennten sich die Wege der beiden Rolands wieder, allerdings nur beruflich. Roland Josef verließ das Finanzamt und arbeitete sich in der Folge die Karriereleiter beim Zentrum für Psychiatrie (ZfP) in Weißenau nach oben, wo er letztlich bis zum Verwaltungsdirektor aufstieg. „Ich bin geflohen und habe damit das Chaos im Finanzamt beendet. Wir hätten da noch viel mehr durcheinander gebracht“, scherzt er.
Ganz bewusst für Verwirrung sorgten die beiden dann aber beim 6. Halbmarathon in Bad Buchau im Juli 2005. Beide meldeten sich nur mit ihren Namen und der Herkunft Weingarten an. Ohne Angabe eines Vereins. Ohne Angabe des Geburtsdatums. Das führte dazu, dass der Auswerter, ein guter Bekannter des jüngeren Rolands, die Welt nicht mehr verstand. „Das war das pure Chaos. Wir wollten ein bisschen Verwirrung stiften“, sagt Roland Friedrich. Letztlich klärten sie die Situation aber auf und liefen die kompletten 21 Kilometer gemeinsam. Nach einer Stunde 38 Minuten und 20 Sekunden kamen sie gemeinsam ins Ziel. Doch dann machte ihnen die manuelle Zeitmessung einen Strich durch die Rechnung. „Wir sind Zehenspitze an Zehenspitze und Arm in Arm über die Ziellinie gelaufen, aber er war um eine Sekunde schneller“, klagt der ältere Roland mit einem Augenzwinkern, der so einen Platz hinter seinem Freund gelistet wurde.
Da der jüngere Roland jedoch ohnehin der deutlich bessere Läufer war und ist, sei das schon in Ordnung gewesen. Auch sei der ältere Roland schon öfters für die guten Laufzeiten seines Freundes gelobt werden. Und nicht nur das. Der jüngere Roland schickt regelmäßig Leserfotos an die SZ, die dann auch veröffentlicht werden. „Ich wurde ständig auf meine Veröffentlichungen in der ´Schwäbischen Zeitung´ angesprochen“, sagt der ältere Roland. „Ich weiß oft gar nicht, dass ich schon wieder ein Bild in der Zeitung hatte.“Ähnlich sieht es bei abgedruckten Leserbriefen in der SZ aus. Mal wird der eine für einen Brief des anderen gelobt, mal wird er kritisiert.
Wahrlich kurios ist aber der Blick auf einige Arztbesuche. Während die Arzthelferin des gemeinsamen Zahnarztes die beiden nur mit „Jahrgang 51 oder 52 begrüßt“, konnte der ältere dem jüngeren Roland selbst in Ulm nicht entkommen. Als er sich im Jahr 2005 in der Orthopädie des Uniklinikums röntgen ließ, stellte die Krankenschwester nur wenige und eher ungewöhnliche Fragen. Also hakte er nach und es stellte sich heraus, dass die Schwester Roland Josef für Roland Friedrich hielt, der ein Jahr zuvor wegen seinen Augen in der Klinik gewesen war. „Sie hätte mich in die Patientenakte von Roland gesteckt. Selbst in Ulm bin ich nicht sicher vor ihm“, scherzt Roland Josef. Allerdings fragen beide gerade bei Arztbesuchen noch einmal nach, ob nun auch die richtige Akte vorliegt.
Unproblematischer geht es derweil beim gemeinsamen Friseur zu. Da die beiden Männer sich optisch durchaus unterscheiden und beide schon lange bekannt sind, sei das kein Problem. Und es gibt noch weitere Unterschiede. Während der ältere Roland sich als etwas quirliger beschreibt, sieht sich der jüngere als etwas strukturierter. Auch sei der ältere Roland viel musikalischer als der jüngere, der auf keinen Fall einem Hobby seines Namensvetters nachgehen möchte: Gleitschirmfliegen. Im Umkehrschluss hat der ältere Roland wenig mit dem Fußballverein 1860 München, dessen leidenschaftlicher Fan der jüngere Roland ist, am Hut. Wenn dann sympathisiere er eher mit dem FC Bayern München.
Nicht nur deshalb sind sich die beiden auch ziemlich sicher, dass sie nicht miteinander verwandt sind. Das zumindest sagen die bisher bekannten Familienstammbäume. Doch da es relativ viele Beers in Vorarlberg gibt und zumindest der ältere Roland familiäre Verbindungen dorthin hat, könnten sich hier doch noch eine weitere Verbindung auftun. Und so kann sich der ältere Roland durchaus vorstellen, noch etwas intensiver in die Ahnenforschung einzusteigen – um die Verwirrung dann komplett zu machen.