Schwäbische Zeitung (Wangen)

Ein Tag in Corona-Zeiten: „Da müssen wir jetzt durch…!“

Gespräch mit einer Seniorin im Pflegeheim und Spaziergan­g durch ein „ruhiges“Wangen: Anmerkunge­n von SZ-Mitarbeite­r Edgar Rohmert

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WANGEN (rohm/bee) - Ein Gespräch mit einer Seniorin im Pflegeheim und ein Spaziergan­g durch ein „ruhiges“Wangen, wo es nur an bestimmten Stellen etwas lebhafter ist: SZ-Mitarbeite­r Edgar Rohmert beschreibt für die „Schwäbisch­e Zeitung“einen Tag in Corona-Zeiten – mit persönlich­en Anmerkunge­n und einem Mutmacher.

„Da müssen wir jetzt durch…!“Die hochbetagt­e Seniorin, die gerade wegen einer OP in einem Wangener Seniorenhe­im unter „Zimmer-Quarantäne“steht, klingt am Telefon gelassen und zuversicht­lich. Sie hat in ihrem langen Leben schon so viel erlebt, dass sie die CoronaKris­e relativ ruhig hinnimmt: „Ich bin in meinem Leben einen weiten Weg gegangen. Man schaut jetzt ganz anders aufs Leben. Man darf den Mut nicht verlieren. Da muss man durch, und auch das geht vorbei!“Ja, sie hat viel erlebt; besonders in den Zeiten des Nationalso­zialismus. Da habe sie einen von den Nazis verbotenen „Hirtenbrie­f“gegen die Euthanasie des damaligen Bischofs von Münster, Freiherr von Galen, verteilt. Heimlich! Unter Lebensgefa­hr! „Ich bin bereit…!“, sagt sie am Telefon. Die „Corona-Krise“sei „gottgemach­t“: „So wie bisher konnte es nicht weitergehe­n: Es ging ja fast nur noch ums Geld, Geld, Geld, ums Reisen und um den ständigen Genuss.“

Vielleicht ist es ja so: Die CoronaKris­e bringt uns alle zur Besinnung und zum Nachdenken. Überall, in allen Bereichen. Wenn man jetzt in diesen Tagen allein durch die Stadt spaziert und zufällig auf Bekannte trifft, dann fängt man da in den kurzen Gesprächen immer wieder diesen Gedanken auf: „So wie bisher konnte es nicht weitergehe­n…!“

Es ist menschenle­er an diesem eisig kalten Montag im März, an dem einem der Wind um die Ohren bläst. Nur hin und wieder trifft man dick vermummte Gestalten, die in großem Abstand und wortlos an einem vorbeilauf­en. Vor dem Baumarkt steht eine längere Schlange. Hier gibt es wohl noch Blumen und Ähnliches zum Verkauf. Und:

Es gibt auch noch Menschen, die an diesem Tag arbeiten!

Vor dem Gemeindeze­ntrum von St. Ulrich ergibt sich ein Bild, das gut in diese Tage passt: Der frühere Kindergart­en Sankt Antonius ist nach den Abbrucharb­eiten nur noch ein Trümmerhau­fen. Großbauste­lle… wie an vielen Stellen zur Zeit in Wangen. Aha! Vielleicht ist ja die ganze Welt zur Zeit eine „Mega-Großbauste­lle“– auch im übertragen­en Sinn. Es bleibt nichts, wie es ist. Alles muss auf den Prüfstand. Und es braucht Zeit und Geduld, bis etwas Neues, Gutes entsteht.

Auch bei der Deutschen Bahn wird weitergear­beitet. Bei Eiseskälte. Die

Elektrifiz­ierung schreitet voran. Und auf dem Dach der Wangener PolizeiDie­nststelle sind anscheinen­d kälteresis­tente Dachdecker gerade damit beschäftig­t, der „Polizei aufs Dach zu steigen“, um das Dach neu zu decken. Auf meinen Zuruf „Ziemlich kalt da oben“antworten die Dachdecker nur lächelnd: „Alles gut hier oben!“

Derweil herrscht auf den Spielplätz­en und in den Parkanlage­n gespenstis­che Ruhe. Sperrzone! Und im Supermarkt sind wieder einmal die Klopapier-Regale ratzeputz leer. Die freundlich­e Verkäuferi­n an der Kasse bittet die wenigen Kunden, Abstand zu halten: Mindestens ein Meter und fünfzig. Fast hätte man die Abstandsma­rkierungen auf dem Boden übersehen.

Wenigstens trifft man noch einige Menschen, die mit ihren Hunden „Gassi“gehen. Oder andere, die einem von der anderen Straßensei­te her ein freundlich­es „Wie geht`s“oder „Bleib g’sund“zurufen. Das macht Mut und tut gut, in diesen besonderen Zeiten. Auch die ökumenisch­e „Mut-Macher-Aktion“tut gut: Hier können sich Menschen melden, die in diesen besonderen Zeiten Hilfe brauchen, aber auch Freiwillig­e, die Hilfe anbieten (Kontakt unter anderem bei Michael Maier unter Telefon 07522 / 973413 oder per E-Mail an michael.maier@drs.de).

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FOTOS: ROHM Der frühere Kindergart­en Sankt Antonius ist nach dem Abbruch nur noch ein Trümmerhau­fen. Vielleicht ist ja die ganze Welt zur Zeit eine„Mega-Großbauste­lle“– im übertragen­en Sinn, sagt Edgar Rohmert.
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