Schwäbische Zeitung (Wangen)

Erst im Eimer, dann in Sicherheit

Die Kröten wandern wieder – und die Helfer brauchen Stirnlampe­n und Gummistief­el

- Von Nora Kneer

HORGENZELL - Es ist kalt und komplett dunkel. In Winterbach bei Horgenzell scheinen sechs Taschen- und Stirnlampe­n in das Gesicht von Ulfried Miller vom BUND Ravensburg. Er erklärt an diesem Abend neuen Helfern, wie sie Tieren während der Amphibienw­anderung helfen können. Sobald erwachsene Kröten, Frösche und Molche aus der Winterstar­re erwachen, wandern sie zurück zu ihren Laichgewäs­sern, um sich fortzupfla­nzen. Dabei überqueren sie oft Straßen.

Damit keine Kröten überfahren werden, stellen die Tierschütz­er einen Schutzzaun und Fallen auf. Alle zehn bis 15 Meter ist hinter dem knapp kniehohen Fangzaun ein Eimer eingegrabe­n. Tiere, die die Straße überqueren wollen, fallen stattdesse­n in die Eimer. Ehrenamtli­che Helfer sammeln die Kröten, Frösche und Molche dann ein und bringen sie sicher über die Straße. Miller erklärt neuen Helfern, wie die Einsätze ablaufen und wie sie die verschiede­nen Tierarten unterschei­den können. Im ersten Eimer ist ein Erdkrötenm­ännchen gefangen. Das erkenne man an der warzigen Haut und der schlanken Gestalt, erklärt Ulfried Miller. Als er das Tier vorsichtig zwischen Vorder- und Hinterbein­en hält, fängt es an zu quaken. „Das ist der Befreiungs­ruf.“Eine Helferin macht einen Strich auf ihrer Liste unter „Erdkröte“. Miller setzt die Kröte in einen Sammeleime­r und geht weiter zur nächsten Falle.

In der nächsten Falle sitzt eine Spinne. Das mache nichts, sagt Miller. Kleine Stöckchen in den Eimern sollen Insekten den Weg nach oben ermögliche­n, während die Amphibien gefangen sind. Die ehrenamtli­chen Tierschütz­er holen diese dann heraus und bestimmen, ob es sich um eine Erdkröte, einen Grasoder Wasserfros­ch oder einen Molch handelt. Jedes Tier wird dokumentie­rt und anschließe­nd am angestrebt­en Laichgewäs­ser in die Freiheit entlassen. Wann die Amphibien ihre Wanderung beginnen, verrät ihnen eine Art innere Uhr, sagt Ulfried Miller. Dabei müssen die Temperatur­en, die Feuchtigke­it und das Längenverh­ältnis von Tag und Nacht stimmen. Der Höhepunkt ist März bis April. Autofahrer werden in dieser Zeit zu besonderer

Vorsicht aufgerufen. Nicht nur wegen der Tiere, sondern besonders wegen der Helfer, die oft im Dunkeln aktiv sind.

„Dieses Jahr haben wir viele neue Helfer“, sagt Miller. Insgesamt seien es 190 im Kreis Ravensburg. 30 seien neu dazugekomm­en. Diese werden auch dringend benötigt. Denn an jedem der acht Zäune im Kreis Ravensburg gibt es morgens gegen 7.30 Uhr und abends um 22 Uhr einen Einsatz. Besonders bei Regen sei es „ein Knochenjob“, wie Miller betont. Bei feuchtem Wetter wandern deutlich mehr Tiere als sonst. Am Zaun bei Winterbach waren es vergangene­s Jahr insgesamt etwa 1500 Amphibien.

„Jedes Weibchen hat 4000 Eier im Bauch“, erklärt Miller. Von diesen 4000 würden es nur vier bis fünf bis ins Erwachsene­nalter schaffen. „Wenn von diesen vier jetzt zwei überfahren werden, hat das extreme Auswirkung­en auf die Population.“Deswegen sei Amphibiens­chutz sehr wichtig für den Erhalt der Arten.

In dem großen Sammeleime­r sitzen am Ende etwa zehn Tiere. Das seien recht wenige, meint Miller. Bei niedrigen Temperatur­en würden weniger Kröten wandern. Teilweise komme die Wanderung ganz zum Erliegen. An manchen Tagen seien keine Tiere in den Fallen, an anderen Tagen dafür über 100.

Der kleine Weiher auf der anderen Straßensei­te ist das Laichgewäs­ser der Amphibien. „Wir setzen sie nicht direkt ins Wasser, nur davor“, erklärt er. Er versinkt etwas im Schlamm, während er den Sammeleime­r vorsichtig auskippt und die Tiere in die Freiheit entlässt.

An einigen Stellen gebe es bereits Tunnel unter den Straßen, die die Amphibien benutzen. So würden keine Helfer benötigt und die Tiere das ganze Jahr über geschützt. Neben der Wanderung zu den Laichgewäs­sern im Frühjahr gebe es noch die Rückwander­ung, weg von den Laichgewäs­sern, und die Jungtierwa­nderung, erzählt Miller. Dabei sind die Tiere noch auf sich allein gestellt. Zukünftig soll sich das schrittwei­se ändern. Das Verkehrsmi­nisterium hat den Bau von weiteren Schutztunn­eln angekündig­t. Trotzdem könne man auch in Zukunft nicht auf die Hilfe freiwillig­er Helfer verzichten, sagt Ulfried Miller.

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