Erst im Eimer, dann in Sicherheit
Die Kröten wandern wieder – und die Helfer brauchen Stirnlampen und Gummistiefel
HORGENZELL - Es ist kalt und komplett dunkel. In Winterbach bei Horgenzell scheinen sechs Taschen- und Stirnlampen in das Gesicht von Ulfried Miller vom BUND Ravensburg. Er erklärt an diesem Abend neuen Helfern, wie sie Tieren während der Amphibienwanderung helfen können. Sobald erwachsene Kröten, Frösche und Molche aus der Winterstarre erwachen, wandern sie zurück zu ihren Laichgewässern, um sich fortzupflanzen. Dabei überqueren sie oft Straßen.
Damit keine Kröten überfahren werden, stellen die Tierschützer einen Schutzzaun und Fallen auf. Alle zehn bis 15 Meter ist hinter dem knapp kniehohen Fangzaun ein Eimer eingegraben. Tiere, die die Straße überqueren wollen, fallen stattdessen in die Eimer. Ehrenamtliche Helfer sammeln die Kröten, Frösche und Molche dann ein und bringen sie sicher über die Straße. Miller erklärt neuen Helfern, wie die Einsätze ablaufen und wie sie die verschiedenen Tierarten unterscheiden können. Im ersten Eimer ist ein Erdkrötenmännchen gefangen. Das erkenne man an der warzigen Haut und der schlanken Gestalt, erklärt Ulfried Miller. Als er das Tier vorsichtig zwischen Vorder- und Hinterbeinen hält, fängt es an zu quaken. „Das ist der Befreiungsruf.“Eine Helferin macht einen Strich auf ihrer Liste unter „Erdkröte“. Miller setzt die Kröte in einen Sammeleimer und geht weiter zur nächsten Falle.
In der nächsten Falle sitzt eine Spinne. Das mache nichts, sagt Miller. Kleine Stöckchen in den Eimern sollen Insekten den Weg nach oben ermöglichen, während die Amphibien gefangen sind. Die ehrenamtlichen Tierschützer holen diese dann heraus und bestimmen, ob es sich um eine Erdkröte, einen Grasoder Wasserfrosch oder einen Molch handelt. Jedes Tier wird dokumentiert und anschließend am angestrebten Laichgewässer in die Freiheit entlassen. Wann die Amphibien ihre Wanderung beginnen, verrät ihnen eine Art innere Uhr, sagt Ulfried Miller. Dabei müssen die Temperaturen, die Feuchtigkeit und das Längenverhältnis von Tag und Nacht stimmen. Der Höhepunkt ist März bis April. Autofahrer werden in dieser Zeit zu besonderer
Vorsicht aufgerufen. Nicht nur wegen der Tiere, sondern besonders wegen der Helfer, die oft im Dunkeln aktiv sind.
„Dieses Jahr haben wir viele neue Helfer“, sagt Miller. Insgesamt seien es 190 im Kreis Ravensburg. 30 seien neu dazugekommen. Diese werden auch dringend benötigt. Denn an jedem der acht Zäune im Kreis Ravensburg gibt es morgens gegen 7.30 Uhr und abends um 22 Uhr einen Einsatz. Besonders bei Regen sei es „ein Knochenjob“, wie Miller betont. Bei feuchtem Wetter wandern deutlich mehr Tiere als sonst. Am Zaun bei Winterbach waren es vergangenes Jahr insgesamt etwa 1500 Amphibien.
„Jedes Weibchen hat 4000 Eier im Bauch“, erklärt Miller. Von diesen 4000 würden es nur vier bis fünf bis ins Erwachsenenalter schaffen. „Wenn von diesen vier jetzt zwei überfahren werden, hat das extreme Auswirkungen auf die Population.“Deswegen sei Amphibienschutz sehr wichtig für den Erhalt der Arten.
In dem großen Sammeleimer sitzen am Ende etwa zehn Tiere. Das seien recht wenige, meint Miller. Bei niedrigen Temperaturen würden weniger Kröten wandern. Teilweise komme die Wanderung ganz zum Erliegen. An manchen Tagen seien keine Tiere in den Fallen, an anderen Tagen dafür über 100.
Der kleine Weiher auf der anderen Straßenseite ist das Laichgewässer der Amphibien. „Wir setzen sie nicht direkt ins Wasser, nur davor“, erklärt er. Er versinkt etwas im Schlamm, während er den Sammeleimer vorsichtig auskippt und die Tiere in die Freiheit entlässt.
An einigen Stellen gebe es bereits Tunnel unter den Straßen, die die Amphibien benutzen. So würden keine Helfer benötigt und die Tiere das ganze Jahr über geschützt. Neben der Wanderung zu den Laichgewässern im Frühjahr gebe es noch die Rückwanderung, weg von den Laichgewässern, und die Jungtierwanderung, erzählt Miller. Dabei sind die Tiere noch auf sich allein gestellt. Zukünftig soll sich das schrittweise ändern. Das Verkehrsministerium hat den Bau von weiteren Schutztunneln angekündigt. Trotzdem könne man auch in Zukunft nicht auf die Hilfe freiwilliger Helfer verzichten, sagt Ulfried Miller.