So stemmen sich Ärzte gegen das Coronavirus
Viel Telefonberatung, zu wenig Schutzausrüstung: Wie die Krise den Praxisalltag von Medizinern umgekrempelt
WANGEN (bee/jps/sz) - Viel Beratung am Telefon, so gut es geht Schutzvorkehrungen, und die Sorge vor einer Ansteckung als ständiger Begleiter: Die Corona-Krise hat den Praxisalltag von niedergelassenen Ärzten völlig umgekrempelt. Die „Schwäbische Zeitung“hat mit einigen Medizinern aus der Region gesprochen.
So geht der Allgemeinmediziner mit der Krise um
Die allermeisten geplanten Routinetermine, vor allem bei älteren Patienten, hat Dr. Alwin Burth längst auf Eis gelegt. Notwendige Impfungen nimmt der Wangener Allgemeinmediziner aber weiterhin vor, ebenso behandelt er weiter Patienten mit beispielsweise entzündeter Blase, Prellungen, chirurgischen oder orthopädischen Diagnosen oder bei einem Verbandswechsel. Die Bedingung: Sie dürfen keine Symptome einer Infektion wie Fieber, Schnupfen oder Husten aufweisen. „Wenn Erkrankte kommen, bei denen wir nicht genau wissen, was sie haben, dann können wir sie nicht untersuchen“, sagt Burth. Die Richtlinie sei ganz klar: „Der Schutz von sich selbst und vom Personal geht vor.“Deshalb sei die Praxistür zu, Patienten würden davor bereits geprüft, im Normalfall kämen nur Angemeldete hinein.
„Wir machen hier fast nur noch Telefonsprechstunde“, so der Hausarzt, der so gegebenenfalls auch Krankmeldungen oder Rezepte ausstellen kann. Der Hintergrund für die ganzen Vorsichtsmaßnahmen: „Wir haben fast keine geeignete Schutzausrüstung“, sagt der Mediziner. „Die ist zwar bestellt, wir kriegen aber nichts, das geht alles an die Kliniken.“Deshalb überlege er sich zusammen mit den anderen Wangener Hausärzten, eine sogenannte Fieberambulanz einzurichten, wo zentral alle Patienten mit Verdacht auf das Coronavirus angeschaut würden, damit sie nicht direkt in die Praxen gehen. „Das ist ressourcenschonend, und so bekommen wir auch mehr Schutzausrüstung zugeteilt.“
Wie der HNO-Facharzt die Situation bewältigt
Fehlende Schutzausrüstung ist auch in der Praxis von Dr. Michael Neumann ein großes Thema. Der Wangener Hals-Nasen-Ohren-Facharzt bräuchte mehr Masken, Visiere und Schutzanzüge. Mit der vorhandenen Ausrüstung und diversen Vorsichtsmaßnahmen versucht er, sich und sein Personal zu schützen und gleichzeitig die Praxis so gut es geht am Laufen zu halten.
„Patienten sollen nur einzeln eintreten, es dürfen maximal drei in der Praxis sein, und die in unterschiedlichen Räumen“, so Neumann. Patienten mit Infektionssymptomen würden in der Praxis nicht angenommen und telefonisch beraten. Geplante Operationen im Krankenhaus macht der Belegarzt derzeit nicht – wegen der unsicheren Nachsorge und weil die Räumlichkeiten und Gerätschaften für Corona-Infizierte freigehalten werden müssten. Hypersensibilisierungen, chronische Patienten und Akutfälle wie starke Ohrenschmerzen oder Nasenbluten werden jedoch weiter behandelt – mit besonderer Vorsicht und erhöhtem Schutz: „Weil sich der Virus in der Nase und im Rachen festsetzt.“Man vermeide unnötige Kontakte und führe notwendige Untersuchungen durch, deshalb haben wir aktuell mit nur noch 30 Prozent deutlich weniger Patienten“, sagt Michael Neumann. Es gebe in der Praxis momentan kein anderes Thema als das Coronavirus. „Im Prinzip warten wir jetzt ab, was da noch auf uns zukommt, haben aber nicht nur Sorgen
finanzieller Art, sondern auch vor der Ansteckungsgefahr.“
Warum sich ein Zahnarzt im Stich gelassen fühlt
„Zumindest wir Zahnärzte fühlen uns im Stich gelassen“, beklagt Michael Max aus Neuravensburg teils „schwammige Anordnungen“und die fehlende Belieferung mit nötigen Schutzausrüstungen. Schwammig ist aus seiner Sicht die Vorgabe, nur noch „notwendige Behandlungen“zu erledigen: „Wie notwendig etwas ist, sieht jeder Arzt anders.“Für seine Praxis bedeutet dies: Derzeit kommen nur Schmerzfälle in Frage und bereits vor Beginn der CoronaKrise eingeleitete Behandlungen.
In Sachen Schutzausrüstungen sagt Michael Max: Es gebe weder Spezialmasken noch Ganzkörperanzüge, wenngleich er hier den den Vorrang von Krankenhäusern akzeptiert. Dem Bund wirft er aber vor, keine Vorräte angelegt zu haben.
An üblicher Schutzkleidung mangele es in seiner Praxis hingegen nicht, da er grundsätzlich und unabhängig von Corona Reserven anlege. Allerdings werde auch die mittlerweile nur noch „in einer bestimmten Stückzahl“nachgeliefert. Zudem sei nicht sicher, dass die normalen Masken auch einen Virus abhalten.
Vor diesen Hintergründen hat er bei manchen seiner sieben Angestellten Ängste gespürt und ihnen freigestellt, ob sie arbeiten wollen. „Ich persönlich mache mir keine Gedanken“, ergänzt Michael Max. Er hält die Ansteckungsgefahr beim Einkauf für größer als beim Kontakt mit Patienten in seiner Praxis. Auch, weil diese vor einer Behandlung zu Krankheitssymptomen befragt werden. Das sei im Supermarkt nicht der Fall.
Das sagt der Vertreter der Kinderärzte
Der Kinderarzt Frank Kirchner aus Vogt kann in seiner Praxis keinen Ansturm von besorgten Eltern feststellen. Das dürfte sicherlich auch daran liegen, dass Kinder nicht so schwer an Covid-19 erkranken wie ältere oder geschwächte Personen. „Wir Kinderärzte haben uns am Montag beraten und die Meinung war, dass sich die Eltern sehr vernünftig verhalten. Die Eltern rufen vorher an. Hier kommt niemand einfach so hustend oder niesend in die Praxis“, berichtet der Obmann der Kinderärzte in der Region BodenseeOberschwaben. Und dieser telefonische Kontakt ist in diesen Zeiten besonders wichtig. „Wenn jemand positiv getestet wurde und Kontakt zu einem Praxismitarbeiter hatte, müssen wir schließen“, erklärt Kirchner.
Aufgrund der Corona-Pandemie habe auch er den Praxisalltag etwas anders organisiert. So finden morgens nur noch Vorsorgeuntersuchungen und Impfungen statt. „Die üblichen Impfungen müssen ja weitergehen. Sonst haben wir irgendwann eine Masernund Keuchhustenwelle“, so Kirchner. Am Nachmittag sind dann die infektiösen Krankheiten an der Reihe. Diese Patienten werden in unterschiedliche Räume verteilt, damit nicht alle in einem Wartezimmer bleiben müssen. Schutzausrüstung habe er noch in begrenztem Maß aus Schweinegrippe-Zeiten.