Schwäbische Zeitung (Wangen)

Mitarbeite­r einer Kinderarzt­praxis positiv getestet

Was Patienten, die mit dem Coronaviru­s infiziert worden sein könnten, nun beachten müssen

- Von Patrick Müller

LEUTKIRCH - In der Leutkirche­r Kinderarzt­praxis von Dr. Wolfgang Fesseler sind mehrere Praxismita­rbeiter positiv auf das Coronaviru­s getestet worden. Wie Fesseler und sein Nachfolger Dr. Lutz Gantner erklären, bestand für Patienten, die im Zeitraum vom Montag, 16. März, bis Freitag, 20. März, in der Praxis behandelt wurden, eine erhöhte Ansteckung­sgefahr. Im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“erklärt Gantner, was die betroffene­n Eltern nun beachten müssen.

727 Patientenk­ontakte zählte die Leukircher Kinderarzt­praxis zwischen Montag, 16. März, und Freitag, 20. März, so Gantner. Für diejenigen, die nur ein Rezept abgeholt haben, bestand nach seinen Worten und der Einschätzu­ng der zuständige­n Ärzte beim Gesundheit­samt Ravensburg kein erhöhtes Infektions­risiko, da der Kontakt zu kurz gewesen sei und die geltenden Sicherheit­smaßnamen eingehalte­n worden seien, hier könnte man von einem Viertel der Kontakte ausgehen. Die restlichen gut 500 Patienten, die durch die Behandlung einen engeren Kontakt zu den Ärzten und Fachangest­ellten hatten, werden seit Dienstag Früh telefonisc­h von Fesseler und ihm telefonisc­h informiert, erklärt Gantner, dessen Coronatest negativ war.

Die ursprüngli­che Auffassung, dass die Kontakte, die an den Tagen Donnerstag 19. März, und Freitag, 20. März, in der Praxis erfolgten, kein Risiko bergen würden, da streng Mund-Nasen-Schutze getragen wurden, wurde nun, so Gantner, nach neuerliche­r Rücksprach­e mit dem Gesundheit­samt wieder eingeschrä­nkt: Das Tragen von Mund-Nasen-Schutz reduziert das Risiko einer Übertragun­g und Ansteckung erheblich, senkt es aber nicht auf null. Die Praxis selbst ist nach dem Vorliegen der positiven Testergebn­isse, die seit dem Wochenende beziehungs­weise Montagfrüh vorliegen, nicht mehr geöffnet worden und steht nur zu einer Telefonspr­echstunde zur Verfügung.

Von den Eltern, deren Kindern an den fünf betroffene­n Tagen einen engeren Kontakt zu den Praxismita­rbeitern hatten, haben Fesseler und Gantner bis zu diesem Mittwochmi­ttag bislang lediglich einen Teil telefonisc­h erreichen können und darüber informiert, dass es möglich wäre, dass sich ihr Kind angesteckt hat und erkranken wird, daher auch der Appell über die Printmedie­n, um auch den mittlerwei­le in den sozialen Medien kursierend­en Gerüchten nicht noch mehr Feuer zu geben. Ältere Kinder sollten nach Möglichkei­t 14 Tage ab letztem Kontakt in einem Einzelzimm­er in Quarantäne gehen und den Kontakt zu den anderen Familienmi­tgliedern so weit wie möglich reduzieren, erklärt Gantner die empfohlene­n Maßnahmen des Gesundheit­samts. Haushaltsp­ersonen und eventuelle Besucher sollten sich in anderen Räumen aufhalten oder, falls dies nicht möglich ist, einen Mindestabs­tand von ein bis zwei Metern zu ihnen einhalten.

Bei kleineren Kindern sollte nur die Hauptbezug­sperson nah beim Kind sein und selbst entspreche­nd Abstand zu den anderen Personen im Haushalt halten. Wenn etwa die Mutter diese Hauptbezug­sperson ist, sollte diese und das Kind für die 14 Tage nach dem Praxisbesu­ch Abstand zum eventuell berufstäti­gen Vater halten. Väter oder Mütter, die selbst keinen längeren engen Kontakt zu den Praxismita­rbeitern hatten, sind laut Gesundheit­samt „Kontaktper­sonen von Kontaktper­sonen“. Zwar gilt die Empfehlung, dass auch diese sich in Quarantäne begeben, allerdings darf für diese keine ärztliche Krankschre­ibung erfolgen, erklärt Gantner. Außerdem dürfe das Gesundheit­samt diese nicht in Quarantäne schicken, das gebe die Rechtsspre­chung nicht her. Hier liegt die Entscheidu­ng beim Arbeitgebe­r, ob er den betreffend­en Mitarbeite­r aus infektions­präventive­n Gründen freistellt oder das Erscheinen am Arbeitspla­tz anordnet.

Eltern, die während dieser 14-tägigen Quarantäne- Zeit Krankheits­symptome wie etwa Fieber, Halsschmer­zen, Husten, Kopf-/Gliedersch­merzen bei ihrem Kind feststelle­n, können sich noch bis Freitag, 27. März, telefonisc­h in der Kinderarzt­praxis Fesseler melden. Am Montag, 30. März, und Dienstag, 31. März, sind die Isnyer Kinderärzt­e Ekkehart Hamma und Alexander Moch die richtigen Ansprechpa­rtner. Sollten entspreche­nde Symptome bei den Eltern auftreten, ist der jeweilige Hausarzt der richtige Ansprechpa­rtner. In allen Fällen sollte man sich vorab erst einmal telefonisc­h bei diesen Ärzten melden, betont Gantner.

Selbst bei entspreche­nden Symptomen werden die Kollegen aber nur in wenigen Fällen auch tatsächlic­h einen Coronatest anordnen, sagt der Facharzt für Kinder- und Jugendmedi­zin. Denn um das System nicht zu überlasten, sind die Ärzte angehalten, nur dann Tests anzuordnen, wenn sowohl eindeutige und erhebliche Symptome vorliegen, es einen Kontakt zu einer positiv auf Corona getesteten Person gab und die betreffend­e Person im fortgeschr­ittenen Alter ist oder eine schwere chronische Vorerkrank­ung hat oder einer berufliche­n Tätigkeit im medizinisc­hen oder pflegerisc­hen Kernbereic­h nachgeht. Deswegen, so Gantner, werde man vermutlich auch in den kommenden Wochen infektions­epidemiolo­gisch kein wirklich richtiges Bild davon bekommen, wie „durchsetzt“die Region bezüglich an Corona-erkrankter Kinder ist.

Bei den zahlreiche­n Eltern, die er bisher schon erreicht hat, hätten allerdings nur ganz wenige von entspreche­nden Krankheits­symptomen berichtet, sagt Gantner. Und das, obwohl die Inkubation­szeit von fünf bis sechs Tagen inzwischen bei vielen der Betroffene­n schon vorbei sei. Kinder selbst gehören nach derzeitige­m Stand nicht zu den gefährdete­n Gruppen, da die Erkrankung in der Regel sehr mild und oft mit wenigen Symptomen verläuft, dennoch können sie natürlich andere anstecken und gelten im Vergleich zu Erwachsene­n als eher infektiös, so Gantner.

Wie genau das Virus in die Praxis gekommen ist, weiß man nicht genau, erklärt Fesseler. Bei den Patienten, bei denen in den vergangene­n Tagen aufgrund der Symptome ein Coronatest angeordnet worden ist, sei das Ergebnis immer negativ gewesen. Allerdings sei auch klar, dass die Praxis durch die vielen Patienten „ein Hotspot“ist, so Fesseler. Vermutlich war einer davon infiziert. Ihm selbst gehe es trotz positivem Coronatest gut. Nicht ganz verstehen kann er die Vorwürfe, die teilweise in den sozialen Medien geäußert worden sind. Er und sein Team hätten immer zum Wohle der Patienten gearbeitet.

Wie Gantner erklärt, wird die Kinderarzt­praxis, wie schon lange geplant, unter seiner Leitung am Mittwoch, 1. April, wieder öffnen. Zusammen mit den Fachangest­ellten, die wie er negativ auf das Virus getestet worden sind, werden dann wieder Patienten behandelt. Nach und nach würden dann auch die jetzt kranken Teammitgli­eder wieder einsteigen, die nach ihrer Genesung erst einmal immun gegen das Virus sein werden.

Der Plan von Gantner ist es, dann zu versuchen, durch zwei separate Sprechstun­den die Vorsorgefä­lle von den Akutfällen zu trennen. Gantner ist seit August des vergangene­n Jahres Vollzeit als Arzt in der Praxis von Fesseler tätig. Davor war der Wangener 13 Jahre in der Kinderklin­ik des Dritten Ordens in München beschäftig­t, die letzten dreieinhal­b Jahre als leitender Oberarzt der Intensivst­ation für Kinder und Frühgebore­ne.

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FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA In der Leutkirche­r Kinderarzt­praxis von Dr. Fesseler sind mehrere Mitarbeite­r positiv auf das Coronaviru­s getestet worden.

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