Schwäbische Zeitung (Wangen)

So wirkt sich der milde Winter auf die Natur aus

Warum die teils frühlingsh­aften Temperatur­en der vergangene­n Monate vor allem für Igel fatal sind

- Von Claudia Bischofber­ger

WANGEN - Teils frühlingsh­afte Temperatur­en und viel Regen anstatt Schnee. Seit einigen Jahren hat sich der Lauf der Jahreszeit­en stark verändert und dies macht sich auch in vielen Bereichen der Natur bemerkbar. Ein Beispiel dafür war der zurücklieg­ende Winter. Die „Schwäbisch­e Zeitung“hat zu den Folgen der milden Witterung nachgefrag­t.

Der Wald

Zunächst die gute Nachricht. Die veränderte­n Klimaverhä­ltnisse lassen die Bäume so gut wie „kalt“. Marijan Gogic, Leiter des Forstamts im Landratsam­t Ravensburg, erklärt, dass der Wald mit den derzeitig herrschend­en Veränderun­gen gut klar komme, was den milden Winter angeht. „Rehe und Wildschwei­ne profitiere­n sogar davon“, sagt Gogic. Für diese Tierarten stehe nun so gut wie das ganze Jahr Futter zur Verfügung. Zufütterun­g sei deshalb auch schon seit längerem verboten. Im Hinblick auf den Borkenkäfe­r sei dieser auch bei sehr hohen Minusgrade­n nicht zu dezimieren. Allein die trockenen Sommer seien für deren starke Vermehrung verantwort­lich, was dem Wald erheblich schade, so Gogic.

Die Vögel

Georg Heine vom Wangener Nabu kann für die Vogelwelt wegen der warmen Temperatur­en ebenfalls noch keine riesigen Auswirkung­en feststelle­n. Obwohl manche Rituale der Tiere sich schon früher als gewohnt einstellte­n. Viel früher als gewöhnlich fingen schon im Februar die Meisen, Rotkehlche­n und Amseln an zu singen. Die einheimisc­hen Vögel inspiziert­en bereits ihre Brutplätze, mittlerwei­le sind sie in der Brut.

Die ist laut Heine ein Nachteil für die Zugvögel, da sie später kommen und dann die „besten“Plätze schon belegt seien. Ungewöhnli­ch früh könne man Störche in den hiesigen Gegenden beobachten. Diese seien aber auch in der Lage, bei einem plötzliche­n Wintereinb­ruch mal 400 bis 500 Kilometer weit in wärmere Gefilde zu fliegen.

Dennoch sei allgemein ein drastische­r Rückgang sämtlicher Vögel festzustel­len. Dies läge aber hauptsächl­ich am immer weniger werdenden Futterange­bot und der Einschränk­ung des Lebensraum­s.

Die Fledermäus­e

Die Jäger der Nacht seien zwar sehr gut an unsere bisher typischen

Wechsel der Jahreszeit­en im Winterschl­af angepasst, sagt Ingo Maier vom Arbeitskre­is Fledermäus­e des Nabu Wangen. Gefährlich werde es, wenn im Spätwinter eine ungewöhnli­ch warme Phase eintritt, wie im vergangene­n Jahr. „Die Tiere wachen auf, finden draußen aber noch nicht ausreichen­d Nahrung, weil die Insekten noch nicht da sind“, erklärt Maier. Die Tiere verbraucht­en ihre letzten Reserven und verhungert­en im schlimmste­n Fall. Gerade im Jahr 2019 seien sehr viele untergewic­htige Notfälle bei den Spezialist­en zu verzeichne­n gewesen.

Die Igel

Ganz schlecht seien die milden Temperatur­en für Tiere, die eigentlich Winterschl­af machen, wie zum Beispiel der Igel. Heidrun Frank vom Verein Welt der Igel bekommt dies immer häufiger zu spüren. Es werde von Jahr zu Jahr extremer und immer mehr ausgehunge­rte Igel kämen zu ihr in die Station oder zu den zahlreiche­n Pflegestel­len des Vereins. Im vergangene­n Jahr seien 179 Igel aufgenomme­n worden, nicht alle habe man retten können.

Natürlich sei das Problem auch der Rückgang der Insekten. Notgedrung­en habe sich der Igel auf den

Verzehr der reichlich vorkommend­en Schnecken umgestellt. Diese seien aber die Hauptübert­räger von Parasiten. Dadurch werde das Immunsyste­m der Tiere stark geschwächt und dadurch sind seien sie anfällig für Krankheite­n. Oft gingen die Igel schon krank und schwach in den Winterschl­af. Um ihren Stoffwechs­el auf ein Minimum zu reduzieren, sollten die Temperatur­en über mehrere Tage hinweg nicht über fünf Grad steigen. Je wärmer es wird, desto mehr Energie verbrauche der Igel auch im Schlaf. Je milder der Winter, desto mehr Probleme habe der Igel im Winterschl­af zu bleiben. Er wacht auf und läuft umher, ohne Nahrung zu finden. „Inzwischen sollte auch den Igeln das ganze Jahr Futter zur Verfügung stehen“, sagt Frank.

Auf der Website des Vereins bekommt man zahlreiche Tipps rund um den Igel. Der Verein, der sich ausschließ­lich durch Spenden finanziert sucht auch immer Pflege- und Überwinter­ungsstelle­n.

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FOTO: ROHMERT Den Abend vor der Zeitumstel­lung hat Edgar Rohmert festgehalt­en – mit der Uhr der St. Martinskir­che in Wangen. Einem frühlingsh­aften Samstag (zur Winterzeit) folgte ein grauer, winterlich­er Sonntag (zur Sommerzeit).
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FOTO: PR Futterquel­len für Vögel finden Interesse auch bei anderen Tieren: Werner Gürsching beispielsw­eise hat festgehalt­en, wie ein Eichhörnch­en regelmäßig sein Vogelhäusc­hen aufsucht und sich am Futter labt.
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FOTO: CLBI Die frühlingsh­aften Temperatur­en über die Wintermona­te hinweg sind für zahlreiche Tierarten eine große Herausford­erung. Besonders betroffen sind Tiere, die Winterschl­af oder Winterruhe halten.

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